Читать книгу Der Verleger, der seinen Verstand verlor und sich auf die Suche machte - Achim Albrecht - Страница 18

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Frau Ogonnek,

ich hatte nicht so kurzfristig mit einer Reaktion auf mein Schreiben gerechnet. Vor allem hatte ich nicht mit dieser Reaktion gerechnet, aber vielleicht war ich zu blauäugig.

Ich bin es schlechterdings nicht gewohnt, durch den Briefschlitz des eigenen Hauses von einer gehbehinderten Seniorin als ‚Nichtsnutz‘, ,Störenfried‘, ,Arschkriecher‘ und ,Belästiger‘ beschimpft zu werden. Das waren jedenfalls die Ausdrücke, die ich aufgrund Ihres Akzentes und Ihrer offenbar schlecht sitzenden Zahnprothese verstehen und später notieren konnte.

Um wenigstens einige Ihrer wild in die Gegend gebrüllten Fragen zu beantworten – sofern sie nicht ohnehin rhetorischer Natur waren – bin ich

a) überhaupt nicht der Meinung, dass bei Ihnen im Oberstübchen kein Licht mehr brennt (Zitat Ogonnek)

oder

b) Sie aufgrund Ihres hohen Alters in einen infantilen Geisteszustand zurückgefallen sind (sinngemäße Zusammenfassung Korff).

c) Es liegt mir außerdem fern, Sie zu Straftaten aufzufordern oder Sie dazu zu erpressen.

d) Auch den Vorwurf unschicklicher Annäherung weise ich entschieden zurück.

Um es beiläufig zu erwähnen: Meine Hauseingangstür besteht aus gebeiztem Kirschholz, das keine unangemessene Behandlung verzeiht. Unangemessen ist es auf jeden Fall, wenn eine erstaunlich robuste Greisin mit ihrem Gehstock zur Bekräftigung ihres Gebrülls mit aller Kraft im Silbentakt gegen die Tür hämmert. Ich hatte für einen Augenblick daran gedacht, die Tür zu öffnen, sah aber davon ab, weil mein gesundheitlicher Zustand noch fragiler ist als der Zustand der Tür. Ein Schreiner hat bei einer Begutachtung der malträtierten Tür diese als ‚Totalschaden‘ bezeichnet. Außerdem ist der Messingbriefschlitz an der rechten oberen Seite aus der Verankerung gerissen und der Rest eingespeichelt. Ich werde die Angelegenheit meinen Anwälten übergeben.

Den erlittenen seelischen Schaden vermag ich noch nicht zu beziffern, aber ich denke darüber nach. Der Betreiber des Zeitschriftenladens, der auch unser Periodicum Intelligentia im Angebot führt, fragte mich mit besorgter Miene, was in aller Welt ich getan habe, die ,nette, alte Frau Ogonnek‘ derart gegen mich aufzubringen. Meine ausführliche Antwort würdigte er mit skeptischen Blicken und kaum verhohlener Abscheu. Seine Reaktion ist wahrscheinlich stellvertretend für das Meinungsbild in der Siedlung.

So kann es nicht weitergehen, Frau Ogonnek,

P.K.

Der Verleger, der seinen Verstand verlor und sich auf die Suche machte

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