Читать книгу Sammelband 4 Krimis: Mordgeflüster in Venedig und drei andere Krimis - A. F. Morland - Страница 12
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ОглавлениеHalef Mudji flog von Abu Dhabi nach Port Said. Als er dort ankam, wurde Fatima entdeckt. Da er seine Spuren aber gut verwischt hatte, war es den Behörden unmöglich, ihn mit dem Tod der jungen Frau in Zusammenhang zu bringen. Ein Kommissar kam auf die Idee, das Ganze als Selbstmord anzusehen, und niemand hatte einen Einwand. Der Fall würde sehr schnell im Archiv landen.
Und Halef Mudji flog inzwischen nach Rom weiter. In München holte ihn schließlich die attraktive Sabrina Arendt vom Flughafen Riem ab. Sie sah aus wie eine Schönheitskönigin, hatte eine Traumfigur und lange, wohlgeformte Beine. Ihr langes kastanienbraunes Haar floss in weichen Wellen auf die Schultern, und sie sprach Mudji so an, wie es ihm Ibn Achbar in Abu Dhabi gesagt hatte: „Es ist der schönste Sommer seit zwanzig Jahren.“
Darauf antwortete er: „Bei uns in Djeha ist es jetzt auch sehr schön.“
Nun wussten sie, dass sie einander trauen konnten, denn niemand anderer kannte den Code.
„Wie war die Reise?“, erkundigte sich die Deutsche in ihrer Muttersprache, die Halef Mudji beherrschte.
„Angenehm“, antwortete er auf deutsch.
„Ich bin Sabrina Arendt.“
Er lächelte zufrieden. „Ibn Achbar hat eine bildschöne Kontaktperson für mich ausgesucht.“
„Ich stehe Ihnen rund um die Uhr zur Verfügung.“
Er wippte mit den Augenbrauen.
„Angenehm. Sehr angenehm. Haben Sie den Auftrag, mir jeden Wunsch zu erfüllen?“
„Ich denke, ich kann Sie zufriedenstellen.“
„Oh, davon bin ich ebenfalls überzeugt“, pflichtete ihr Halef Mudji bei.
„Ich habe einen Wagen für Sie gemietet. Wenn Sie wollen, können wir sofort losfahren. Oder möchten Sie heute in München bleiben?“
„Ich bin dafür, dass wir uns sofort nach Bergesfelden begeben.“
„Ich richte mich ganz nach Ihnen. In Bergesfelden werden wir in einer netten Villa wohnen.“
Er grinste anzüglich.
„Nur wir beide? Haben Sie keine Angst vor mir, Sabrina?“
„Sollte ich mich fürchten?“, wollte sie wissen.
„Ich glaube nicht, dass das nötig ist“, sagte er schmunzelnd. „Können Sie mir eine Waffe besorgen?“
„Schon geschehen. Es ist ein kurzläufiger Colt Cobra. Der Revolver liegt im Handschuhfach Ihres Wagens.“
„Sabrina, Sie sind Spitze“, sagte Halef Mudji erfreut und verließ mit der schönen Frau das Flughafengebäude. Er bekam von ihr die Fahrzeugschlüssel mit den Papieren und stellte sein Handgepäck in den Kofferraum.
Während der Fahrt fragte Mudji: „Warum tun Sie das, Sabrina? Warum arbeiten Sie für Ibn Achbar?“
„Warum arbeiten Sie für ihn?“, antwortete sie mit einer Gegenfrage.
Er hob die Schultern. „Geld.“
„Das ist auch mein Motiv. Ibn Achbar versprach mir, sehr großzügig zu sein, wenn sich die Dinge zu seiner Zufriedenheit entwickeln. Ich werde das Meine dazu beitragen.“
„Wie kamen Sie an Ibn Achbar? Waren Sie mal in Abu Dhabi? Oder in Djeha?“
„Ich lernte ihn vor drei Monaten in St. Moritz kennen, war in einer miserablen Stimmung, hatte gerade eine Scheidung hinter mir.“
„Ich verstehe. Ibn Achbar kam gerade recht, Sie zu trösten.“
„So ungefähr. Ich wurde zu seiner Geliebten, und er fasste großes Vertrauen zu mir. Er sprach von seinen Plänen, die er irgendwann einmal verwirklichen würde, und ich sagte spontan, ich würde ihn dabei unterstützen, wenn ich dazu in der Lage wäre.“
„Und nun hat es sich ergeben, dass Sie etwas für Ibn Achbar tun können. Werden Sie anschließend nach Djeha gehen?“
„Nein. Was zwischen Ibn Achbar und mir war, ist vorbei. Wir sind nur noch Freunde.“
„Und Geschäftspartner.“
„Das auch“, sagte Sabrina Arendt. „Stört es Sie, wenn ich rauche?“
„Keineswegs. Kann ich auch eine Zigarette bekommen?“
Die Fahrt verlief angenehm und kurzweilig. Auf der Autobahn war nicht viel Verkehr, und so hatte Halef Mudji reichlich Gelegenheit, Sabrina Arendt kennenzulernen. Sie beantwortete ihm bereitwillig jede Frage, schien nicht das geringste Geheimnis vor ihm zu haben.
