Читать книгу Kommissar Handerson - Sammelband - Adrienne Träger - Страница 11
Carlshaven, Anfang November 2013
ОглавлениеDass sie das Haus nicht verlassen durfte und den ganzen Tag arbeiten musste, empfand Nana als schlimm, denn sie war immer frei gewesen. In ihrer Wellblechhütte im Township von Kontuba hatte es keine richtigen Türen gegeben. Sie hatte kommen und gehen können, wie und wann sie wollte. Und sie hatte zwar hart gearbeitet, um die Familie zu ernähren, aber sie hatte immer irgendwo Freizeit gehabt, um mit den Nachbarjungen Fußball zu spielen oder mit ihrer Freundin gelegentlich ins Kino zu gehen und sich in fremde Länder wegzuträumen. Hier gab es so etwas wie Freizeit nicht. Sie musste den ganzen Tag waschen, putzen und kochen und wehe, die Madame glaubte auch nur ein kleines Staubkorn zu sehen – dann zögerte sie nicht, Nana anzuschreien und ihr mit der flachen Hand ins Gesicht zu schlagen. Geschlagen zu werden war etwas, das Nana noch nie erlebt hatte. Sie kam aus ärmlichen Verhältnissen, aber ihre Eltern hatten sie mit viel Liebe und Geduld erzogen.
All das war schlimm und erniedrigend. Doch in der vergangenen Nacht war etwas geschehen, das für Nana noch viel schlimmer war. Madame hatte sie wie üblich um elf Uhr in ihrem „Zimmer“ eingeschlossen. Sie hatte schon geschlafen, als das Geräusch des Schlüssels in der Tür sie weckte. Es war der Monsieur. Er kam hinein, schaltete das Licht an und schloss die Tür wieder von innen ab. Was dann kam, erfüllte Nana immer noch mit Schaudern und Ekel. Nie hätte sie gedacht, dass man sich so verletzlich fühlen konnte. Er hatte sie auf die Matratze gedrückt und sich auf sie gelegt. Sie glaubte immer noch, seinen heißen, schnaufenden Atem an ihrem Ohr zu spüren, der ihr unaufhörlich irgendetwas von Liebe vorsäuselte. Auch den Schmerz meinte sie noch wahrzunehmen, den sie empfunden hatte, als er in ihre jungfräulich Scham eingedrungen war. Heute fühlte sie sich immer noch wund und wäre am liebsten im Bett geblieben, aber die Madame kannte keine Gnade. Sie musste den ganzen Tag das Haus putzen. So schmutzig, wie sie sich fühlte, wäre sie am liebsten selbst in den Putzeimer gekrochen.
Als er in der Nacht gegangen war, hatte Monsieur ihr erklärt, sie habe ihn sehr glücklich gemacht und er wolle sie wieder in ihrem Zimmer besuchen. Bei dem Gedanken daran, wurde ihr speiübel und sie erbrach sich in den Putzeimer. Nur gut, dass die Madame im Nebenzimmer war und es nicht bemerkt hatte.