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Michaela Schönberg schonte sich zu wenig, als sie das Bett verließ, und prompt gab es einen Rückfall. Ihr Allgemeinbefinden war in hohem Grad gestört, ihre Glieder wurden bleischwer, der Husten war schmerzhaft, und sie klagte über unklare Brustschmerzen, die in starkes Seitenstechen übergingen. Hinzu kam völlige Appetitlosigkeit und starker Kopfschmerz. Sie bekam Schüttelfrost und rasch ansteigendes, unregelmäßiges Fieber.

Mario wusste nichts davon. Er steckte mitten in den Proben. Tamara Quast, die Michaela betreute, wusste sich bald nicht mehr zu helfen und rief den Hausarzt.

Pneumonie, lautete seine Diagnose. Lungenentzündung. Michaelas Puls war sehr schnell und klein. Es kam bei ihr zu ersten Bewusstseinsstörungen, Delirien und Erbrechen. Da half keine hausärztliche Betreuung mehr. Michaela musste schnellstens ins Krankenhaus.

Tamara Quast schlug die Paracelsus-Klinik vor, und zwanzig Minuten später war Michaela Schönberg bereits im Krankenwagen auf dem Weg dorthin. Sie bekam reichlich Antibiotika, und mit hohen Dosen Penicillin versuchte man zu verhindern, dass sich die Lungenentzündung zu einer Rippenfellentzündung ausweitete.

Mario Schönberg fiel aus allen Wolken, als er von Tamara erfuhr, dass seine Frau in der Paracelsus-Klinik lag. Er rief das Krankenhaus an, aber man gab ihm am Telefon keine Auskunft.

„Ich muss zu ihr”, stieß er aufgewühlt hervor.

„Es ist schon spät”, entgegnete Tamara.

Mario wischte sich mit einer fahrigen Bewegung über die Augen.

„Ich muss Michaela sehen.”

„Man wird dich nicht zu ihr lassen”, wandte die Freundin ein.

„Michaela braucht mich”, behauptete Mario.

Tamara schüttelte langsam den Kopf.

„Sie braucht jetzt sehr viel Ruhe und die bestmögliche medizinische Betreuung.” Es gelang ihr, Mario Schönberg zu überreden, seine Frau erst morgen zu besuchen.

Mario aß mit den Quasts zu Abend. Er brachte nicht viel hinunter, musste immerzu an seine arme kranke Frau denken.

„Sie hätte ihre Erkältung gleich richtig auskurieren sollen”, sagte er düster, „dann wäre ihr die Paracelsus-Klinik erspart geblieben. Aber sie kann ja so furchtbar eigensinnig sein. Und sie geht vor allem mit ihrer Gesundheit manchmal geradezu sträflich leichtsinnig um. Dass sich das eines Tages rächen musste, lag eigentlich auf der Hand.”

Tamara räumte den Tisch ab, und Thomas Quast holte eine Flasche Wein aus dem Keller. Mario trank nur ein Glas, und er war sehr einsilbig. Die meiste Zeit sprachen Thomas und Tamara. Eine Stunde nach dem Abendessen verabschiedete sich Mario von den Freunden und Nachbarn. Er wollte allein sein.

„Ich bin heute ein lausiger Gesprächspartner”, sagte er. Das Lächeln, das er daran knüpfen wollte, misslang. „Tut mir leid, aber meine Gedanken kreisen fortwährend um Michaela.”

„Das verstehen wir”, erwiderte Thomas.

„Ist doch ganz klar”, sagte Tamara.

„Danke für das Essen”, sagte Mario.

„Du hast es ja kaum angerührt”, bemerkte Tamara.

„Es war trotzdem sehr gut”, beteuerte Mario.

„Grüble nicht zu sehr über Michaelas derzeitigen Gesundheitszustand nach”, riet Thomas Quast dem Opernsänger. „Du brauchst einen klaren Kopf für deine Arbeit, und in der Paracelsus-Klinik wird sowieso alles getan, was möglich ist, um deine liebe Frau so rasch wie möglich wieder gesund zu machen.”

Mario Schönberg ging nach Hause. Er musste schlafen, also nahm er eine Schlaftablette. Anders wäre er nicht zur Ruhe gekommen. Und während er langsam hinüber dämmerte, hoffte er, dass Michaela auch schlafen konnte.

Tags darauf besuchte er sie. Der Internist und Dr. Härtling - er begegnete den beiden auf dem Flur - baten ihn, Michaela zu schonen und nicht länger als eine Viertelstunde bei ihr zu bleiben.

Das Fieber war etwas zurückgegangen, und es hatte den Anschein, als hätten die Ärzte die Lungenentzündung in den Griff bekommen. Herpesbläschen waren aufgeschossen und „blühten” auf Michaelas Lippen. Sie sah ihren Mann traurig lächelnd an.

„Tut mir leid, dass ich dir solchen Kummer mache, Mario.”

„Quatsch. Jeder kann mal krank werden. Wie geht es dir?”

„Ich bin entsetzlich müde.”

„Ich bleibe nicht lange”, versprach Mario Schönberg. Er beugte sich über seine kranke Frau und küsste sie ganz vorsichtig.

„Wie kommst du mit den Proben voran?”, fragte Michaela.

„Sehr gut.”

„Ist Hartmut Kutter mit dir zufrieden?”, wollte Michaela wissen.

