Читать книгу Sammelband 4 Krimis: Mordgeflüster in Venedig und drei andere Krimis - A. F. Morland - Страница 18
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„Norbert!“, entfuhr es Sabrina Arendt ungläubig.
Sie konnte es nicht fassen, dass ihr geschiedener Ehemann Norbert Palven in der Wohnzimmertür stand.
„Guten Tag, Sabrina“, sagte er. Schmal war sein Gesicht geworden. Er musste etliche Pfund abgenommen haben. Anscheinend hatte auch ihm die Scheidung nicht gutgetan. Vermutlich hatte sie auch ihn ein wenig aus dem Gleichgewicht gebracht. Sein dichtes, dunkelblondes Haar glänzte seidig, der Anzug saß korrekt wie immer, und es gehörte zu seiner persönlichen Note, dass das Stecktuch weit aus seiner Brusttasche heraushing.
Es hatte vieles an ihm gegeben, das sie geliebt hatte und heute vermisste. Manchmal ertappte sie sich dabei, dass sie die Männer, die ihr begegneten, mit Norbert Palven verglich. Bei Halef Mudji hatte sie das nicht getan. Er unterschied sich zu sehr von Norbert.
„Freust du dich, mich zu sehen?“, fragte er.
Ja, irgendwie freute sie sich schon. Irgendwie aber auch nicht. Sie fühlte sich innerlich gespalten. Die eine Hälfte fühlte sich von ihrem Ex-Ehemann so stark angezogen, dass sie sich ihm am liebsten an den Hals geworfen hätte. Die andere Hälfte lehnte ihn ab und riet ihr zu äußerster Vorsicht, denn es gab keinen anderen Mann, der sie jemals schmerzhafter verletzt hatte als Norbert Palven.
Er lächelte.
„Wie kommst du hierher?“, fragte sie völlig durcheinander. „Ich meine ... wie hast du mich gefunden?“
Er behielt sein schönes, gewinnendes Lächeln bei. „Ich habe von dir gelernt, Sabrina.“
„Gelernt? Was gelernt?“
„Erinnerst du dich nicht mehr? Du hast damals einen Privatdetektiv engagiert.“
„Willst du damit sagen ...“
„Dass das Gleiche nun ich getan habe, um dich zu finden.“
Ein Schwindel erfasste Sabrina Arendt. Sie lehnte sich an die Anrichte und wischte sich mit einer fahrigen Handbewegung über die Augen. Sie dachte an Mudji, an den Mordplan ... Was wusste ihr geschiedener Mann davon? Hatte er Kenntnis von dem beabsichtigten Attentat? Würde er sie der Polizei übergeben?
Eingesperrt sein wirst du für den Rest deines Lebens!, schrie eine Stimme in ihr. Einzelhaft! Hartes Lager! Dunkelhaft!
O Gott!
Zorn wallte in ihr auf und blitzte in ihren Augen.
„Was fällt dir ein, mir nachzuspionieren? Mit welchem Recht tust du das?“
„Mit dem Recht deines Ex-Ehemannes“ antwortete er sanft.
„Ex! Sehr richtig. Das bedeutet aus und vorbei. Wir haben uns getrennt ...“
„Was ich in den vergangenen drei Monaten mehr als einmal bedauert habe“, gestand Norbert Palven.
„Norbert“, sagte sie wütend. „Ich bitte dich, was soll das? Unsere Ehe ist in tausend Scherben gegangen, und es war nicht meine Schuld.“
„Nein, Sabrina. Es war ganz allein meine Schuld. Ich habe es eingesehen.“
„Zu spät.“
„Es ist nie zu spät, Sabrina.“
„Tausend Scherben lassen sich nicht mehr zusammenkleben.“
„Doch. Wenn man will, ist es möglich. Wir beide müssten es aber wollen“, meinte der Mann.
„Ich muss den Verstand verloren haben. Was ich höre, kann nicht wahr sein. Es ist ein Hirngespinst.“
Er kam näher, als wollte er ihr Gelegenheit geben, ihn anzufassen.
„Bleib stehen!“, schrie sie ihn an, und er ging keinen Schritt weiter. Sabrina Arendt schüttelte den Kopf. „Ich begreife es nicht. Ich begreife es einfach nicht. Es will nicht in meinen Kopf rein. Du stehst auf einmal vor mir, hast mich von einem Detektiv suchen lassen und scheinst mir das Angebot machen zu wollen, zu dir zurückzukehren. Irrwitzig ist das.“
„Ich hatte sehr viel Zeit, über uns nachzudenken, Sabrina“, sagte Norbert Palven ernst. „Ich habe dich schrecklich vermisst. Erst als du fort warst, merkte ich, wie sehr ich dich liebe, wie sehr ich dich brauche. Ich habe meine Fehler nicht nur eingesehen. Ich bereue sie auch aus tiefstem Herzen, und ich habe daraus die Konsequenzen gezogen.“
„Heißt das, du hast Schluss gemacht mit allen Freundinnen?“
„Ja, Sabrina.“
„Warum? Jetzt, da du frei bist, kannst du doch Freundinnen haben, so viele du willst.“
„Ich wollte eine Basis schaffen, auf der wir neu anfangen können. Eine Basis, die es dir ermöglicht, zu mir zurückzukehren.“
Sie lachte schrill. „Du spinnst. Nie mehr kehre ich zu dir zurück. Ich bin froh, dass dieser Alptraum ausgestanden ist. An einer Fortsetzung bin ich nicht interessiert.“
„Ich liebe dich, Sabrina“, gestand Norbert.
