Читать книгу Privatdetektiv Tony Cantrell Sammelband #4 - Fünf Krimis in einem Band - A. F. Morland - Страница 14
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„Ist der echt?“, fragte Jack O'Reilly und wies auf die kleine verchromte Waffe in Julie Coburns Hand.
„Allerdings!“, zischte das Mädchen. „Und ich würde Ihnen dringend raten, die Situation, in der Sie sich befinden, äußerst ernst zu nehmen.“
„Na schön“, meinte Butch achselzuckend.
„Also, noch mal von vorn. Wie heißen Sie?“
„Jack O'Reilly. Daran ändert auch das Pistölchen nichts. Meine Freunde nennen mich Jack. Sie könnten dazugehören, wenn Sie das Ding weglegen würden.“
Julie zog die dunklen Augenbrauen zusammen.
„Das Ding bleibt, Mr. O'Reilly.“
„Haben Sie etwa Angst vor mir?“
„Ich will, dass Sie Angst vor mir haben. Weiter im Text. Sie sind Lennys Freund?“
„Ich war es.“
„Sie werden verstehen, dass mir Leute, die hier plötzlich unangemeldet auftauchen und sich als Lennys Freunde ausgeben, höchst verdächtig sind.“
„Kommt auf die Leute an, würde ich sagen.“
„Was wollen Sie von mir?“, fragte Julie ärgerlich.
„Ich sagte Ihnen schon einmal, dass ich Ihnen eine traurige Mitteilung machen muss, Miss Coburn.“
Julie hob trotzig den Kopf.
„Und zwar?“
„Lenny ist tot.“
Das Mädchen zuckte zusammen, als wäre ein Stromstoß durch ihren Körper gefahren.
„Das ist nicht wahr!“, rief sie aufgeregt.
„Leider doch. Lenny wurde ermordet.“
„Ich glaube Ihnen kein Wort! Sie lügen!“
Butch begann zu erzählen. Er berichtete, dass er Lenny Coburn im Flugzeug kennengelernt hatte, dass sie über Julie gesprochen hatten, dass Lenny vorgeschlagen hatte, ihn mit ihr bekannt zu machen, dass sie sich im „Chattanooga“ verabredet hatten und dass er Lenny Coburn schließlich auf dem Parkplatz vor der Bar wiedergefunden hatte.
„Ihr Bruder war mir sympathisch, Miss Coburn“, meinte Butch abschließend.
„Er ist nicht tot! Er kann nicht tot sein. Er war doch noch vor zwei Stunden hier bei mir.“
Julie ließ die Waffe sinken. Sie setzte sich. Ihr hübsches Gesicht wurde zu einer grauen Maske der Verzweiflung.
Butch zeigte ihr seine Detektivlizenz.
„Vielleicht kann ich Ihnen irgendwie helfen, Miss Coburn.“
„Privatdetektiv sind Sie?“, fragte Julie verwirrt.
„Erstaunt Sie das?“
„Allerdings.“
„Ich verstehe nicht ...“
„Nun, mein Bruder ...“ Sie schüttelte den Kopf, legte den kleinen Browning weg und fuhr sich durch das schwarze Haar.
„Hatte Ihr Bruder Feinde, Miss Coburn?“
„Haben Sie ihn wirklich erst auf dem Flug hierher kennengelernt?“, fragte Julie.
„Welchen Grund sollte ich haben, Sie zu belügen?“
„Sind Sie nicht wegen Lenny nach Las Vegas gekommen, Mr. O'Reilly?“
„Nein. Ich hatte hier geschäftlich zu tun. Lenny und ich saßen im Flugzeug nebeneinander. Wir plauderten miteinander, um uns die Zeit zu vertreiben. Wir fanden uns sympathisch. Ich habe das doch schon alles erzählt. Wie kommen Sie darauf, dass ich wegen Lenny nach Las Vegas gekommen sein könnte?“
Wieder erhielt Butch keine Antwort auf seine Frage. Julie starrte in den Wandspiegel. Sie war erschreckend blass unter der .Puderschicht. Ihre Lippen bebten.
Leise sagte sie: „Sie haben ihn also doch erwischt.“ Sie schien laut gedacht zu haben.
„Wer – sie?“, fragte Butch interessiert. „Wissen Sie etwa, warum Ihr Bruder sterben musste, Miss Coburn?“ Julie blickte Jack O'Reilly geistesabwesend an.
„Sie haben meinen Bruder sympathisch gefunden?“
„Sehr“, erwiderte Butch. „Er hat von Ihnen geschwärmt, als wären Sie nicht seine Schwester.“
Julie lächelte hilflos.
„Er war immer stolz auf mich.“
„Hat er in Chicago gewohnt?“
„Ja.“
„Wo?“
„In der Clark Street. Nummer 736.“
„Wovon hat er gelebt? Was für einen Job hatte er?“
Julie schenkte Butch wieder einen von ihren geistesabwesenden Blik ken.
„Er hatte keinen gewöhnlichen Job, Mr. O'Reilly“, sagte sie ausweichend.
„Sie haben den Revolver weggelegt. Jetzt dürfen Sie Jack zu mir sagen.“
Julie blickte an Butch vorbei.
„Es – es fällt mir sehr schwer, darüber zu reden, Jack.“
„War es denn so schlimm?“
„Ich weiß es nicht. Er hat kaum mit mir darüber gesprochen.“
Butch verstand.