Sie machten in Stuttgart zwei Stunden Rast und fuhren dann weiter. Es war noch hell, als sie Bergesfelden erreichten. Die Villa stand außerhalb auf einem gepflegten Grundstück, das von der Straße her nicht einzusehen war.
„Ein schönes, großes Haus“, sagte Mudji beeindruckt.
„Ich hoffe, es gefällt Ihnen.“
„Sie haben eine gute Wahl getroffen“, sagte der Araber.
„Dann werden Sie sich in dieser altehrwürdigen Villa also wohlfühlen.“
„Solange Sie auch hier wohnen - auf jeden Fall.“
Mudji steuerte das Fahrzeug in einen geräumigen Garagenbau und nahm den Revolver aus dem Handschuhfach. Zwei Schachteln Munition hatte ihm Sabrina Arendt auch besorgt.
Er lächelte. „So viele Kugeln werden nicht nötig sein.“
„Ich dachte, Sie würden mit der Waffe, die Ihnen fremd ist, üben wollen.“
„Sie denken wohl immer an alles“, sagte er grinsend.
„Ich versuche es.“
„Ich werde Rashid Achbar so nahe sein, wenn ich ihn töte, dass ich unmöglich danebenschießen kann“, sagte der Mörder.
„Werden Sie aufgeregt sein?“
Mudji schüttelte langsam den Kopf. „Der Mord wird mich völlig kalt lassen. Ich werde nur an das Geld denken, das ich damit verdiene.“
„Sie haben sich für den richtigen Beruf entschieden“, sagte Sabrina Arendt und schloss die Villa auf. Die Räume waren hell und gediegen eingerichtet. Sabrina zeigte dem Araber sein Zimmer. Im Einbauschrank hingen drei Sommeranzüge.
„Ihre Größe“, sagte Sabrina. „Ibn Achbar hat mir aufgetragen, sie für Sie zu kaufen. Dazu einige Hemden, Krawatten, Schuhe, was Sie eben so brauchen.“
Mudji war zufrieden. Ibn Achbar verwöhnte ihn geradezu. Er wollte sich dafür mit einem schönen, glatten Mord bedanken, damit sein Auftraggeber sein heiß ersehntes Ziel erreichte und erster Mann im Emirat am Persischen Golf wurde.
Der Araber wandte sich an die Deutsche. „Und wo befindet sich Ihr Zimmer?“
„Gleich nebenan.“
„Das ist praktisch. Wenn ich mich fürchte, brauche ich nur zu rufen, und schon sind Sie da.“
„Hatten Sie in Ihrem Leben schon einmal Angst?“, fragte Sabrina Arendt.
„Vielleicht. Ich kann mich nicht daran erinnern.“
Er schaute ihr in die Augen, und ein Funke sprang über. Er war davon überzeugt, dass Sabrina ihm jeden Wunsch zu erfüllen bereit war, und es gab davon einige. Warum auch nicht? Er war ein Mensch, der gern das Praktische mit dem Nützlichen verband.
„Darf ich mir Ihr Zimmer ansehen?“, fragte er.
„Es sieht so aus wie Ihres“, erwiderte sie, zeigte es ihm aber doch.
Er wusste noch nicht, wo sie sich häufiger aufhalten würden - in seinem oder in ihrem Zimmer. Im Prinzip war das egal. Hauptsache, sie waren zusammen. Sabrina war eine Frau, die einem Mann bestimmt sehr viel geben konnte.
Mudji dachte an Fatima. Sie war ein Erlebnis gewesen. Wild und zügellos leidenschaftlich. Sabrina war in allem feiner. Einen echten Vergleich würde er vielleicht schon in der kommenden Nacht anstellen können.
