Читать книгу Der Verleger, der seinen Verstand verlor und sich auf die Suche machte - Achim Albrecht - Страница 11
ОглавлениеZoologischer Garten
Abteilung Großwild
Herrn Tierpfleger Kannengießer
Sehr geehrter Herr Kannengießer,
ich bestätige den Erhalt Ihres Schreibens von gestern.
Ganz gegen meine Gewohnheit möchte ich sofort zur Sache kommen.
Was heißt, ich solle es gefälligst unterlassen, Ihrem Elefanten George diese Briefe zu schreiben? Was heißt hier, Ihr Elefant? George ist niemandes Besitz und Eigentum und wenn doch, dann ist er der Allgemeinbesitz des Steuerzahlers, und zu dieser Spezies zähle ich mich, auch wenn das Finanzamt vorübergehend anderer Meinung zu sein scheint.
Der Reihe nach. George hat es verdient, dass ich mich der Anschuldigungen, die Sie gegen mich erheben, chronologisch erwehre. Mein Herr, Briefe sind keine Zeitverschwendung. Haben Sie sich die Mühe gemacht, George meinen letzten Brief vorzulesen und haben Sie auf seine Reaktion geachtet? Wahrscheinlich nicht, denn in Ihren Augen ist George ein Tier, das man zum Broterwerb betreut, um es in einer guten körperlichen Verfassung zu erhalten. Nun, was ich tue, ist die Pflege der Seele. Einigen wir uns auf Gemüt, wenn Sie mögen.
Es ist mir über die Jahre gelungen, eine persönliche Beziehung zu George aufzubauen. Wir sorgen uns umeinander. Jeder auf seine eigene Art. Und wir kommunizieren. Nur, weil Sie, werter Herr, nicht spüren, was George und mich verbindet, heißt das noch nicht, dass es nicht vorhanden ist.
Energisch widersprechen muss ich dem Vorwurf, ich sei ein Sonderling, der anderen Leuten die Zeit stehle und besser in einer Anstalt aufgehoben sei. Als Literat von Rang verzeihe ich Ihnen Ihre grobe Ausdrucksweise und Ihr mangelndes Urteilsvermögen. Wer hat Ihnen überhaupt das Recht gegeben, einen persönlichen Brief an meinen alten Freund George zu öffnen und damit nach eigenem Gutdünken zu verfahren? Sie können sich glücklich schätzen, dass ich von der Einleitung disziplinarischer Maßnahmen für den Augenblick absehe.
Als schlimmen Angriff auf meine Integrität sehe ich an, dass Sie mich beschuldigen, George zu bekümmern, weil meine Briefe nicht zu einer artgerechten Haltung passten. Glauben Sie etwa, dass ein Elefant kein Anrecht auf eine distinguierte, ernsthafte und tief gehende Ansprache hat? Nein, ich bestreite, dass ich meine nicht vorhandenen psychischen Probleme auf Kosten eines Zooelefanten kurieren will. George ist ein Freund und wie ich meine Freundschaft zum Ausdruck bringe, unterliegt nicht Ihrer Kontrolle, Herr Kannengießer.
Ich habe nichts dagegen, dass Sie diesen Brief und alle an George gerichtete Korrespondenz dem Kuratorium des Zoos zur Beurteilung vorlegen.
Mögen Sie Ihren Irrtum bald einsehen.
Mit vorzüglicher Hochachtung,
Peter Korff
Philanthrop und Tierschützer