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Als Dr. Christian Bachs Ferien zu Ende gingen, war er gezwungen, sich von Violetta Martensen zu verabschieden. Er konnte nicht einfach ins Flugzeug steigen und nach Jamaika zurückkehren. Er konnte nicht einfach so tun, als hätte er in den vergangenen drei Wochen keine schöne Zeit mit Violetta verbracht.

Sie schlenderten an der Isar entlang, und Christian wusste nicht, was er sagen sollte. Alles, was ihm einfiel, kam ihm entsetzlich banal vor und wurde nicht im Entferntesten dem gerecht, was er empfand.

„Nun ist es also da – das Ende“, begann Violetta schließlich leise. Christian nickte. „Ja.“

„Wann fliegst du?“

„Morgen“, antwortete Christian. Eine räuberische Elster keckerte in einer der Baumkronen, die sich dem Himmel entgegenstreckten.

„Um welche Uhrzeit?“

„Um neun.“

„Wie lange wirst du fliegen?“, wollte Violetta wissen. Eine Entenmutter watschelte knapp vor ihnen mit ihren sechs Jungen über den Weg und verschwand im hohen Gras.

„Etwa zehn Stunden“, antwortete Christian.

„Wie groß ist die Zeitverschiebung?“

„Neun Stunden“, sagte Christian. „Es wird morgen ein langer, anstrengender Tag.“

„Ich wünsche dir einen guten, ruhigen Flug.“

„Danke“, sagte Christian und verscheuchte eine Stechmücke, die sich auf seiner Stirn niederlassen wollte. „Wenn es möglich wäre, würde ich noch ein, zwei Wochen anhängen, aber das geht leider nicht.“

„Du kommst ja wieder“, tröstete Violetta ihn.

„Nächstes Jahr – um meine Mutter zu besuchen.“

Er hörte, wie sie schmerzlich einatmete.

„Und ich würde mich sehr über ein Wiedersehen mit dir freuen“, sagte er deshalb rasch.

„Das ist sehr nett.“

Er seufzte schwer. „Wie schnell drei Wochen vergehen können. Ich habe das Gefühl, eben erst angekommen zu sein – und morgen heißt es schon wieder Abschied nehmen.“

„Vielleicht kannst du nächstes Jahr etwas länger bleiben.“

„Mehr als drei, maximal vier Wochen sind an einem Stück nicht zu kriegen“, sagte Christian bedauernd. Der Weg wurde etwas schmaler. Sie mussten etwas dichter nebeneinander gehen, berührten sich ab und zu unabsichtlich und zuckten dann jedes Mal sofort zurück.

Violetta lachte. „Das hat man davon, wenn man tüchtig ist und sich unentbehrlich macht.“ Sie sah ihn von der Seite her an. „Was erwartet dich drüben? Faltige Gesichter, Narben, altersbedingte Schäden ...“

„Ich korrigiere auch Fehler, die Mutter Natur gemacht hat und unter denen manche Menschen sehr zu leiden haben. Ich verhelfe solchen Leuten nicht nur zu einem besseren Aussehen, sondern auch zu einem höheren Selbstwertgefühl und tu somit sehr viel für ihre verkümmerte Seele.“

„Die Seele – die gibt uns Menschen, trotz Sigmund Freud, noch immer viele Rätsel auf“, meinte Violetta grübelnd.

Christian lächelte schmal. „Sie ist ein ziemlich störrisches Ding, das man nur sehr schwer beeinflussen kann.“ Violetta blieb stehen.

Christian ging auch nicht weiter. Er musterte sie unsicher. „Was ist?“

„Fällt es dir nicht auf?“, fragte sie heiser.

„Was?“

„Wir reden und reden – aber wir sagen nichts“, stellte die junge Frau nüchtern fest. „Wir machen Smalltalk, führen eine ziemlich oberflächliche Konversation, reden geschickt an allem vorbei, was wir eigentlich wirklich auf dem Herzen haben. Ich empfinde es jedenfalls so – und du?“

„Ich auch“, gab er zu.

„Ich bin traurig, Christian. Traurig, weil dein Urlaub zu Ende ist, traurig, weil du nach Jamaika zurückfliegst, traurig, weil ich von dir nicht zu hören bekam, dass du das Gleiche für mich empfindest wie ich für dich ...“

„Violetta, ich ...“

Sie hob rasch die Hand und brachte ihn so zum Schweigen. „Bitte sag jetzt nichts, was vielleicht nur zur Hälfte wahr ist, Christian.“

Er sah ihr offen in die großen blauen Augen. „Ich war immer ehrlich zu dir.“

„Das war ich zu dir auch.“

„Wir waren uns diesmal in manchen Momenten so nahe wie nie zuvor“, sagte Christian.

„Aber könntest du das, was du dabei für mich empfunden hast, reinen Gewissens als Liebe bezeichnen?“

Er senkte den Blick und schüttelte langsam den Kopf. „Nein, Violetta.“

„Ich danke dir für diese aufrichtige Antwort.“ In ihren Augen glänzten mit einem Mal Tränen.

