Читать книгу 8 Arztromane: Engel in Weiß und ein Arzt aus Leidenschaft - Sammelband - A. F. Morland - Страница 66
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Als Fachärztin für Pädiatrie, der Kinderheilkunde, kümmerte sich Dr. Renate Sanders in der Paracelsus-Klinik während der letzten zwölf Wochen der Schwangerschaft und in der ersten Woche nach der Geburt um die neuen Erdenbürger. Eine sehr wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe, denn in diesem perinatalen Zeitabschnitt sterben ebenso viele Föten beziehungsweise Neugeborene wie Menschen in den darauffolgenden vierzig Lebensjahren zusammen.
In dreißig Prozent aller Schwangerschaften sind die Kinder perinatal gefährdet, und zwar vor allem durch einen abnormen Schwangerschaftsverlauf - hervorgerufen durch Diabetes mellitus, Infektionen, Vergiftungen aller Art, Erythroblastose, Sauerstoffmangel, Störungen im Stoffwechsel zwischen Mutter und Kind, Geburtsvorgang und dergleichen mehr.
Um Risikoschwangerschaften weitestgehend zu verhindern, wurden die werdenden Mütter und ihre Babys im Endstadium der Schwangerschaft nicht nur von Dr. Sören Härtling, sondern auch von Dr. Renate Sanders untersucht.
Bei Ria Semmau waren sich der Chef der Paracelsus-Klinik und die aparte Fachärztin einig: eine Bilderbuchschwangerschaft. Es würde keine Komplikationen geben. Die Schwangerschaft verlief genau „nach Fahrplan”. Die Mutter und ihr ungeborenes Kind waren bei bester Gesundheit. Die Ultraschalluntersuchungen hatten gezeigt, dass Ria Semmau mit einem Mädchen niederkommen würde - und zwar mit ziemlicher Sicherheit genau am errechneten Stichtag.
„Alles bestens”, sagte Dr. Härtling zu der neunzehnjährigen Mutter. „Sie können sich wieder anziehen.” Er wandte sich an Dr. Renate Sanders. „Ich danke Ihnen, Frau Kollegin.”
Die Fachärztin nickte lächelnd, verabschiedete sich von der Patientin und ging. Bei der nächsten Untersuchung würde sie wieder dabei sein. Während sich die Schwangere hinter dem Paravent ankleidete, wusch sich Dr. Härtling die Hände.
„Freuen Sie sich schon auf Ihr Töchterchen?”, fragte er.
„Ich kann nicht sagen, wie sehr”, kam es hinter dem Schirm hervor. „Sobald das Baby da ist, werden Anton und ich heiraten. Mit diesem dicken Bauch kann ich ja nicht vor den Traualtar treten.”
Die werdende Mutter kam hinter dem Paravent hervor. Das Umstandskleid, das sie trug, war sehr farbenfroh. Trotz ihres großen Leibesumfang war Ria Semmau nicht unhübsch. Sie machte einen sehr glücklichen, zufriedenen Eindruck. Anton Diessel hieß der Vater ihres Kindes. Er war Maschinentechniker und viel im Ausland.
Türkei, Griechenland, Saudi Arabien ... Die Zeit hatte nicht gereicht, um zu heiraten, bevor man sah, dass Ria schwanger war. Also hatten sie’s auf nachher verschoben. Das warf keine Probleme für die beiden auf.
„Haben Sie schon einen Namen für das Baby?”, erkundigte sich Dr. Härtling.
Ria schüttelte den Kopf.
„Anton und ich können uns nicht einigen. Er möchte, dass unsere Tochter wie ich heiße, also Ria. Aber mir gefällt dieser Name nicht.”
„Wie lautet Ihr Gegenvorschlag?”, wollte Dr. Härtling wissen.
„Stephanie.”
„Wie wäre es mit Ria-Stephanie?”, machte Sören Härtling einen salomonischen Vorschlag.
Ria Semmau nickte seufzend. „Darauf wird es wohl hinauslaufen.”
„Das Leben ist voll von Kompromissen”, lächelte Dr. Härtling.
Nachdem die Patientin gegangen war, trat Schwester Annegret ein.
„Das war’s mal wieder, Chef”, sagte sie und nahm sich des Medikamentenschranks an. Damit war die Nachmittagssprechstunde zu Ende. Sören ging in sein Büro und erledigte mit Moni Wolfram die Post.
„Das, das und das muss noch heute raus”, sagte er. „DerRest hat bis morgen Zeit.”
Während seine Sekretärin hinausging, vertiefte er sich in die Krankengeschichte einer Patientin, doch er konnte sie nicht fertig lesen, denn im Vorzimmer wurden plötzlich Stimmen laut. Sören stand auf und öffnete die Tür. Moni Wolfram hatte sich einem hünenhaften Mann trotzig in den Weg gestellt.
„Was ist hier los?”, fragte Dr. Härtling scharf.
„Dieser Mann will unbedingt mit Ihnen reden”, informierte Moni ihren Chef. „Ich habe ihm gesagt, dass das jetzt nicht möglich ist und wollte ihm einen Termin geben, aber er lässt sich nicht abweisen.”
Sören sah den jungen Mann - er war schätzungsweise siebenundzwanzig Jahre alt - streng an. „Was haben Sie mir so Wichtiges zu sagen?”
„Sind Sie Doktor Härtling?”
„Ganz recht”, antwortete Sören kühl, „und wer sind Sie?”
„Mein Name ist Neumann. Alexander Neumann.” Der Hüne sagte das so, als müsste Sören dieser Name bekannt sein, doch das war nicht der Fall.
„Und was wollen Sie von mir, Herr Neumann?”, fragte Dr. Härtling frostig.
„Das”, entgegnete der Hüne rau, „sage ich Ihnen unter vier Augen.”
Dr. Härtling überlegte kurz.
„Na schön”, brummte er dann. „Kommen Sie herein!”
Moni Wolfram trat zur Seite und warf dem großen Mann einen kriegerischen Blick zu. Neumann beachtete sie nicht. Er ging an ihr und an Dr. Härtling vorbei, und Sören schloss die Tür. Aber er bot dem unerwünschten Besucher keinen Platz an. Der Mann sollte sagen, was er loswerden wollte, und wieder gehen.
„Nun, was haben Sie auf dem Herzen?”, fragte Dr. Härtling spröde. „Ich muss Sie bitten, sich kurz zu fassen. Ich habe nämlich nicht viel Zeit.”
„Ich heiße Neumann”, knurrte der Hüne. „Alexander Neumann.”
„Das erwähnten Sie bereits”, erwiderte Dr. Härtling wenig beeindruckt.
„Ich bin der Ehemann von Leontine Neumann”, sagte der Hüne, jedes Wort betonend. „Ah, ich sehe, jetzt fängt es an bei Ihnen zu dämmern.”