Читать книгу Der Verleger, der seinen Verstand verlor und sich auf die Suche machte - Achim Albrecht - Страница 19
ОглавлениеKapitel 3
Osterfeiertage
Kreissparkasse
Abt. Kundenbetreuung
Herrn Bobe
Sehr geehrter Herr Bobe,
bitte verzeihen Sie meine verzögerte Reaktion und suchen Sie bitte in dem Umschlag nicht nach all den Unterlagen, die Sie von mir zu erhalten wünschen (Gehaltsnachweise, den letztjährigen Steuerbescheid, eine Vermögensaufstellung und die Trennungsvereinbarung zwischen mir und meiner Frau; außerdem die letzten drei Bilanzen des Verlagshauses Scientia). Ich verspreche, die erbetenen Unterlagen, so gut es geht, nachzuliefern. Meine Buchhaltung wird derzeit modernisiert, um Ihnen und mir die Arbeit zu erleichtern. Bis die Umstellung Früchte trägt, muss allerdings weiterhin mit Verzögerungen gerechnet werden. Bitte nehmen Sie in der Zwischenzeit mit dem zu mehr als einem Drittel wahrheitsgemäß ausgefüllten Selbstauskunftsbogen vorlieb.
Sicher sind das Routinevorgänge und absolut berechtigte Forderungen, die jedoch in meinen Augen, der ich eines der weltweit am meisten beachteten internationalen Kunst- und Literaturfestivals initiiere und koordiniere, ein wenig überzogen sind. Wie Sie sich erinnern, bat ich lediglich um die Aufhebung der Sperre für mein Girokonto und die Einräumung weiterer Kreditlinien für den persönlichen und geschäftlichen Bedarf.
Es ist mir bewusst geworden, dass wir, was meine wirtschaftliche Situation betrifft, diametral entgegengesetzte Ansichten vertreten. Während Sie mit vorsichtig gewählten Worten zu einer Privatinsolvenz rieten und über die Situation des Verlages keine Meinung vertraten, bin ich von optimistischem Gemüt und voller Pläne, die eine fast goldene Zukunft verheißen.
Die vorübergehende Delle in meinen Einkommensverhältnissen ist der schwierigen Abwicklung meiner Ehe und der Tatsache geschuldet, dass meine Frau Marie ihr Gehalt als Sonderpädagogin nicht mehr auf unser gemeinsames Haushaltskonto einzahlt, obwohl ich sie darum gebeten habe. Dafür bleibt mir der Verlag, der – anders als Sie mutmaßen – nicht ‚in höchstem Maße defizitär ist‘, sondern lediglich in einer Phase der Umstrukturierung nicht die prognostizierten Umsätze abwirft. Und bevor Sie wieder in die Diskussion über den Unterschied von Umsätzen und Renditen eintreten, versichere ich, dass ich diese feinen Unterschiede und auch die zwischen ‚vor Steuern‘ und ‚nach Steuern‘ wohl verstanden habe, selbst wenn ich für derartige Erwägungen kein Verständnis aufbringen kann. Wenn profane wirtschaftliche Belange ein wegweisendes künstlerisches Konzept erdrosseln, verlieren betriebswirtschaftliche Sichtweisen ihre Legitimität.
Ich sehe ein, dass ich mich in der jüngsten Vergangenheit zu wenig um die kaufmännischen Aspekte des Verlagshauses gekümmert habe, weil durch die plötzliche Vakanz, die meine Ehefrau Marie hinterlassen hat, die rein künstlerische Seite des Unternehmens durch meine Person eine überproportionale Aufmerksamkeit erfuhr. Daher danke ich Ihnen, dass Sie mir zur Deckung meines Lebensbedarfs eine weitere kleine Überziehungsmöglichkeit für mein Konto eingeräumt haben. Ich werde höchst verantwortungsbewusst davon Gebrauch machen.
Darf ich Ihre Bank auch zu den Sponsoren des Literaturfestivals zählen oder wünschen Sie, das Sponsoring für den Scribendus Award zu übernehmen? Sie werden überrascht sein, welcher
Imagegewinn für die Kreissparkasse dabei entsteht. Ich erlaube mir in dieser Angelegenheit noch einmal auf Sie zuzukommen und verbleibe in der Zwischenzeit
mit freundlichen Grüßen,
Peter Korff