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Unermüdlich drehte sich der große Ventilator an der Decke. Er schien die schwüle Luft wie einen Teig zu kneten. Nackt lag die dunkelhäutige Fatima unter dem weißen Laken. Matrosen, die in Richtung Hafen gingen, grölten den scharfen Text eines unanständigen Liedes unter dem Schlafzimmerfenster. Fatima war nicht prüde. Sie lächelte über die schockierenden Reime. Neunzehn war sie, und die Männer, mit denen sie zusammen gewesen war, hatten ihr bestätigt, dass sie die Hölle im Leib hatte. Wild und leidenschaftlich konnte sie lieben. Aber sie war dabei auch anschmiegsam und zärtlich. Und manchmal zeigte sie, die ungebändigte Wildkatze, nicht nur die Krallen, sondern setzte sie auch ein. Eine junge Frau wie ein Vulkan war sie, schön und gefährlich. Ihre Liebe war ein Erlebnis, ihr Hass war zum Fürchten.

Rauchend lag sie im Bett, und ihr langes schwarzes Haar ergoss sich wie eine Pechflut über das weiße Kissen. Bisher hatte sie mit den Männern gespielt, keinen von ihnen ernst genommen. Sie hatte sich mit ihnen vergnügt, und wenn sie ihrer überdrüssig geworden war, war sie einfach fortgegangen. Manchmal, ohne sich zu verabschieden.

Doch plötzlich hatte sich in ihren Ansichten etwas geändert. Der Mann, an den sie kürzlich geraten war, war für sie mehr als ein Spielzeug, das man achtlos beiseite legt, wenn es einen nicht mehr interessiert. Zum ersten Mal hatte Fatima echt Feuer gefangen, und sie wusste, dass es mehr als ein Strohfeuer war. Sie war verliebt bis über die Ohren, bis in die Haarspitzen ... Mit jeder Faser ihres Herzens liebte sie Halef Mudji. Wenn er nicht bei ihr war, verzehrte sie sich nach ihm. Wenn ihn ein anderes Mädchen ansah, platzte sie fast vor Eifersucht. Es erging ihr heute so wie den Männern, mit denen sie befreundet gewesen war. Halef Mudji hatte für die anderen den Spieß umgedreht. Er behandelte sie so, wie sie es mit seinen Vorgängern getan hatte, und er machte sie damit fast verrückt. Manchmal hasste sie ihn deswegen beinahe. Oh, er konnte so schrecklich gleichgültig zu ihr sein.

Es war schon spät, fast Mitternacht, und Fatima fragte sich, wo Halef sich so lange herumtrieb. Er hatte ihr nicht gesagt, wohin er sich begeben wollte. Vielleicht befand er sich bei einer anderen Frau.

„Das würde ich ihm nie verzeihen!“, zischte Fatima und blies dabei den Zigarettenrauch zum Ventilator hinauf. „Das dürfte er mir nicht antun. Ich würde ihn umbringen, das weiß er. Und die andere würde ich auch töten. Kein Mann darf mich betrügen!“

Angeblich hatte Halef eine wichtige geschäftliche Besprechung. Ehemänner auf der ganzen Welt gebrauchen diese abgegriffene Lüge Tag für Tag. Gestern, heute, morgen immer ...

Fatima setzte sich auf. Das Laken rutschte nach unten und entblößte ihren makellosen Busen. Sie drückte die Zigarette in dem Aschenbecher, der auf dem Nachttisch stand, aus und fragte sich, was es so Wichtiges mitten in der Nacht zu besprechen gab.

Sie wusste, mit wem sie zusammen war, womit sich Halef Mudji sein Geld verdiente. Natürlich hatte sie es nicht von ihm erfahren. Über seinen außergewöhnlichen Beruf sprach er nie, und sie schnitt dieses Thema auch niemals an. Aber sie wusste Bescheid. Es störte sie nicht. Für sie war Halef nur ein Mann, mit dem sie ein Leben lang zusammenbleiben wollte, der beste und feurigste Liebhaber, den sie jemals gehabt hatte. Sie konnte und wollte auf diesen Mann nie mehr verzichten. Fatima hatte ihm das auch schon gesagt, und er hatte sie von oben herab angelächelt und gesagt: „Du kannst mich nicht halten. Keine Frau kann das. Wenn ich gehen will, gehe ich.“

Aber sie würde ihn nicht gehen lassen. Sie würde ihn festhalten. Wenn nötig, mit Gewalt. Ja, sie war fest entschlossen, Druck auf ihn auszuüben, wenn er sich nicht anders halten ließ. Sie konnte sehr rücksichtslos sein, wenn sie etwas durchsetzen wollte.