„Er hat krumme Dinger gemacht, ja?“
„Ja.“
Jack schüttelte den Kopf.
„Seltsam. Normalerweise habe ich einen Blick für so etwas. Erstaunlich, dass Lenny mich derart täuschen konnte. Er war wohl kein großer Fisch.“
Julie sah Butch verzweifelt in die Augen.
„Wer hat ihn ermordet, Jack? Wer?“
„Keine Ahnung. Aber wenn Sie wollen, finde ich es für Sie heraus.“ Julie fuhr sich mit der Hand über die immer noch bebenden Lippen. Sie kämpfte tapfer gegen die Tränen an.
„Sie meinen, ich soll Sie engagieren, Jack?“
„Ich will mich natürlich nicht aufdrängen ...“
„Nein, nein, Jack. So war das nicht gemeint. Ich bin nur so durcheinander, dass ich kaum klar denken kann. Ja. Ja, ich will, dass Sie sich um die Aufklärung dieses gemeinen Verbrechens bemühen, Jack.“
Butch war es zuwider, jetzt vom Geschäft zu reden. Er machte das Mädchen nur kurz mit den üblichen Honorarsätzen bekannt.
Julie nickte.
„Einverstanden.“ Sie sah ihn hilfesuchend an. „Ich hoffe, Sie sind ein guter Privatdetektiv, Jack.“
Butch lächelte.
„Ich will mich natürlich nicht selbst loben, Julie. Aber einen besseren werden Sie wohl kaum finden.“
„Was werden Sie jetzt unternehmen?“
„Erst mal werde ich Ihnen noch ein paar Löcher in den Bauch fragen. Lässt sich leider nicht vermeiden.“
„Fragen Sie“, sagte Julie tapfer.
Der Gorilla riss die Tür auf und steckte seinen kantigen Schädel in die Garderobe.
„Ist alles in Ordnung, Julie?“, knurrte er. Eines seiner Augen war angeschwollen.
„Mach die Tür zu, es zieht!“, rief Butch ärgerlich.
„Ja. Alles in Ordnung, Bobby“, sagte Julie und nickte kaum merklich. Daraufhin zog sich der Gorilla wieder zurück. Vorher erstach er Butch noch mit einem glühenden Blick.
Butch fragte: „Weshalb ist Ihr Bruder nach Las Vegas gekommen, Julie?“
„Er hatte Angst.“
„Vor wem?“
„Vor seinen sogenannten Freunden.“
„Wieso?“
„Lenny kam hierher, weil er sich vor seinen Freunden verstecken wollte. Er hat sich mit ihnen überworfen. Er bat mich, ein paar Wochen hier bei mir wohnen zu dürfen.“
„Weshalb hat er sich mit seinen Freunden überworfen, Julie?“
„Lenny sagte, dass in Chicago ein großer Coup vorbereitet werden sollte. Er nannte es eine Schweinerei. Zu groß für ihn. Er hat das seinen Freunden gesagt und sich abgesetzt.“ Butch konnte sich gut vorstellen, wie die Geschichte weiterging. Er sagte: „Und die übernervösen, überängstlichen Freunde haben ihm sofort einen Killer nachgeschickt, um zu verhindern, dass er plauderte. Sie befürchteten, dass er ihren Coup platzen lassen würde. Wissen Sie, worum es sich handelt?“
„Das hat Lenny mir nicht gesagt.“
„Seine Freunde hätten sich also ruhig auf ihn verlassen können. Kennen Sie ein paar von diesem Freunden?“
Julie schüttelte nachdenklich und verzweifelt den Kopf.
„Keinen einzigen.“
„Hat Lenny denn gar keinen Namen genannt?“
Julie legte die langen nackten Beine übereinander und seufzte.
„Wir hatten nicht viel Zeit, uns zu unterhalten. Ich musste eine Menge Kostüme anprobieren. Es war fast ständig jemand in der Garderobe. Wir wollten erst bei mir zu Hause alles ausführlich besprechen, Jack ...“
„Ja?“
Julies Züge hellten sich ein wenig auf. Ihr Busen hob und senkte sich schnell. Sie war sehr aufgeregt.
„Mein Bruder war kein wirklich schlechter Mensch. Er ist in schlechte Gesellschaft geraten. Er hat auch mehrmals versucht, sich zu bessern. Aber das ließen seine Freunde nicht zu. Sie haben ihn mit dem, was er getan hat, erpresst.“
„Dann muss jetzt wohl ein ganz dicker Hund auf der Lauer liegen, wenn Lenny sich auf einmal nicht mehr erpressen lassen wollte.“
Butch dachte daran, dass Lenny Coburn von einer Schweinerei gesprochen hatte. Plötzlich lief es ihm heiß und kalt über den Rücken. Er hoffte, dass er diese Schweinerei noch verhindern konnte. Das Schlimme war, dass er keine Ahnung hatte, was hier ausgebrütet wurde.
Butch verabschiedete sich von Julie Coburn mit dem Versprechen, sich wieder zu melden, sobald er etwas Interessantes in Erfahrung gebracht hatte. Außerdem ließ er eine Visitenkarte da. Für den Fall, dass sie mal was auf dem Herzen haben sollte.
Dann ging er. Der Gorilla betrug sich mustergültig.
Als Butch die Tür hinter sich geschlossen hatte, begann Julie Coburn, haltlos um ihren ermordeten Bruder zu weinen. Sie war zu lange standhaft gewesen. Jetzt konnte sie nicht mehr.