Читать книгу Krimi Paket Mörderisches Lesefutter im August 2021: 16 Romane - A. F. Morland - Страница 14
7.
ОглавлениеDer Ahnenforscher saß schon in aller Herrgottsfrühe vor seinem Computer und versprach selbstlos, den Speicherchip zu bearbeiten, den Kramer am Bellhorner Stausee voll geknipst hatte. Schon eine halbe Stunde später lieferte er einen kleinen Stapel von Farbausdrucken ab, die Kramer sorgfältig in seinem Stahlschrank einschloss, bevor er sein Büro verließ.
Sabrina verteidigte mutig ihren Chef. Woher sie wusste, dass Kramer sauer war, blieb ihr Geheimnis, jedenfalls stand sie mit ausgebreiteten Armen vor der Tür zu Victor Seyboldts Zimmer und schüttelte den Kopf. »Erst wenn Sie mir versprechen, sich gesittet zu benehmen.«
Kramer starrte auf ihren wogenden Busen, schluckte und versprach es schweren Herzens. »Gesittet« wann hatte man das von ihm zum letzten Mal verlangt?
Seyboldt grinste schadenfroh: »Ich habe Sie schon früher erwartet.«
»Herzlichen Dank. Sie haben doch von Anfang an gewusst, dass Annas Vater verdächtigt wird, im Rackenhof das Juweliergeschäft Eisele aus geraubt zu haben.«
»Wenn dieser Eberhard Nachtwächter Annas Erzeuger ist.«
»Wer sonst sollte es sein?«
»Ich hatte gehofft, Irene Laysen würde es Ihnen unter vier Augen gestehen.«
»Himmel, Victor, Sie sehen doch an Sabrina, dass mir nicht alle Frauen auf Anhieb verfallen.«
»Sabrina ist allerdings ein besonders harter Brocken«, murmelte Seyboldt ungalant.
»Soll ich ihr das petzen?«
»So gemein können doch selbst Sie nicht sein«, entsetzte sich der Graue.
»Das überlege ich mir, wenn Sie endlich mit allem herausrücken, was Sie wissen.«
»Das ist nicht viel. Dass das Juweliergeschäft Eisele bei uns versichert war, haben Sie ja schon herausgefunden. Und Caro Heynen wird Ihnen sicherlich erzählt haben, dass von der Beute bisher kein Stück aufgetaucht ist. Uns hat sehr irritiert, dass die Kripo an beiden Türen zum Laden und zur Werkstatt keine Einbruchs oder Aufbruchs spuren gefunden hat. Entweder erstklassige Arbeit, auf jeden Fall von einem Fachmann, oder Nachschlüssel. Es gab zwei Sätze von Schlüsseln. Den einen besaß Werner Beelitz und den anderen seine Frau Katrin, geborene Eisele. Beide haben alle Eide geschworen, dass sie die Schlüssel nie aus den Augen gelassen haben, und das Gegenteil haben wir ihnen damals nicht nachweisen können. Wir haben viel Geld geopfert, um in den hm richtigen Kreisen Informationen zu kaufen. Aber da herrschte ein ungewöhnliches Schweigen. Fingerabdrücke hatten wir nicht, auch keinen auffälligen Modus Operandi, weil, wie gesagt, Schränke und Tresor spurlos geöffnet worden waren. Ein, zwei uns bekannte Profis wären für eine so geschickte Arbeit infrage gekommen. Doch der eine saß zu der Zeit, der andere hatte ein bombensicheres Alibi, also haben wir die übliche Belohnung ausgesetzt und an Frau Eisele gezahlt.«
»Ihr gehörte das Geschäft?«
»Ja, immer noch. Der Ehemann ist ihr Angestellter.«
»Und wie kommt nun Eberhard Nachtwächter ins Spiel?«
»Von uns aus gar nicht. Es war nur auffällig, dass einen Tag nach dem Einbruch bei Eisele auf dem Parkplatz des Rackenhofs ein Mann erschossen worden ist, der Anführer einer Bande war und sich unter anderem wegen Einbruch vor Gericht verantworten sollte. Nicht zu vergessen: dessen Vater eine kleine Schlossereiwerkstatt betrieb und damals finanziell tief im Sumpf steckte.«