Endlich vernahm sie Schritte auf der Treppe, und gleich darauf wurde die Tür aufgeschlossen. Als Halef Mudji die Wohnung des Mädchens betrat, rief sie ihn und knipste die Nachttischlampe an.

Er erschien in der Tür. „Du schläfst noch nicht?“

Sie räkelte sich. „Ich habe auf dich gewartet.“

„Wozu?“

Sie streckte ihm die nackten Arme entgegen. „Errätst du es nicht? Komm zu mir!“

Er rührte sich nicht von der Stelle.

„Warum warst du so lange weg?“, fragte Fatima träge.

„Eine wichtige geschäftliche Angelegenheit.“

„Ich hoffe, dein Geschäftspartner war ein Mann.“

„Zufällig ja.“

„Und nun bist du zu müde, um zu deiner kleinen Fatima zärtlich zu sein?“

„Zu müde. Ja.“

„Der Scheitan soll diesen Mann holen“, fauchte das schwarzhaarige Mädchen leidenschaftlich. „Wie kommt er dazu, mich um das zu bringen, was mir zusteht?“

Mudji grinste. „Du wirst auch in Zukunft auf mich verzichten müssen, meine kleine Blume.“

Zorn funkelte in Fatimas schwarzen Augen.

„Was soll das heißen?“

„Ich verlasse Abu Dhabi morgen“, erklärte der Mann.

„Und wohin gehst du?“

„Das geht dich nichts an“, entgegnete er.

„Du verreist geschäftlich?“

„Ja.“

„Aber du kommst bald zurück. Ein, zwei Wochen ...“

„Ich werde länger fortbleiben.“

„Länger? Wie lange? Einen Monat? Zwei?“, fragte die junge Frau gereizt

„Vielleicht ein Jahr. Ich weiß es noch nicht.“

Fatima schaute ihn entgeistert an.

„Und mich willst du einfach hierlassen? Das ist nicht dein Ernst. Du weißt, dass ich ohne dich nicht sein kann.“

Er lächelte kalt. „Du wirst mit diesem Problem irgendwie fertigwerden müssen, Fatima.“

„Heißt das, du willst dich von mir trennen? Für ... immer?“

„Ja, darauf läuft es wohl hinaus, und ich wäre dir dankbar, wenn du mir keine Szene machen würdest. Ich muss morgen früh aufstehen und möchte noch ein paar Stunden schlafen.“

„Ich komme mit dir. Egal, wohin du gehst, ich werde dich begleiten, Halef.“

Er schüttelte den Kopf. „Unmöglich.“

„Du brauchst nicht zu befürchten, dass ich für dich ein Klotz am Bein bin. Bitte, nimm mich mit. Du kannst völlig ungehindert deine Arbeit tun. Ich werde nur für dich da sein, wenn du nichts zu tun hast.“

„Ausgeschlossen. Ich werde allein reisen“, sagte er hart. „Wir hatten zusammen eine angenehme Zeit, Fatima. Es ist vorbei. Finde dich damit ab!“

Es blitzte leidenschaftlich in den Augen des Mädchens.

„Ich warne dich, Halef Mudji. Mich kann man nicht so einfach abschieben. Ich liebe dich. Du darfst meine Liebe nicht mit Füßen treten, sonst verwandelt sie sich in Hass.“

„Ich fürchte deinen Hass nicht“, sagte Mudji eisig.

„Du denkst, ich kann dir nicht gefährlich werden.“

Er lachte. „Hast du vor, mir im Schlaf die Kehle durchzuschneiden?“

„Ich kann etwas anderes tun“, erklärte die Frau. „Wohin gehst du? Amerika? Australien? Asien? Als du das letzte Mal im Iran warst ... Flog da nicht ein Erdölminister mit seinem Auto in die Luft? Und wurde nicht ausgerechnet in der Zeit ein afrikanischer Großindustrieller in Damaskus erschossen, als du dort weiltest? Du warst zufällig in Athen, als ein hoher ägyptischer General Selbstmord beging ... Nun verreist du wieder. Wer wird das diesmal nicht überleben?“

Halef Mudji starrte das Mädchen durchdringend an. Er begriff, dass er Fatima unterschätzt hatte. Dieses Mädchen war gefährlich.