Sie kehrten ins Erdgeschoss zurück, und Sabrina sagte, es wäre vernünftig, wenn sich Halef Mudji nur selten in Bergesfelden blicken ließe. Natürlich würde er sich mit den Örtlichkeiten vertraut machen müssen, aber es wäre unklug gewesen, auch noch täglich auszugehen. Ein dummer Zufall konnte für viel Ärger sorgen, und in Halef Mudjis Situation war es wichtig, so wenig wie möglich aufzufallen.
Aus diesem Grund hatte Sabrina Arendt den Kühlschrank mit Nahrungsmitteln vollgepackt und einen Querschnitt internationaler alkoholischer Getränke in die Hausbar gestellt.
Außerdem gab es französischen Rotwein, deutschen Rose und einen exzellenten österreichischen Weißwein aus der Thermengegend südlich von Wien.
„Wir könnten eine längere Belagerung mühelos überstehen“, sagte Sabrina.
„Mit Ihnen ließe es sich hier schon eine Weile aushalten“, meinte der Araber schmunzelnd. Er setzte sich.
„Musik?“, fragte Sabrina Arendt und drehte das Radio auf. „Was möchten Sie essen? Es ist so ziemlich alles da.“
„Machen Sie einen Vorschlag!“, sagte er und lockerte den Krawattenknopf. „Was hätten Sie heute gern?“
„Wie wär’s mit frittierten Hühnerkeulen? Und Pommes frites dazu.“
„Einverstanden.“
Sabrina begab sich in die Küche, und Mudji nahm sich einen Aperitif, dem er einen zweiten folgen ließ.
Zum Huhn würden sie Weißwein trinken. Er stellte zwei Flaschen kalt, und die leerte er dann auch im Laufe des Abends mit Sabrina. Sie saß ihm gegenüber auf einem silbergrauen Sofa, hatte die Beine hochgezogen und das Kleid darübergebreitet. Den Kopf stützte sie in malerischer Pose. Er konnte sie mit einem einzigen Wort beschreiben: außergewöhnlich.
Der Wein tat seine angenehme Wirkung, schuf eine gelöste, entspannte Atmosphäre. Im Augenblick dachte Halef Mudji weder an Fatima noch an seinen Auftrag. Er schob alles weit von sich und beschäftigte sich nur mit Sabrina Arendt. Obwohl sie ihm schon viel von sich erzählt hatte, wusste er lange noch nicht alles.
Aufgewachsen war sie in Hamburg. Dort hatte sie auch ihr Abitur gemacht. Dann war sie nach Paris gegangen und hatte eine Zeitlang an der Sorbonne studiert.
Eines Mannes wegen brach sie ihr Studium ab. Er war Deutscher. Ein wohlhabender Kaufmann aus Dortmund. Sie heiratete ihn, aber die Ehe hielt nur drei Monate.
Es folgte ein rastloses Jahr, in dem Sabrina viel unterwegs war. Sie lernte die Welt kennen, hatte mehrere Liebhaber, von denen sie nicht einmal mehr die Namen wusste, und lernte schließlich Norbert Palven, ihren späteren zweiten Ehemann, kennen.
Palven war das einzige Thema, das Sabrina Arendt - sie trug wieder ihren Mädchennamen - bisher tunlichst gemieden hatte. Der Araber forderte sie auf, ihm von ihrem zweiten Mann zu erzählen. Ein unwilliger Ausdruck huschte über ihr Gesicht.
„Muss das sein?“
„Hat er eine Wunde hinterlassen, die noch nicht verheilt ist?“
Sie winkte ab. „Ach was.“
„Ihre Scheidung liegt noch nicht so lange zurück.“
Sabrina senkte den Blick. Nachdenklich sagte sie: „Er ist Architekt, hat großartige Einfälle, verdient ausgezeichnet, sieht gut aus. Ich begegnete ihm beim Skilaufen in den Schweizer Alpen und verliebte mich sofort in ihn. Das war mir nie zuvor passiert. Bei allen anderen Männern - selbst bei meinem ersten Ehemann - bestand nie die Gefahr, dass ich den Kopf verlieren würde. Bei Norbert Palven passierte es. Vielleicht erwischte er mich gerade in der richtigen Stimmung. Vielleicht verfügte er damals über eine besonders intensive Ausstrahlung ... Ich weiß es nicht. Es kam einfach zu etwas, das besser nicht hätte geschehen sollen.“
„Hinterher weiß man immer alles besser“, sagte der Araber.