»Schon verstanden, aber unterstellt, Eberhard Nachtwächter hat mit Nachschlüsseln, die sein Vater hergestellt hat, Laden und Werkstatt Eisele geöffnet, wie ist der Junge zuvor an die Originalschlüssel gekommen?«
Seyboldt grinste etwas kläglich: »Tja, Rolf, diese Antwort erhoffe ich mir von Ihnen.«
»Na gut aber vorher müssen wir die Frage klären, wie viel gibt es, wenn ich den Einbruch aufkläre?«
»Zehn Prozent von dem, was wir noch vorfinden.«
»Das kann nach siebzehn Jahren verdammt wenig sein.«
»In der Tat. Der AVV ist aber kein Wohltätigkeits- und Spendenverein für geldgierige Privatdetektive.«
»Das habe ich nie angenommen. Aber auch ich muss gelegentlich an den Stand meines Bankkontos denken, besonders wenn der Zahlungstermin für Versicherungsbeiträge naht.«
Seyboldt verzog wieder seinen Mund, als habe er in eine Zitrone gebissen. »Zweieinhalb Prozent von der aus gezahlten Versicherungssumme.«
»Das klingt schon besser. Einverstanden. Und der AVV darf unbegrenzt Reklame machen. Seht her, ihr Ganoven, auch nach siebzehn Jahren kommen wir euch noch auf die Schliche. Vor uns habt ihr nie Ruhe, wir und unsere Ansprüche kennen keine Verjährungsfristen.«
Sabrina erschient mit einem Tablett. Es duftete himmlisch nach tiefschwarzem Kaffee.
»Sabrina hat Ihnen eben das Leben gerettet, Victor.«
»Ich weiß. Sie kriegt dafür auch, sobald sie aus dem Mutterschaftsurlaub zurückkommt, eine ordentliche Gehaltserhöhung außer der Reihe.«
Sabrina nickte freudig und Kramer hob eine Hand: »Für dieses Versprechen haben Sie jetzt einen Zeugen, Sabrina.«
»Und Sie für Victors leichtsinnige Zusage mit den zweieinhalb Prozent.«
Seyboldt verschluckte sich: »Ist das hier eine Verschwörung gegen mich?«, hustete er empört.
»Das hängt ganz von Ihnen ab, Chef.«
In der Sache kam Kramer freilich nicht weiter. Seyboldt schwor, dass weder er noch der 4W einen Zusammenhang „Einbruch bei Eisele“ und „Mord an Nachtwächter« hergestellt hätten. Kramer verabschiedete sich bald von dem Grauen und der werdenden Mutter Sabrina und fuhr zur ParacelsusApotheke.
Christine Lankenow erkannte ihn sofort wieder und schüttelte energisch den Kopf. »Tut mir leid, Herr Kramer. Ich habe schon wieder keine Zeit. Wir müssen unser Tete-a-Tete noch einmal verschieben.«
»Okay, meine Fragen laufen mir nicht davon, Frau Lankenow.«
Auf dem Weg zum Westfriedhof machte Kramer Station am Alten Markt, fand sogar auf Anhieb einen korrekten Parkplatz, winkte der eifrigen Politesse fröhlich zu und besuchte die Ferienhaus Vermietung Maybach & Toller. Die Begeisterung von Annegret Maybach hielt sich in Grenzen, aber Kramer blieb stur und sie rückte nach einem längeren Palaver doch die Namen und Adressen der beiden Mieter heraus, die am 29. Mai aus dem Haus Malle ausgezogen waren. Beide wohnten im Ruhrgebiet, in Essen. Heinz Taubert in der Ladenspelder Straße 588 und Nadine Schuster in der Künzelstraße 847. Annegret Maybach verriet sogar noch freiwillig, dass beide Mitglieder des Fahrradclubs Rothaargebirge e. V. waren und deshalb einen Rabatt auf die Miete bekommen hatten. Denn der Eigentümer von Haus Malle war ebenfalls ein begeisterter Radwanderer, zurzeit auf seinem Drahtesel unterwegs in Asien Richtung Vietnam. Nein, mit Anna Laysen war die Agentur sehr zufrieden gewesen, sauber, gründlich, pünktlich und zuverlässig. Keine Klagen, nein. Das arme Mädchen, hoffentlich wurde sie bald gefunden.
