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Kontuba, Mitte August 2013
ОглавлениеEiner der Nachbarn hatte sie darauf aufmerksam gemacht. Er war Gärtner in einem der besseren Viertel von Kontuba und hatte es irgendwie aufgeschnappt. Eine Agentur in der Stadt vermittelte Jobs nach Europa. Die Bezahlung dort sollte sehr gut sein. Sie fand das Angebot interessant, hatte sie doch eine kranke Mutter zu unterstützen. Der Vater war schon lange tot und viele ihrer Geschwister noch klein. Mit ihren achtzehn Jahren war sie die älteste. Ihre zwei Jahre jüngere Schwester wollte mit, als sie ihr davon erzählte, doch wenn sie selber nach Europa ginge, dann müsste Maria zu Hause in Kontuba bleiben, um sich um die kranke Mutter und den Rest der Familie zu kümmern. Denn sie konnte nun einmal nicht gleichzeitig in Europa Geld verdienen und zu Hause in Afrika die Mutter pflegen. Also hatte sie es ihrer Schwester ausgeredet, sich ihre besten Sachen angezogen und war mit dem Bus zu dieser Agentur gefahren.
Nie hätte sie gedacht, dass man sie dort nehmen würde, aber es kam bekanntlich immer alles anders, als man denkt, und die Hoffnung starb zuletzt. Lange hatte sie nicht warten müssen. Eine freundliche Frau war auf sie zugekommen und hatte sie in ein Büro gebeten. Sie besaß glücklicherweise gute Referenzen, da sie in den letzten Jahren schon öfter als Dienstmädchen in den reicheren Vierteln von Kontuba gearbeitet hatte. Die Frau war beeindruckt und erklärte ihr, dass sie eine Stelle als Dienstmädchen für sie im amberländischen Carlshaven habe. Das Ehepaar für das sie arbeiten würde, käme auch aus Mabunte und wollte eine Haushaltshilfe aus der Heimat. Sie könnte schon in zwei Wochen anfangen. Die Kosten für den Flug übernähme die Agentur. Auch eine Unterkunft würde für sie organisiert werden.
Sie fühlte sich wie im siebenten Himmel. Nun gut, sie hätte lieber nach Deutschland oder England gewollt. Von Deutschland hatte sie schon viel gehört und Englisch sprach sie zumindest ein bisschen. Amberland sagte ihr so gar nichts, und sie kam sich ein wenig dumm vor, als sie die nette Frau von der Agentur fragte, wo es denn liege. Die musste doch denken, dass sie so ein ungebildetes Mädchen aus den Slums von Kontuba war, das nicht richtig lesen und schreiben konnte. Dabei war sie ein paar Jahre zur Schule gegangen, als ihr Vater noch lebte. Lesen und schreiben konnte sie. Aber eben nur mabuntisch und ein ganz klein wenig englisch. Die Frau von der Agentur blieb aber freundlich und machte nicht den Eindruck, als ob sie das Mädchen vor sich für dumm hielte. Sie holte einen Atlas heraus und zeigte ihr Amberland auf der Karte. Es lag an der Ostsee zwischen Deutschland und Polen. Ein sehr kleines Land, das wohl seinen Namen daher hatte, dass dort an den Stränden regelmäßig kleine Mengen Bernstein angespült wurden. Die nette Frau erklärte ihr, man spräche dort Deutsch, und viele Menschen, vor allem die jüngeren, sprächen auch Englisch. Das beruhigte sie etwas.
Sie fuhr mit dem Bus nach Hause, erzählte ihrer Familie und ihren Freunden im Township von ihrem Erfolg und machte sich sofort daran, ihre Koffer zu packen, auch wenn sie nicht viel besaß, das sie hätte hineinlegen können. In zwei Wochen würde sie gutes Geld im Ausland verdienen und ihre Familie unterstützen können. Vielleicht verdiente sie auch so viel, dass die Familie sich endlich ein besseres Zuhause leisten könnte.