„Die erste Zeit ging es sehr gut mit uns. Ich schwebte auf Wolken, fühlte mich großartig und war unbeschreiblich glücklich. Ich glaubte, endlich den Mann fürs Leben gefunden zu haben, und als Norbert mich fragte, ob ich seine Frau werden wolle, hatte ich nichts Eiligeres zu tun, als ja zu sagen. Die Ehe war wenig aufregend, unsere Beziehung verflachte, wurde langweilig. Norbert war viel unterwegs. Anfangs nahm er mich mit. Später reiste er lieber allein, war schlecht gelaunt und müde, wenn er nach Hause kam ... Ich engagierte einen Privatdetektiv, und der fand heraus, dass mein Mann in Bonn, Frankfurt, Paris und Zürich Freundinnen hatte. Als ich ihn deswegen zur Rede stellte, stritt er es nicht einmal ab. Er zuckte mit den Schultern und sagte, so wäre er nun mal. Er könne nicht anders. Wenn ich seine Frau bleiben wolle, müsse ich mich damit abfinden. Aber ich war nicht gewillt, ihn mit fast einem halben Dutzend Frauen zu teilen.“
„Scheidung“, sagte Halef Mudji.
„Ja, aber diesmal tat es weh. Es war nicht so wie beim ersten Mal“, sagte Sabrina.
„Lieben Sie Norbert Palven immer noch?“
„Nein“, sagte sie schnell - zu schnell.
„Dann rührt der Schmerz von gekränkter Eitelkeit her? Eine so wunderschöne Frau wie Sie betrügt man nicht.“
„Wahrscheinlich habe ich Norbert nicht gereicht.“
„Das kann ich nicht verstehen. Sie sind der Inbegriff alles dessen, was sich ein Mann wünschen kann.“
„Vermutlich habe ich einige verborgene Fehler.“
„Ich würde sie gern suchen“, sagte Halef Mudji und blickte Sabrina ernst an.
Sie wurde unruhig. „Es ist schon spät. Ich denke, wir sollten zu Bett gehen.“
Flucht, dachte der Araber. Das sieht nach Flucht aus. Sie hat doch ein wenig Angst vor mir beziehungsweise vor dem, was sich aus unserem Zusammensein entwickeln könnte.
„Morgen zeige ich Ihnen Bergesfelden“, sagte Sabrina Arendt und erhob sich. „Und die Wiesen-Klinik.“
„Wo wird Rashid Achbar wohnen?“
„In einem Hotel, das sich ,Zum Goldenen Mohren‘ nennt. Auch das werde ich Ihnen zeigen. Wir werden morgen ein reichhaltiges Programm abzuwickeln haben. Wir sollten es ausgeruht angehen.“
Er nickte, blieb jedoch sitzen.
„Begeben Sie sich noch nicht nach oben?“, fragte ihn Sabrina erstaunt.
„Ich rauche noch eine Zigarette.“
Sie wünschte ihm eine gute Nacht und verließ das große Wohnzimmer.
Er rechnete nicht damit, sie in dieser Nacht noch einmal zu sehen, aber sie kam, als er im Bett lag. In einem Nachthemd, so dünn wie Libellenflügel, stand sie in der Tür.
„Du sagtest, du würdest gern nach meinen verborgenen Fehlern suchen“, sagte sie leise.
Sein Bett war breit genug für zwei. Er rückte ein Stück zur Seite und erwiderte: „Komm her!“
Er sah ihren Körper durch den Stoff schimmern und dachte: Was immer es für Fehler sein mögen, sie sind wunderbar verpackt.
Sabrina kroch zu ihm unter die Decke. Als seine Hände sie berührten und streichelten, war sie wie elektrisiert. Er war der erste Mann nach Ibn Achbar. Ein Damm brach in ihr, und sie wurde von unbeschreiblichen Gefühlen erfasst und fortgerissen.
Die Liebe mit ihm war ein einmaliges, noch nie erfahrenes Erlebnis für Sabrina, doch obwohl sie sich in den Armen dieses Mannes völlig verlor, wusste sie, dass das alles nur körperlich war. Ihre Herzen fanden dabei nicht zueinander.
Sabrina Arendt war nicht einmal sicher, ob Halef Mudji ein Herz hatte.