Weil die Zeit noch reichte, fuhr Kramer am Polizeipräsidium vorbei, parkte direkt vor der Kriminaltechnik und erkundigte sich nach Egon Kurz, dem tüchtigen Leiter der KTU. Kurz trug seinen Namen zu Recht, er war klein, kugelig und aufbrausend. Mit der langmütigen und falls nötig geduldigen Caro Heynen verstand sich der Choleriker ausgezeichnet.
»Seit wann schießt man auf Sie?«
»Wahrscheinlich nur eine Maßnahme zur Belebung des Automarktes. Einmal in die hintere linke Tür, einmal in die Kofferraumhaube.«
»Dann machen Sie die mal auf.«
Kramer biss die Zähne zusammen: »Wenn’s der Wahrheitsfindung dient ...«
Eigentlich zeigte Kramer den Inhalt seines Kofferraumes aus gutem Grund niemandem und erwartungsgemäß schnappte Kurz, der die meisten Apparate, Geräte und Werkzeuge kannte, heftig nach Luft. »Wenn das der Staatsanwalt sieht!«
»Bei Frau Saling habe ich einen Stein im Brett.«
»Bis unsere Heike das hier gesehen hat.«
Immerhin war Kurz so nett, selbst nach der Kugel zu suchen, die das Blech durchschlagen hatte und in einer zusammengerollten Wolldecke stecken geblieben war. Für die hintere Tür holte er sich Hilfe, um die Verkleidung abzumontieren, und danach sah der Innenraum wie ein Schweinestall aus, den Kramer allein aufräumen durfte. Als er endlich loskam, fluchte er nicht schlecht. Er parkte vor dem Haupteingang und ließ sich einen Passierschein zur Hauptkommissarin Caroline Heynen ausstellen.
Caro war schon wieder mal über alle Einzelheiten informiert. Seyboldt hatte sie angerufen und ihr von dem Deal wegen des Einbruchs in das Juweliergeschäft Eisele erzählt. Und sie sorgte sich um Victor: »Wie will der ohne Sabrina überleben?«
»Du musst dir nicht um alles in der Welt Sorgen machen, Caro.«
Was der Untersuchungstrupp bislang aus der voll gelaufenen Tongrube in Kumberg geborgen hatte, reichte aus, einen großen Teil der Terborner Stadtbevölkerung entweder direkt zu vergiften oder mit bösartigen, schweren bis unheilbaren Krankheiten zu infizieren. Offenbar hatten Lankenow und seine beiden Helfer einen schwunghaften Entsorgungshandel für alles betrieben, was giftig, infektiös oder krebserregend war. Dass eine mittlere Katastrophe bisher ausgeblieben war, lag wohl in erster Linie daran, dass die Altstoffe sehr fachmännisch in Glas oder Keramik eingeschmolzen worden waren, bevor sie mithilfe der Winde so vorsichtig in das undurchsichtige Wasser gelassen wurden, dass nichts zerbrach.
»Das gibt einen Skandal, wie ihn Terborn noch nie erlebt hat.«
»Wird man danach eigentlich befördert oder degradiert?«
»Das kommt darauf an, wer in den Fall verwickelt ist. Denk an Jens Rogge. Der musste vorzeitig in den Ruhestand.«
»Sei vorsichtig, mein Schatz! Wer weiß, ob ich mich mit deinem Nachfolger auch so gut vertrage.«
»Bin ich doch immer und dank deiner Aufnahmen kriegen wir auch Lankenows Helfer. Die müssen wir wohl aus dem Verkehr ziehen. Allerdings heißt es, dass Lankenow einen hervorragenden Anwalt hat. Tut mir leid, Rolf, ich hoffe, du findest Anna Laysen ohne sie.«
»Kein Problem«, murmelte Kramer.
Caro beäugte ihn spöttisch: »Victor hat mir von seinem Versprechen erzählt. Wie willst du denn eine Verbindung zwischen Annas Verschwinden, dem Einbruch bei Eisele und dem Mord an Eberhard Nachtwächter herstellen?«