„Pech für dich.“
„Und du liebst mich. Ich weiß es.“
„Dann weißt du mehr als ich. Liebe hat es zwischen uns beiden nie gegeben, Norbert.“
„Jetzt sagst du nicht die Wahrheit.“
„Es war eine körperliche Angelegenheit, nicht mehr.“
„Das sagst du, um mir wehzutun. Ich kann dich verstehen, Sabrina. Du willst es mir zurückzahlen. Ich hab’s verdient.“
„Du gefällst dir in der Rolle des Märtyrers, nicht wahr?“, sagte Sabrina spöttisch. „Der Detektiv hat dich sicher viel Geld gekostet. Schade darum. Du hast es zum Fenster hinausgeworfen. Ich bin mit dir fertig, bin über die Scheidung hinweg und will von dir nichts mehr wissen.“ Stimmt ja gar nicht, sagte die Stimme in ihr. Warum lügst du? Um dich zu schützen? Wenn du so weiterredest, geht er vielleicht wirklich. Willst du das?
Ja, dachte Sabrina Arendt nervös. Er muss gehen. Ich habe etwas in die Wege geleitet, bei dem ich ihn nicht gebrauchen kann. Er darf davon nichts wissen.
Oder weiß er es? Jesus, wieviel hat dieser Privatdetektiv in Erfahrung gebracht?
„Ich habe mir vorgenommen, mich zu ändern“, sagte Norbert Palven. „Und ich habe damit auch schon begonnen. Ich bin nicht mehr der Mann, der dir wehgetan hat, Sabrina. Nie wieder würde ich dir so etwas antun. Ist es dir nicht möglich, zu verzeihen?“
Er muss gehen!, dachte Sabrina Arendt. Von Minute zu Minute wurde sie unruhiger, denn irgendwann würde Halef Mudji zurückkommen, und wenn Norbert dann noch da war, gab es vermutlich eine Katastrophe. Mudji war ein vorsichtiger und gefährlicher Mann. Es war möglich, dass er Norbert tötete, wenn er seinen Auftrag gefährdet sah.
„Geh!“, sagte die junge Frau scharf. „Du hast kein Recht, hier zu sein, also verlasse das Haus, sonst rufe ich die Polizei.“
„Warum erschießt du mich nicht gleich?“, fragte Norbert Palven hart. „Du besitzt neuerdings doch einen Revolver. Illegal selbstverständlich.“
Sabrina rann es eiskalt über den Rücken. Was wusste Norbert sonst noch?
„Wozu brauchst du einen Revolver, Sabrina?“
Sie hob trotzig den Kopf. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht.“
„Es ist dir nicht erlaubt, eine Waffe zu besitzen.“
„Willst du mir deswegen Schwierigkeiten machen? Denkst du, mich erpressen zu können?“
„Ich möchte verhindern, dass du in dein Unheil rennst.“
„Das tat ich, als ich dich heiratete. Noch mal mache ich so einen Fehler bestimmt nicht.“
„Ich verstehe. Du erschießt ab sofort jeden Mann, der dir gefährlich werden, bei dem du schwach werden könntest.“
„Spare dir deinen Sarkasmus! Mache, dass du endlich fortkommst!“
Er nickte. „Sonst rufst du die Polizei. Meine Liebe, wer Butter auf dem Kopf hat, sollte nicht in die Sonne gehen.“
Sie kniff die Augen zusammen und stemmte die Fäuste gereizt in die Seiten.
„Sage mal, was willst du eigentlich wirklich von mir?“
„Das habe ich dir bereits erklärt. Ich möchte dich wiederhaben, weil ich ohne dich nicht leben kann.“
Warum gibst du ihm die Chance nicht, wenn er es ehrlich meint?, fragte die innere Stimme.
Ich kann nicht!, schrie es in Sabrina. Der Karren ist völlig verfahren, und Norbert ist schuld daran. Jawohl, Norbert. Hätte er sich mit mir, seiner Ehefrau, begnügt, wäre es zu keiner Scheidung gekommen. Ich hätte Ibn Achbar nicht in St. Moritz kennengelernt und ihm nicht meine Hilfe angeboten. Mir wäre Halef Mudji und all die Dinge, die sich daraus noch entwickeln werden, erspart geblieben. Aber Norbert wollte es nicht anders ... Für eine Umkehr war es zu spät.
„Geh!“, sagte sie schneidend.
„Sabrina ...“ Er ging zu ihr, und sie versetzte ihm eine kräftige Ohrfeige. Es schmerzte sie selbst, aber sie musste es tun.
Norbert griff nach ihren Schultern und zog die Frau an sich. Sie wehrte sich wild, aber er war stärker.
Es darf nicht geschehen!, schrie es in Sabrina. Es darf nicht! Himmel, steh mir bei!
Aber hatte sie ein Recht, den Himmel um Hilfe anzuflehen?