Mario nickte. „Und ich bin es mit ihm. Der Mann ist mir in ganz kurzer Zeit so sehr ans Herz gewachsen, dass ich bereits Freundschaft für ihn empfinde. Wir duzen uns auch schon. Einer ist für den anderen der wahre Glücksfall - sagt Hartmut. Ich kann es mit ihm noch sehr weit bringen, und es steht heute schon fest, dass es keinesfalls bei dieser einen höchst fruchtbaren Zusammenarbeit bleiben wird.”

„Wann ist Premiere? ”

Mario schlug die Augen nieder, und seine Miene verdüsterte sich ein wenig.

„In ... in einem Monat.”

Michaela nahm seine Hand. Ihre Finger waren heiß.

„Bis dahin bin ich wiedergesund.”

„Ja, ganz bestimmt.”

„Es sind ja noch vier Wochen”, sagte Michaela.

Er nickte fest. „Bei der Premiere musst du unbedingt dabei sein, sonst kann ich nicht singen.”

„Unsinn”, widersprach Michaela. „Du würdest ohne mich genauso wunderbar singen, aber ich möchte den großen Triumph deiner bisherigen Karriere natürlich aus nächster Nähe miterleben.”

„Du wirst wie immer in der ersten Reihe sitzen, mir die Daumen drücken und mir den Halt geben, den ich brauche, um dieser großen nervlichen Belastung gewachsen zu sein. Mein Maskottchen muss immer bei mir sein. Mein Glücksbringer darf bei keiner Premiere fehlen.”

„Ich werde nicht fehlen, aber warum hörst du nicht auf, dir diesen Nonsens einzureden?”

„Ich schmeiße jede Premiere, wenn du nicht dabei bist.” Er war einfach nicht davon abzubringen.

„Das ist doch nicht wahr.”

Mario rief ihr die beiden Male, die er nervlich versagt hatte, in Erinnerung.

„Du bist auch ohne mich ein großartiger Künstler”, sagte Michaela überzeugt, doch der Zweifel blieb in seinen Augen.

„Alles, was ich bin, bin ich nur durch dich und mit dir”, erwiderte er. „Ohne dich bin ich nichts.”

Ihr fielen die Augen zu. Sie hörte ihn noch sprechen, aber sie verstand den Sinn seiner Worte nicht mehr. Sie war so unendlich müde.

„Ich gehe”, flüsterte Mario Schönberg. „Du brauchst absolute Schonung, darfst dich nicht anstrengen. Ich bin schon weg, mein Liebling. Alles Gute. Alles Gute. Werde so schnell wie möglich wieder gesund, ja? Ich brauche dich - als Mensch und als Künstler. Daran wird sich nie etwas ändern.”

Bevor er die Paracelsus-Klinik verließ, suchte er noch kurz Dr. Härtling in seinem Büro auf.

„Ich war nicht einmal ganze fünfzehn Minuten bei ihr”, versicherte er dem Chef der Paracelsus-Klinik. „Sie ist sehr schwach.”

„So eine Lungenentzündung darf man nicht unterschätzen”, sagte Sören Härtling. „Sie kann die Herz- und Kreislauffunktion erheblich beeinträchtigen.”

„Mein Großvater mütterlicherseits ist an einer Lungenentzündung gestorben.”

„Die Pneumonie ist eine entzündliche Verdichtung des Lungengewebes in mehr oder weniger ausgedehnten Lungenbezirken. Je nach Ausdehnung kennt man lobäre Pneumonien, wo ein ganzer Lungenlappen befallen ist, und Herdpneumonien, wo nur ein kleiner Teil des Lungengewebes betroffen ist.”

,,Und was trifft bei meiner Frau zu?”

„Letzteres”, antwortete Dr. Härtling. Mario Schönberg atmete hörbar auf. „Im Verlauf einer Pneumonie unterscheidet man drei Stadien”, fuhr Dr. Härtling mit seinen Ausführungen fort. „Im sogenannten Generalisationsstadium kommt es zu allgemeinen Krankheitserscheinungen wie Schüttelfrost, Fieber, Aufschießen von Herpesbläschen am Mund und dergleichen mehr. Im Stadium der Organmanifestation erfolgt eine röntgenologisch sichtbare Verschattung mehr oder weniger ausgedehnter Lungenbezirke. In dieser Zeit der Krankheit verdichtet sich das Gewebe der Lunge leberähnlich, deshalb sprechen wir von einer Hepatisation, und diese Verdichtung wird dann im dritten Stadium, der Resolution, durch einwandernde Leukozyten wieder aufgehoben. Die Gefahr bei einer Pneumonie liegt einmal in der schweren Kreislaufbelastung und der Gefahr des Sauerstoffmangels und zum anderen in den möglichen Komplikationen. Kann sich ein Infiltrat nicht lösen, kommt es zur chronischen Pneumonie. Wenn es im Stadium der Resolution zu einer krankhaften Einschwemmung von Leukozyten kommt, können sich Lungenabszesse bilden - und schließlich kann sich zur Pneumonie noch eine Pleuritis, eine Rippenfellentzündung, gesellen.”

Mario nickte ernst.

„Die hat bei meinem Großvater zum Tod geführt.”

Dr. Härtling sagte, eine Pleuritis sei bei Michaela Schönberg nicht zu befürchten, sie spreche auf die verordneten Antibiotika zufriedenstellend an und werde die Krankheit gut überstehen.

Erleichtert verabschiedete sich der Opernsänger.

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