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Sabrina Arendt bereute es nicht, wozu es gekommen war. Sie war eine moderne Frau und vertrat die Ansicht, dass es keines Trauscheins bedurfte, einen Mann zu lieben. Wenn das hier vorbei war, würden sie sich trennen und wahrscheinlich nicht wiedersehen. Die Welt ist groß ...

Sie hatte Halef Mudji Bergesfelden gezeigt, und sie waren auch in der Nähe der Wiesen-Klinik gewesen. Heute war Mudji allein mit dem Auto unterwegs. Er würde vorsichtig sein, daran zweifelte Sabrina nicht.

Ab und zu nagten in Sabrina Arendt Gewissensbisse. Immerhin leistete sie Beihilfe zu einem Mord. Man konnte es drehen und wenden, wie man wollte. Man konnte behaupten, es wäre eine politische Notwendigkeit, dass Halef Mudji den Scheich beseitigte. Man konnte sich einreden, es wäre Krieg und in einer solchen Ausnahmesituation sei alles erlaubt. Doch sich selbst konnte Sabrina nicht belügen. Sich selbst musste sie eingestehen, dass sie einen Mörder unterstützte.

Halef Mudji war Ibn Achbars Werkzeug. Und sie war Mudjis Handlanger.

Mudji tat es für Geld. Sie auch, hatte sie gesagt. Aber sie tat es auch ein bisschen für Ibn Achbar. Um der Tage in St. Moritz willen.

Die Scheidung von Norbert Palven hatte sie sehr mitgenommen. Sie hatte an Depressionen gelitten. Ibn Achbar hatte sie wieder aufgerichtet. Er hatte ihr neuen Lebensmut gegeben, sie erkennen lassen, dass Norbert nicht der einzige Mann auf der Welt war. Sie tat das alles hier ein bisschen aus Dankbarkeit, und weil Ibn Achbar ihr erklärt hatte, man hätte ihn um den Platz an der Spitze betrogen. Somit verhalf sie ihm nur zu dem, was ihm rechtmäßig zustand. Damit versuchte sie ihr Gewissen zu beruhigen. Aber es wollte nicht so richtig funktionieren.

Sie wusste nicht, wann Halef in die Villa zurückkehren würde. Er hatte ihr keine Zeit genannt.

Sie aß eine Kleinigkeit und begab sich anschließend ins Wohnzimmer. Lustlos griff sie nach einer Illustrierten. Bald würden diese Zeitschriften eine neue blutige Sensation haben.

Den Mord an Scheich Rashid Achbar!

Ein eigenartiges Gefühl beschlich die junge Frau mit einem Mal. War es die Einsamkeit, die dieses schleichende Unbehagen hervorrief? Was konnte es sonst sein?

Einsamkeit ... Das war nicht nur ein Wort, das Sabrina Arendt nicht mochte. Es war mehr noch ein Zustand, den sie hasste. Es gab für sie nichts Schlimmeres, als allein zu sein, deshalb stellte sie sich in ihren schlimmsten Alpträumen immer vor, von jeglichem Leben isoliert zu sein, und wenn der Traum besonders peinigend war, kam noch hinzu, dass man sie in eine enge, stockfinstere Zelle gesperrt hatte.

Aus solchen Alpträumen erwachte sie stets in Schweiß gebadet, heftig keuchend und zitternd.

Doch das Gefühl, das ihr heute zu schaffen machte, war anders. Fortwährend meldete sich eine Stimme in ihr, die ihr riet, fortzugehen.

Es ist nicht richtig, was du tust! Du kannst es noch so sehr beschönigen und nach plausiblen Motiven suchen - es bleibt ein großes Unrecht. Noch kannst du es verhindern. Verlasse die Villa! Geh schnell, bevor es zu spät ist! Rufe die Polizei an und sage, was geschehen soll, damit es nicht passieren kann!

Tu etwas, Sabrina!