„Aber es war nahe dran“, gestand Christian heiser. „Es ... es war etwas Ähnliches wie Liebe.“

„Etwas Ähnliches ...“ Sie schüttelte betrübt den Kopf. „Es gibt keinen vollwertigen Liebes-Ersatz, Christian. Ganz abgesehen davon, dass ich mich mit einem solchen ‘Ersatz’ auf die Dauer auch gar nicht zufriedengeben könnte.“

Er schwieg. Was hatte er ihr anzubieten? Freundschaft? Ja. Innige Zuneigung? Ja. Aber sie wollte mehr. Sie wollte alles. Diese schöne, reiche, junge, begehrenswerte Frau wollte ihn! Mit Haut und Haaren! Und was wollte er? Gott, wenn er das bloß gewusst hätte! Er war entsetzlich unsicher, schwankte wieder einmal zwischen hier und drüben, zwischen München und Montego Bay, zwischen Violetta und Alexis ...

„Ich habe lange gewartet“, meinte Violetta Martensen ernst. „Ich habe lange gehofft. Doch nun ...“ Sie atmete schwer aus. „Ich weiß nicht, ob es einen Sinn hat, noch länger zu warten und zu hoffen und mir etwas vorzumachen, Christian. Man kann sich nicht ewig etwas einreden, das nicht wahr ist.“ Sie riss ein Blatt ab und spielte damit. „Irgendwann siegt doch letztendlich die Vernunft. Sieh mal, ich bin fünfundzwanzig. Meine besten Jahre vergehen, und ich weiß nicht, wofür und für wen ich mich eigentlich aufspare.“

„Ich habe nie gesagt, du sollst ...“

„Nein“, fiel ihm Violetta leise ins Wort, „ich habe es freiwillig getan, weil ich mir einbildete, dass ich nur mit dir glücklich werden kann. Ich wollte mich nicht mit der zweiten Wahl zufriedengeben, solange ich am Horizont noch einen schmalen Hoffnungsschimmer für eine gemeinsame Zukunft mit dir sah – oder zumindest zu sehen glaubte.“

„Siehst du diesen Hoffnungsschimmer jetzt nicht mehr?“, fragte Christian und fühlte so etwas wie Schuldbewusstsein in sich aufsteigen.

Violetta lächelte, als würde sie sich selbst bemitleiden. „Ich glaube, ich habe mir schon zu lange etwas vorgemacht. Ich muss endlich mit diesem Unsinn aufhören und der Realität ins Auge sehen.“ Sie riss ein neues Blatt ab. „Du wirst jedes Jahr nach Deutschland kommen, um deine Mutter zu sehen, wirst mich anrufen und fragen, ob wir uns treffen können. Wir werden ein paarmal miteinander ausgehen, und dann wirst du wieder für ein Jahr aus meinem Leben verschwinden. Ich werde sechsundzwanzig sein. Und siebenundzwanzig. Und achtundzwanzig ... So kann das doch nicht ewig weitergehen! Ich muss mich irgendwann zu einem Entschluss durchringen. Du hast drüben Alexis. Und ich? Wen habe ich hier?“ Ihre Stimme hatte einen bitteren Klang bekommen.

„Ich weiß es nicht“, sagte Christian betreten.

Sie hob die Schultern. „Niemand.“

„Das tut mir leid ...“

„Es wird sich ändern“, sagte Violetta. „Wenn du nächstes Jahr wiederkommst ...“

„Du wirst hoffentlich nicht ...“

„Keine Angst“, fiel sie ihm ins Wort, „ich habe noch keine Torschlusspanik. Ich werde sehr überlegt aus dem vorhandenen Angebot wählen.“ Christian nickte.

„Wird Alexis dich abholen, wenn du drüben ankommst?“, fragte Violetta.

„Ja.“

„Wohnt sie bei dir?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein.“

„Schläfst du mit ihr?“, setzte sie ihr Verhör – und etwas anderes war es nicht – fort.

Er antwortete nicht – aber auch keine Antwort ist eine Antwort.

„Schade“, sagte Violetta. „Schade, dass es sie gibt, denn durch sie haben sich meine Chancen bei dir erheblich verschlechtert.“

„Gerade die jüngste Vergangenheit hat gezeigt ...“, begann der Mann.

Violetta legte ihm die Hand auf den Arm. „Könntest du dir vorstellen, Jamaika zu verlassen und nach Deutschland zurückzukehren?“

„Ich bin noch nicht lange genug drüben“ , antwortete er. „Könntest du dir vorstellen, Deutschland zu verlassen und auf Jamaika zu leben?“

„Mit dir?“, fragte Violetta. „Mit dir könnte ich überall auf der Welt leben – im Packeis der Antarktis genauso wie auf einem einsamen Südseeatoll.“ Die Elster keckerte wieder. Es hörte sich an, als würde sie Violetta und Christian auslachen.

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