Читать книгу Krimi Paket Mörderisches Lesefutter im August 2021: 16 Romane - A. F. Morland - Страница 20
13.
ОглавлениеZwei Monate später.
Ausnahmsweise enthielt die Post nur erfreuliche Briefe. Seinen Kontoauszügen entnahm Kramer, dass der AVV zwar weiterhin seine monatlichen Versicherungsraten einzog, Victor Seyboldt aber nicht nur Kramers Rechnung bezahlt,
sondern auch wegen der Prämie Wort gehalten hatte. So tief schwarze Zahlen auf dem Konto waren selten. Weihnachten war gerettet. Auch Anielda hatte schon ihr Geld bekommen; das Loch, das Kramers Oktoberurlaub in Andalusien gerissen hatte, war mehr als reichlich gestopft. Alle möglichen Leute gratulierten ihm zur Verleihung der Terborner Verdienstmedaille, auch Sabrina Buchwald, die sehr nett schrieb, es habe viele Debatten über die Namen der leider erst in einigen Wochen fälligen Sprösslinge gegeben, bis sie beide dieselbe Erleuchtung hatten. Für den Jungen würden sie den Namen Rolf wählen. Staatsanwältin Heike Saling schrieb, sie könne und wolle es nicht verantworten, den jüngsten Verdienstmedaillenträger der Stadt vor Gericht zu zerren, weshalb sie die illegale Benutzung von Wanzen und Nachschlüsseln im Falle Gorinna Babel einfach vergessen werde. Bei dem Riesenstapel von Arbeit auf ihrem Schreibtisch könne die Akte eines minder schweren Deliktes schon einmal verloren gehen. Ich rechne fest mit Ihrer Sorgfalt und Intelligenz, dass Sie dieses Schreiben nicht als künftigen Freibrief betrachten und vor allem sofort vernichten.
Was Kramer umgehend erledigte. Holger Weissbart rief an: »Ich hab’s geschafft. Unser Musikkritiker wird sich nächste Woche das dir so am Herzen liegende neue Quintett anhören.«
»Danke, Holger. Du weißt, dass auch Landeszeitung und Morgenecho Rezensenten schicken?«
»Wie hast du das nur hingekriegt? Na, lieber keine Einzelheiten. Dafür bist du mir noch die Story über Anna Laysen schuldig. Morgen Abend in der Handschelle?«
»In Ordnung.«
Kramer war noch damit beschäftigt, die Briefe zu lochen und alphabetisch abzulegen, als es klopfte und Eva Posipil hereinschneite. Sie wirkte kleinlaut: »Hei, Rolf. Hast du etwas Zeit für mich?«
»Habe ich.«
»Versprichst du mir, mich nicht auszulachen?«
»Ist versprochen.«
»Was soll ich bei unserem Auftritt eigentlich anziehen?«
Er hatte versprochen, nicht zu lachen, und daran hielt er sich. »Das weiß ich auch nicht, aber wir haben doch nebenan ein Studio für Gesellschaft und Mode.«
»Glaubst du, wir können Frau von Achenbach mit so was belästigen?«
»Sie wird sich freuen.«
Und so war es auch. Margarete von Achenbach ließ sich ausführlich die Genesis des Quintettes erzählen, beklagte, dass die fünf Spieler noch keinen zündenden Namen gefunden hatten, und horchte auf, als Eva erwähnte, dass eine Studienkollegin den Klavierpart spiele.
»Dann müssen wir sie mitnehmen. Nichts ist hässlicher, als wenn die Leute, anstatt aufmerksam zuzuhören, Vergleiche zwischen den Kleidern der Solistinnen anstellen.«
»Die Kollegin heißt Ann-Luise und sucht auch noch«, sagte Eva ehrlich.
»Dann holen «wir sie gleich ab«, schlug Margarete von Achenbach vor.
