Читать книгу 8 Arztromane: Engel in Weiß und ein Arzt aus Leidenschaft - Sammelband - A. F. Morland - Страница 67

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Ria Semmau fuhr mit dem Bus nach Hause. Eine Frau stand auf.

„Setzen Sie sich!”

„Vielen Dank”, sagte Ria, „Sie sind sehr liebenswürdig, aber ich fahre nur zwei Haltestellen ...”

„Setzen Sie sich trotzdem”, sagte die Frau mit einem strafenden Blick auf die „Kavaliere”, von denen es keiner der Mühe wert gefunden hatte, der Hochschwangeren seinen Platz anzubieten. „Weit haben wir es gebracht”, giftete sie die Männer an. „Rücksicht zu nehmen scheint aus der Mode gekommen zu sein.”

Die Männer schlugen betreten die Augen nieder oder sahen scheinbar gelangweilt zum Fenster hinaus. Ria setzte sich. Wenig später bekam die hilfsbereite Frau ihren Sitzplatz wieder, und Ria stieg aus. Sie kaufte auf dem Heimweg Obst. Vitamine waren während der Schwangerschaft noch wichtiger als sonst.

Das Telefon läutete, als sie die Tür zu ihrer kleinen Wohnung aufschloss. Sie hatte hier mit ihrem Großvater gelebt. Er war vor zwei Jahren gestorben, hatte sich am Abend hingelegt, war eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht. Eltern hatte Ria schon lange keine mehr. Die Erinnerung an Vater und Mutter war schon sehr verblasst. Wenn es nicht Fotos von den beiden gegeben hätte, hätte sie nicht mehr gewusst, wie sie ausgesehen hatten.

Sie war sechs gewesen, als der Vater an akutem Herzversagen gestorben war, und sie war noch nicht einmal sieben gewesen, als sich ihre schwer depressive Mutter mit einer Überdosis Schlaftabletten das Leben genommen hatte.

Nun hatte sie Anton, mit dem sie bald eine richtige Familie gründen würde - mit Baby und Trauschein. Alles sollte seine Ordnung haben. Das Kind sollte in geordneten Verhältnissen aufwachsen. Das waren sie ihrer kleinen Tochter schuldig.

Ria stellte die Tüte mit dem Obst ab und ging ans Telefon.

„Hallo!” Niemand antwortete. „Hallo!” Keine Reaktion. „Hallo, warum melden Sie sich nicht?”, fragte Ria ärgerlich. Die Leitung war nicht tot. Ria hörte jemanden atmen. Das war nicht der erste Anruf dieser Art.

War das einer dieser Spinner, die mit ihren Anrufen Frauen belästigten?

Warum sagte der Kerl nichts? Wollte er ihr Angst machen? Ihr rieselte es kalt über den Rücken. Anton war nicht da. Sie wusste nicht, wann er heimkommen würde.

Wenn der Anrufer wusste, wo sie wohnte, konnte er zu ihr kommen. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und fauchte: „Hören Sie zu, Sie armer Irrer, rufen Sie mich nie wieder an, sonst wende ich mich an die Polizei! Die hat die Möglichkeit, Anrufe zurückzuverfolgen. Man wird Sie finden und einsperren, bis Sie schwarz werden.” Das wirkte. Der unbekannte Anrufer legte auf, und in Rias Augen erschien ein triumphierendes Glitzern. „Na also”, sagte sie zufrieden. „Man muss nur den richtigen Ton treffen.”

Als Anton nach Hause kam, hatte sie den verrückten Anruf vergessen. Er umarmte sie und küsste sie vorsichtig.

„Du siehst müde aus”, stellte Ria fest.

„Das bin ich auch’’, ächzte Anton Diessel, stemmte die Hände in die Seiten, bog seinen schlanken Körper nach vorn durch und verzog dabei das Gesicht. „War das heute wieder eine Schlepperei.” Anton war rotblond und hatte einen hellen Dreitagebart. Neun Jahre war er älter als Ria Semmau, doch der Altersunterschied war für die beiden kein Thema. „Warst du heute in der Paracelsus-Klinik?”, fragte er.

Sie sah ihn verliebt an und nickte.

„Und?”, sagte Anton.

„Alles in bester Ordnung.”

