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Finanzamt

c/o Frau Heinze

Sehr geehrte Frau Heinze,

gerade hatte ich Besuch von einem Gerichtsvollzieher, der eine Vollstreckung für Ihr Finanzamt bei meinem Verlag Scientia vornehmen wollte. Wissen Sie etwas darüber? Ich kann es mir kaum vorstellen, denn vor einigen Monaten saßen wir noch zusammen und Sie sahen so vorteilhaft aus in Ihrem eleganten Kostüm und den hübsch zurechtgemachten Haaren. Wie ich mich erinnern kann, haben Sie damals mein artiges und aufrichtig gemeintes Kompliment gerne entgegengenommen.

Wie es auch sei, die Sache mit dem Gerichtsvollzieher war fruchtlos, unnötig und peinlich. Der Herr war zwar distanziert höflich und mit angemessenen Manieren ausgestattet, aber zugleich erwies er sich auch als insistent und störrisch. Das Recht dazu scheint in den Papieren zu liegen, eines davon eine Vollstreckungsurkunde, ein anderes der mir bekannte Finanzamtsbescheid, auf den ich sofort mit einem Gesprächsangebot reagiert habe.

Ich kann mir nur vorstellen, dass dieses Angebot in der Behörde nicht an die zuständige Stelle gelangt ist. Daher wende ich mich an Sie, werte Frau Heinze. Vielleicht sind Sie so gut und platzieren meine Einwände gegen dieses überhastete Vorgehen bei der richtigen Stelle, zumal ich als Laie in solchen Dingen derzeit nicht von einem Steuerberater vertreten werde, weil diesem wichtige Unterlagen fehlen, die meine Frau Marie – Sie haben sie nie kennengelernt – noch nicht beigebracht hat.

Zum besseren Verständnis: Meine Frau Marie hat mich einige Zeit nach Ihrem Besuch verlassen und wahrscheinlich auch Ordner mit geschäftlichen Unterlagen mitgenommen. Ich stehe mit meiner Frau in Kontakt und erwarte die Rücksendung der Papiere in Kürze. Sie sehen, alles ist in bester Ordnung und so frage ich mich: Warum die Eile?

Den gleichen Eindruck musste auch der Herr Gerichtsvollzieher gewonnen haben, denn als er eine Liste der pfändbaren Gegenstände erstellen wollte, kam er nach einer gründlichen Begehung meines Hauses auf die Zahl Null. Ich habe mich auch keineswegs geweigert, meine Bankdaten herauszugeben. Die Bank wollte ohnehin schon seit Längerem über akute Finanzfragen mit mir sprechen. Einen Verlag zu führen und dabei nicht von höchsten Qualitätsmaßstäben abzuweichen, ist ein ewiges finanzielles Wagnis, das dürfen Sie mir glauben. Bei den titanischen Anstrengungen, die ein Verleger im Kampf um die Literatur als Krone der Kunst zu führen hat, geraten profane Themen wie Steuern, Abgaben oder die Stadtwerke mitunter in den Hintergrund. Das ist vom Schicksal so gewollt und von der Gesellschaft hinzunehmen. Alles geschieht in einem übergeordneten Interesse.

Seien Sie doch bitte so nett und befreien Sie mich aus meiner Zwangslage, indem Sie mein Sprachrohr werden. Als schwaches Zeichen der Würdigung Ihres edlen Gemüts, erlaube ich mir den Aphorismenband eines turkmenischen Schafhirten, von dem nur der Vorname Bülent überliefert ist, beizulegen.

Kleinode, wie diesen Band zu verlegen, ist meine Berufung. Begehrlichkeiten offizieller Stellen abzuwehren ist mein derzeitiges Schicksal.

Mit der Bitte um Verständnis und Hilfestellung verbleibe ich, Ihr sehr ergebener

Peter Korff

Freier Bürger

Der Verleger, der seinen Verstand verlor und sich auf die Suche machte

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