»Wohin?«
»Kennst du nicht ein nettes Modegeschäft, nicht zu schrill und jugendlich, aber auch nicht für so alte Schachteln wie mich?«
Kramer meldete sich. »Ich kenne einen Laden in Werlebach. Der könnte genau so etwas führen.«
»Ach ja«, seufzte Margarete, »das ist eine schöne Idee. Dann fahren wir mit der Seilfähre auf die andere Flussseite. Manchmal kommt es mich doch hart an, dass ich kein Auto besitze.«
Sie fanden einen Parkplatz und Kramer starrte verblüfft auf die Fenster der Boutique: Die Namenszüge Irenes Boutique waren ersetzt durch Katis Moden.
Drinnen kam eine schlanke Frau von Mitte zwanzig auf sie zu. »Womit kann ich dienen?«
»Ist Frau Laysen nicht da?«
»Irene Laysen hat das Geschäft an mich verkauft. Unmittelbar nach der Beerdigung ihrer Tochter.«
»Dann sucht doch mal ohne mich was aus«, schlug Kramer vor. »Ich mache eben einen kleinen Besuch im Revier drüben. Spätestens in einer halben Stunde bin ich wieder da.«
Gegenüber an der Schaufensterscheibe von Peter Dircks Geschäft klebte ein gelber Papierstreifen Xu verkaufen.
Oberkommissar Engel freute sich, ihn wieder zu sehen, bedankte sich für die Postkarte aus Huelva und hatte viele Neuigkeiten zu berichten. »Irene ist nach München verzogen, mit einem neuen Freund, den ich nicht kenne. Dircks will verkaufen, aber noch hat keiner angebissen. Er selbst ist bei Franziska Esteburg untergeschlüpft, deren Mann sich scheiden lassen will. Auch die Lankenows suchen einen Käufer für die Paracelsus-Apotheke. Katrin Beelitz hat ihren Mann vor die Tür gesetzt und die Scheidung eingereicht. Achim Warstedt und Manya Bercelius haben geheiratet.Waldemar Denzel hat einen ganz ordentlichen Lottogewinn gemacht und kann sich jetzt von seiner Frau Marlene scheiden lassen. Der alte Babel säuft immer noch, aber weniger als früher, und holt sich manchmal noch das Wundermittel gegen das vergiftete Bier ab. Sie haben eine Menge Staub auf gewirbelt, Herr Kramer.«
»Verraten Sie mir noch, wo Anna beerdigt worden ist?«
»Auf dem Waldfriedhof in Rollesheim.«
»Und Corinna Babel?«
»Ebenfalls da.«
»Vielen Dank, Herr Engel.«
»Gern geschehen. Hat Sie ein neuer Fall nach Werlebach geführt?«
»Nein, nein, die Tochter eines Büronachbarn braucht nur ein ordentliches Kleid.«
»Dann bin ich beruhigt. Kati kann neue Kunden gut gebrauchen.«
Kramer kam gerade noch rechtzeitig zurück, um zwei junge, überaus elegante Damen in passender Solistenrobe zu bewundern.
Weil er Evas leicht verlegenen Gesichtsausdruck richtig deutete, zahlte er kommentarlos beide Kleider, was Margarete von Achenbach bewog, ihm vor der Tür beifällig zuzuflüstern: »Sie sind noch ein Kavalier der alten Schule.«
Sie weigerte sich, ein Honorar für ihre Beratertätigkeit anzunehmen, ließ sich aber gerne mit einer Eintrittskarte belohnen und summte vergnügt vor sich hin, als sie leicht schwankend mit der Fähre über den Fluss hinübersetzten. Nach den Herbstregenfällen führte der Fluss sehr viel mehr Wasser als noch im September. »Auf der ganzen Welt quietschen die Räder aller Drahtseilfähren«, behauptete sie entschieden. Zum Schluss bedankte Margarete von Achenbach sich für den netten Ausflug, Eva und Ann-Luise ließen sich noch zur Hochschule bringen, um pünktlich zum Üben anzutreten. Und Kramer bereitete sich seelisch auf ein Besäufnis mit Holger Weissbart vor.
ENDE