„Was für Verrücktheiten reimst du dir da zusammen?“, herrschte er sie an.

„Sind es wirklich nur Verrücktheiten, Halef? So viele Zufälle. So viele Tote. Und immer warst du in der Nähe. Ich denke, das wird die Polizei interessieren.“

Mudji hätte beinahe die Beherrschung verloren. Es zuckte um seine Mundwinkel. Blitzschnell überlegte er, wie er mit diesem Problem fertigwerden konnte. Fatima mitzunehmen, kam für ihn nicht infrage. Wenn er sie verließ, würde sie nicht zögern, der Polizei einen Wink zu geben. Interpol würde ihn jagen, und er würde seinen Auftrag nicht ausführen können. Ibn Achbar bezahlte nicht eine halbe Million Dollar für nichts. Er würde glauben, hereingelegt worden zu sein und andere Mörder anheuern, um ihn, Halef Mudji, zu bestrafen.

Mudji hatte das Gefühl, eine unsichtbare Schlinge würde sich langsam um seinen Hals zuziehen. Er sah nur eine Möglichkeit, den Kopf rechtzeitig herauszuziehen: Wenn er Abu Dhabi verließ, durfte Fatima nicht mehr in der Lage sein, ihm zu schaden.

„Du bist ein kleines, raffiniertes Luder“, sagte er grinsend.

„Ich habe dich in der Hand, stimmt’s?“, wollte sie wissen.

„Ja, das hast du.“

„Es würde mir sehr leid tun, dich in Schwierigkeiten bringen zu müssen.“

„Aber du würdest nicht davor zurückschrecken, es zu tun.“

„Nur, wenn du mir keine Wahl lässt. Lieber würde ich dir nicht schaden. Ich bin auf deiner Seite, Halef, bin deine Freundin, nicht deine Feindin. Ich liebe dich, wie ich noch nie einen Mann geliebt habe. Lass uns zusammenbleiben! Ich bitte dich.“

„Ich werde wenig Zeit für dich haben“, sagte er und begab sich zu ihr.

Sie schlang ihm mit einem erfreuten Aufschrei die Arme uni den Hals.

„Heißt das, du nimmst mich mit?“

„Muss ich doch wohl, oder?“

Sie bedeckte sein Gesicht mit Küssen.

„Du wirst diesen Entschluss bestimmt nicht bereuen, Halef, das verspreche ich dir.“

„Warst du schon mal in Deutschland?“

„Wir gehen nach Deutschland? Nein, da war ich noch nie.“

„Es wird dir gefallen.“

„O ja, davon bin ich überzeugt. Es gefällt mir überall, wenn ich in deiner Nähe bin. Halef, du weißt nicht, wie glücklich du mich machst. Es tut mir leid, dass ich vorhin so hässlich zu dir war, aber ich war so schrecklich enttäuscht, als du sagtest, es wäre aus und vorbei mit unserer wunderbaren Beziehung. Sie darf nicht zu Ende gehen. Niemals! Versprichst du mir das?“

Er sah sie lange an, nickte und sagte: „Ja, Fatima. Das verspreche ich dir.“

Und er wusste, dass sie tot sein würde, wenn er Abu Dhabi verließ.

„Nimm mich in deine starken Arme!“, bat sie.

Er tat ihr den Gefallen.

„Küss mich!“, verlangte Fatima, und er tat es.

Glücklich schlief Fatima neben ihm ein.

Am nächsten Morgen bereitete Halef Mudji das Frühstück. Er brühte den Tee nach einem alten Nomadenrezept als Karawanentee, und wenig später war Fatima tot, denn in Fatimas Getränk hatte sich Strychnin befunden.

Seiner Abreise nach Europa stand nichts mehr im Wege.

Sammelband 4 Krimis: Mordgeflüster in Venedig und drei andere Krimis

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