„Das freut mich.” Er küsste sie zärtlich auf den Mund. Sein Bart stach ein wenig, aber es war ihr nicht unangenehm.

„Ich liebe dich”, flüsterte Ria.

Anton lächelte. „Dasselbe wollte ich gerade sagen.”

Sie zog plötzlich die Luft scharf ein und zuckte zusammen.

Anton erschrak.

„Was ist mit dir, Liebes?”

Ria lachte. „Oh, nichts. Nichts. Unsere kleine Tochter hat mich mal wieder getreten. Sie ist ein sehr unruhiges, kräftiges Mädchen. Möchtest du mal fühlen?” Sie nahm Antons Hand und legte sie auf ihren großen Bauch.

Anton Diessel grinste.

„Scheint so, als könne sie es schon nicht mehr erwarten, das Licht der Welt zu erblicken.”

Ria sah ihn ernst an.

„Nicht wahr, du wirst bei der Geburt dabei sein.”

Er strich ihr sanft übers Haar.

„Aber natürlich. Das habe ich dir doch versprochen.”

Sie lächelte. „Wenn du bei mir bist und meine Hand hältst, kann ich jeden Schmerz ertragen.”

„Du wirst eine leichte Geburt haben”, versicherte er ihr. „Teilen wir uns eine Flasche Bier?”

Ria schüttelte den Kopf.

„Ich trinke in meinem Zustand keinen Alkohol, das weißt du doch!”

„Bier ist kein Alkohol, sondern ein Nahrungsmittel - aber okay, dann trinken wir eben Sprudel.”

„Kommt nicht in Frage”, entgegnete Ria. „Ich möchte nicht, dass du meinetwegen auf dein wohlverdientes Bier verzichtest.”

„Das fällt mir überhaupt nicht schwer.”

„Aber es ist nicht nötig”, sagte sie. „Du bist nicht schwanger.”

Er schmunzelte. „Geteiltes Leid ist halbes Leid.”

„Ich leide nicht, wenn ich dir beim Biertrinken zusehe”, erklärte sie, holte eine Flasche aus dem Kühlschrank, machte den Kronenverschluss ab und füllte mit dem goldenen Gerstensaft einen Glaskrug mit Zinndeckel. Nachdem Anton sich erfrischt hatte, fragte Ria: „Was möchtest du am Wochenende essen?”

„Ach, irgendetwas. Du weißt, ich bin nicht anspruchsvoll. Ich esse alles.”

Sie holte drei Rezepte, die sie aus einer Illustrierten ausgeschnitten hatte.

„Knusprige Lammkeule, gefüllter Schweinebraten mit Pflaumen und Äpfeln oder Schmorbraten mit buntem Gemüse?”

„Was schmeckt dir am besten?”, fragte Anton.

„Ich möchte, dass du entscheidest.”

Anton überlegte kurz. Dann sagte er: „Schmorbraten.”

Ria nickte. „Okay.”

Das Telefon läutete, und schlagartig fielen Ria wieder diese merkwürdigen Anrufe ein. Sie hatte Anton noch nie davon erzählt. Nun biss sie sich auf die Unterlippe und sah zu, wie Anton den Hörer abnahm und sich meldete. Im nächsten Moment verfinsterte sich seine Miene. Das ist wieder dieser Mistkerl!, durchfuhr es Ria. Doch sie irrte sich, denn es sprach jemand zu Anton.

Er hörte gespannt zu, sagte: „Ja.” „Ja.” „Ja.” Und: „Ich komme.” Dann legte er auf. Er sah Ria bedauernd an. „Ich muss noch mal weg.”

„In die Firma?”, fragte Ria.

„Auf eine Baustelle. Die haben Probleme mit einer unserer Maschinen.”

„Wann kommst du wieder?”, wollte Ria wissen.

„Kann ich nicht sagen. Kommt darauf an, wie schnell ich den Fehler finde und beheben kann.”

„Mein armer Liebling”, bedauerte Ria den Vater ihres Kindes.

Er grinste. „Das kommt davon, wenn man sich im Laufe der Jahre unentbehrlich gemacht hat.”

„Fahr vorsichtig! Du bist müde und hast eine Flasche Bier getrunken.”

Anton gab ihr einen schnellen Kratzkuss, dann verließ er hastig die Wohnung.

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