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Die Medien waren nicht informiert. Rashid Achbar wollte nicht, dass alle Welt von seiner Reise und deren Ziel erfuhr. Seine Privatmaschine landete in Basel, wo auf ihn und seine Begleitung ein Hubschrauber wartete. Sie flogen nach Bergesfelden weiter.

Der Scheich trug einen weiten weißen Burnus, und ein Tuch bedeckte seinen Kopf. Er war ein rundlicher, graubärtiger Mann mit Augen, die trotz seiner sechzig Jahre immer noch die Schärfe eines Adlers hatten. Er konnte sich mit der westlichen Kleidung, wie sein Sohn und seine beiden Leibwächter sie trugen, nicht anfreunden, fühlte sich nicht wohl darin. Er war ein konservativer Mensch, ohne aus seiner persönlichen Einstellung ein Diktat zu machen.

Seine vier Frauen und die beiden Töchter, die bei ihm waren, gingen nicht auf seinen Wunsch hin verschleiert, sondern weil sie es selbst wollten. Allem Modernen und dem vernünftigen Fortschritt stand Scheich Rashid Achbar sehr aufgeschlossen gegenüber. Revolutionäre Ideen und Neuerungen, die man an ihn herantrug, lehnte er niemals von vornherein ab, sondern er prüfte und selektierte gewissenhaft und entschied sich für die Dinge, die seinem Volk zum Wohle gereichten. Nur das, was er als schlecht erkannte, lehnte er ab.

Vier Frauen hatte er, und sie hatten ihm insgesamt siebzehn Kinder geschenkt, von denen aber nur zehn am Leben geblieben waren - neun Mädchen und ein Sohn, und dieser eine Sohn war Rashid Achbars ganz besonderer Stolz. Er liebte ihn sehr. Er liebte auch seine Töchter, aber anders als seinen Stammhalter, der nun bald die Regierungsgeschäfte in Yanba übernehmen würde.

Vierundzwanzig Jahre war Harun Achbar alt, und er sah großartig aus. Er hatte eine olivfarbene Haut, jettschwarzes, dichtes Haar und nachtschwarze Augen. Er war etliche Jahre von zu Hause fort gewesen, hatte an der Wirtschaftsuniversität in Wien Welthandel studiert und auch seinen Doktor gemacht. Studienreisen führten ihn nach New York, Moskau und Tokio. Er hatte viel von der Welt gesehen und wusste heute, dass es ihm nirgendwo besser gefallen konnte als zu Hause in Yanba. Zugegeben, er verließ den Palast in Djeha hin und wieder sehr gern, aber noch lieber kehrte er nach einer mehrwöchigen Abwesenheit dorthin zurück.

Vater und Sohn saßen einander im Hubschrauber gegenüber. Geplant war ein Aufenthalt von zwei Wochen. Nach Abschluss der Untersuchungen wollte sich der Scheich seiner Familie widmen und sich in Bergesfelden von den Strapazen der Regierungsgeschäfte erholen.

„Geht es dir gut, Vater?“, fragte Harun Achbar.

„Warum fragst du, mein Sohn?“, gab der Scheich zurück.

„Du siehst müde aus.“

„Das bin ich.“

„Strengt dich die Reise an?“

„Vielleicht. Ein wenig. Aber du weißt, dass ich, um diese Reise antreten zu können, einige wichtige Besprechungen vorziehen musste.“

„Du hast an manchen Tagen bis zu sechzehn Stunden gearbeitet.“

„Wer sein Volk liebt, muss bereit sein, Opfer zu bringen, mein Sohn. Merke dir das! Zuerst kommen immer die Menschen in deinem Land, dann erst du. Denn nur durch sie kannst du bleiben, was du bist. Und sie müssen zufrieden sein, sonst wenden sie sich gegen dich.“

„Es ist nicht leicht, zu regieren, es allen Menschen recht zu tun.“

„Das bringt natürlich niemand fertig, aber es gibt einen goldenen Mittelweg. Ihn musst du stets suchen, finden und beschreiten.“

„Allah möge dir noch viele Jahre Kraft und Gesundheit schenken, Vater.“

Der Scheich lächelte. „Damit ich noch recht lange der erste Mann im Staat sein kann? Mein lieber Sohn, ich finde, du solltest dich allmählich mit dem Gedanken anfreunden, meinen Platz einzunehmen.“

„Wozu? Das Volk liebt dich.“

„Es liebt auch dich“, sagte der Scheich.

„Die Bündnis und Wirtschaftspartner von Ost und West bringen dir Achtung und Vertrauen entgegen.“

„Sie wissen, dass sie dir genauso trauen können, und ihre Achtung wirst du dir rasch erwerben. Wenn wir von dieser Reise zurückkehren, sollte es in Yanba einige Veränderungen geben.“

„Heißt das, du willst abdanken?“, fragte Harun Achbar überrascht.

„Hast du vor, dich vor der Verantwortung zu drücken?“

„Nein, keineswegs, Vater, aber ich dachte ... Du hast bisher noch nie so direkt darüber gesprochen. Für mich lag eine Übernahme der Regierungsgeschäfte in weiter Ferne.“

„Du fühlst dich von mir heute überrumpelt.“

„Das nicht, aber deine Worte geben mir Anlass zur Besorgnis. Wenn du so sprichst ... Gibt es etwas, das du mir bisher verschwiegen hast? Befürchtest du, das deutsche Ärzteteam könnte eine Krankheit bei dir entdecken, die du uns aus gutem Grund verheimlicht hast?“

Der Scheich lächelt mild und schüttelte den Kopf. Er legte seinem Sohn die Hand auf den Arm. „Wir sind Vater und Sohn, Harun, und wir sind Freunde. Es gibt nichts, nichts, was ich dir jemals verheimlichen würde. Was meine Gesundheit anlangt, kann ich dich - aus meiner Sicht - beruhigen. Es gibt nichts, weswegen du dir Sorgen machen müsstest. Wie die Ärzte darüber denken, werden wir bald erfahren.“

Harun Achbar atmete erleichtert auf.

„Wenn du dich gut fühlst, wird schon nicht so schlimm sein, was man finden könnte.“

„Aber ich bin sechzig, und unserem Land stehen einige politische Stürme bevor. Wenn du meinen Platz bald einnimmst, irritieren wir zunächst unsere Gegner. Sie müssen sich eine andere Taktik ausdenken, und wenn sie dann angreifen, können wir sie mit vereinten Kräften unschädlich machen. Du wirst aus diesen Auseinandersetzungen als strahlender Sieger hervorgehen, und niemand wird mehr daran zweifeln, dass du der beste Mann für Yanba bist.“

Bergesfelden kam in Sicht, und der Hubschrauber begann langsam zu sinken. Scheich Achbar fasste nach der Schulter seines Sohnes und nickte zuversichtlich.

„Gemeinsam sind wir nicht nur stark, sondern unbezwingbar, Harun, und so wird es noch sehr lange sein.“

Sammelband 4 Krimis: Mordgeflüster in Venedig und drei andere Krimis

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