Doch sie schüttelte trotzig den Kopf, erhob sich nicht, ging nicht aus dem Haus. Sie blätterte weiter in der Illustrierten. Auf mehreren Seiten wurde von einer schrecklichen Flugzeugkatastrophe berichtet, die sich auf Mallorca ereignet hatte. Zwei Charterflugzeuge waren auf der Piste zusammengestoßen. Vollbesetzt. Dem flammenden Inferno war niemand entkommen.

„Das war Gott“, sagte Sabrina bitter. „Hier hatte der Herr über alles Leben seine Hand im Spiel. Was ist dagegen schon der Tod eines einzigen Scheichs.“

265 Tote, die auf Gottes Konto gingen, gegen einen Toten, den nicht einmal sie selbst umgebracht haben würde. Musste sie wirklich Gewissensbisse haben?

Sabrina Arendt warf die Illustrierte neben sich auf den Boden, begab sich zur Bar und mixte sich einen Cuba libre mit viel Bacardi, dem weißen Rum. Irgendetwas stimmte nicht ... Mit ihr? Mit diesem Haus?

Sie erinnerte sich an einen sehr spannenden Roman, den sie kürzlich gelesen hatte. Ein junges Mädchen hatte ein einsames altes Haus geerbt und darin viele unheimliche, mysteriöse Dinge erlebt. Manchmal war Sabrina beim Lesen regelrecht eine Gänsehaut den Rücken hinuntergelaufen.

Unwillkürlich verglich sie diese Villa mit jenem einsamen Haus im Roman, und sie glaubte, ein paar Ähnlichkeiten erkennen zu können.

Zuerst waren es nur Geräusche, die die Romanheldin ängstigten.

Geräusche ...

Sabrina Arendt zuckte erschrocken zusammen und drehte sich rasch um, denn sie hatte soeben etwas gehört. Schritte vielleicht. Auf der dämmrigen Veranda.

Oder hatte sie sich die Geräusche nur eingebildet?

Herrgott noch mal, wo bleibt Halef so lange?, fragte sie sich unwillig.

Vielleicht waren es seine Schritte, die sie gehört hatte. Sie nahm hastig einen Schluck vom Cuba libre. Das kalte Getränk schoss in ihren Magen und wurde dort in Wärme umgewandelt, die langsam hochstieg.

Zögernd begab sie sich zum Fenster. Das halb volle Glas nahm sie in die linke Hand, und mit der rechten schob sie die Gardine ein Stück zur Seite. Auf der Veranda befand sich niemand. Jedenfalls konnte Sabrina niemanden sehen. In ihrem Kopf begannen sich viele Gedanken zu überschlagen.

Verrückte Dinge kamen ihr in den Sinn. Sie dachte zum Beispiel an die Polizei: Man hatte Wind von dem geplanten Attentat bekommen, und nun hatte die Polizei das Haus umstellt. Halef Mudji war bereits verhaftet. Jetzt wollte man auch sie dingfest machen. Überall standen Polizisten. Gut postiert, unsichtbar. Gleich würde über einen Lautsprecher der Befehl ertönen, sie solle unbewaffnet und mit erhobenen Händen herauskommen.

Ein leises Klappern geisterte durch das Gebäude. Sabrina blieb vor Schreck beinahe das Herz stehen. War das ein Test? Wollte Halef Mudji prüfen, wie widerstandsfähig ihre Nerven waren?

Auch das hielt sie für möglich.

Mit einem schnellen Ruck leerte sie ihr Glas und stellte es auf eine Anrichte aus massiver Eiche.

Jetzt befanden sich die Schritte im Haus. Kein Zweifel, jemand war da. Sabrinas Herz schlug bis in den Hals hinauf. Gespannt blickte sie zur offenen Wohnzimmertür, der sich die Schritte näherten. Das konnte keine Einbildung sein.

„Halef?“, fragte sie krächzend. „Bist du das?“

Sie bekam keine Antwort. Dafür sah sie einen Schatten, der sich über den Boden schob. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, die Augen von Furcht geweitet.

Sekunden später sah sie den Mann, zu dem der Schatten gehörte, und sie konnte es nicht glauben.

Sammelband 4 Krimis: Mordgeflüster in Venedig und drei andere Krimis

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