Читать книгу BGB Allgemeiner Teil I - Achim Bönninghaus - Страница 41
I. Gesetz ernst nehmen
Оглавление46
Halten Sie sich bei der Begutachtung zunächst streng an das Gesetz, und zwar an jedes einzelne Wort. Schließlich ist der Richter nach Art. 20 Abs. 3 GG an „Gesetz und Recht“ gebunden. Die meisten Fehler entstehen durch Übersehen einzelner Tatbestandsmerkmale. Sie müssen das Gesetz immer wieder durchlesen, auch wenn es sicher spannendere Lektüre gibt. Es hilft nichts. Die spezielle Norm genießt im Ausgangspunkt den Vorrang vor allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen. Das Normargument kann selbstverständlich keine Exklusivität für sich in Anspruch nehmen, da Generalklauseln (z.B. §§ 138, 242) und methodische Instrumente existieren, um Ergebnisse des positiven Rechts mit einzelfallbezogenen Gerechtigkeitserwägungen korrigieren zu können (siehe dazu IX.: „Nagelprobe“, Rn. 54). Einer solchen Korrektur sind jedoch Grenzen gesetzt, da stets die Gewaltenteilung zu beachten ist. Sie dürfen das Gesetz also nicht voreilig allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen opfern. Der BGH hat dies im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG so formuliert – es ging um den Anspruch des Verkäufers auf Nutzungsentschädigung aus § 346 Abs. 1 Hs. 2 Var. 2, Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 439 Abs. 5:[1]
„Eine einschränkende Auslegung des § 439 Abs. 4 [Anm.: jetzt § 439 Abs. 5] dahin, dass die Verweisung auf die Rücktrittsvorschriften nicht auch einen Anspruch des Verkäufers auf Nutzungsvergütung begründet, widerspräche somit dem Wortlaut und dem eindeutig erklärten Willen des Gesetzgebers. Eine solche Auslegung ist unter Berücksichtigung der Bindung der Rechtsprechung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht zulässig (BVerfGE 71, 81, 105; 95, 64, 93). Die Möglichkeit der Auslegung endet dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (BVerfGE 18, 97, 111; 98, 17, 45; 101, 312, 319).“
1. Teil „Ein Rundflug“ › C. Wie schreibe ich es auf? › II. System abbilden