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Carlshaven, vor der Privatresidenz des Botschafters, 23. September 2014, nachmittags

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Hans Schreiber hatte sich für den Spezialauftrag, den er von Handerson erhalten hatte, wirklich täuschend echt kostümiert. Von einem befreundeten Gärtner hatte er sich Arbeitskleidung und ein Fahrzeug geliehen, in dem auch das entsprechende Werkzeug lag. Handerson hatte ihm eine kleine Liste mit Adressen von reichen Mabuntern per E-Mail zukommen lassen. Da der Fisch aber bekanntlich immer von Kopf her anfing zu stinken, hatte er sich dazu entschlossen, seine Recherche beim Botschafter zu beginnen. Und da die ihre Sklavin wohl kaum in der Botschaft gehalten hatten, hatte er sich die Privatadresse des Botschafters besorgt. Er war mittags einmal kurz vorbeigefahren und hatte sich dann eine Strategie zurechtgelegt. Die Villa war groß, genauso wie das Grundstück. Sein Plan bestand darin, zunächst die Nachbarn auszuhorchen. Er ging zu der Villa nebenan und klingelte. Es dauerte etwas, bis eine ältere Dame öffnete.

„Ja, bitte?“

„Guten Tag, gnädige Frau, ich komme vom Gartenbaubetrieb ‚Zweiblum und Söhne‘. Wir möchten gerne unseren Kundenstamm erweitern. Besteht bei Ihnen vielleicht Bedarf an regelmäßiger Grundstückspflege? Das Grundstück scheint ja recht groß zu sein und es gibt bestimmt öfters etwas zu tun.“ Er drückte ihr die Karte des Gartenbaubetriebs seines Freundes in die Hand und setzte sein charmantestes Lächeln auf.

„Ach, eigentlich…“

„Um Sie von unseren Qualitäten zu überzeugen, bieten wir Ihnen einmalig eine Gartenpflege, bestehend aus Rasenmähen, Heckenschnitt und Unkraut jäten, umsonst an.“

„Ach, so?“

Sie beäugte interessiert die Karte, die Schreiber ihr in die Hand gedrückt hatte. „Umsonst“ war anscheinend ein Wort, das ihr äußerst sympathisch war. Typisch, dachte er, reich wie Krösus, aber bloß kein Geld ausgeben.

„Zweiblum und Söhne, ja, die kenne ich. Die haben doch auch ein Blumengeschäft in der Innenstadt. Da habe ich schon mal hin und wieder einen Strauß gekauft. Sehr gute Qualität. Haben Sie gesagt, dass Sie mir heute umsonst den Garten machen wollen, junger Mann?“

„Ja, gnädige Frau. Wenn Sie mögen, können Sie auch gerne noch einmal selber bei Zweiblum anrufen und nachfragen. Ich verstehe, dass Sie misstrauisch sind. Heutzutage kann man ja nie wissen, auf was für Ideen Verbrecher so kommen.“

„Na, Zweiblum ist ein renommiertes Geschäft, das wird schon seine Richtigkeit haben. Da vorne durch das Tor kommen Sie in den Garten.“

„Sehr gerne, gnädige Frau. Ich hole dann mal meine Sachen.“

Die Dame schloss die Tür wieder und er ging zurück zum Wagen, um die Geräte zu holen. Das war ja einfacher gewesen, als er gedacht hatte. Er staunte immer wieder, wie einfältig manche Leute waren – na ja, morgen würde ihm bei der Grundstücksgröße vermutlich alles weh tun, aber wenn er etwas herausfand, dann hätte es sich gelohnt. Und wenn nicht, dann würde er sich für die anderen Adressen eine weniger anstrengende Tarnung einfallen lassen. Es hatte ja auch niemand behauptet, dass investigativer Journalismus ein Zuckerschlecken sei.

~

Er hatte den gesamten Rasen gemäht, Unkraut gezupft und war jetzt dabei, die Hecke zum Nachbargrundstück zu schneiden. Es war warm und der Schweiß lief ihm mittlerweile in Strömen von der Stirn. Zum Nachbarhaus konnte er nicht wirklich hinüber sehen, aber die alte Dame, in deren Garten er sich abrackerte, musste vom ersten Stock einen ganz guten Blick haben. Alles, was er bislang von drüben mitbekommen hatte, war, dass dort zwei große Hunde lebten. Er glaubte, dass es Dobermänner waren, war sich aber nicht ganz sicher. In jedem Fall kläfften die Köter ziemlich laut, wenn er in die Nähe der Grundstücksgrenze kam.

Die alte Dame kam mit einer Glaskaraffe und zwei Gläsern aus der Terrassentür. Sie setzte beides auf den Gartentisch und rief ihm von der Terrasse aus zu, er solle doch einmal eine Pause machen, das habe er sich redlich verdient. Nun ja, wo die Dame recht hatte, hatte sie recht. Er ging zu ihr, nahm dankbar das Glas selbstgemachter Limonade an und ließ sich auf einen der schmiedeeisernen Gartenstühle sinken.

„Sagen Sie mal, die beiden Hunde da von nebenan, die sind aber schon nervig. Ich meine, die kläffen doch immerzu“, fing Schreiber ein Gespräch an.

„Oh, da sagen Sie aber etwas. Diese Tölen kläffen Tag und Nacht. Die junge Frau, die da manchmal im Garten arbeitet, die hat auch gehörig Angst vor denen.“

Er wurde hellhörig. „Eine junge Frau? Haben die etwa schon eine Gärtnerin? Das wäre aber bedauerlich. Ich wollte da nämlich auch noch unsere Dienste anbieten.“

„Nein, so eine richtige Gärtnerin ist das nicht. Die scheint da so etwas wie ein Hausmädchen zu sein. Immer fleißig, sag ich Ihnen. Immer, wenn ich aus dem Schlafzimmerfenster schaue, kann ich sie putzen sehen, also zumindest war das bis vor einigen Wochen so. Nicht, dass Sie jetzt den falschen Eindruck von mir bekommen, junger Mann, ich bespitzele meine Nachbarn nicht, aber die haben keine Gardinen und ich kann von meinem Schlafzimmer genau bei denen in die Fenster sehen und immer wenn ich rein zufällig hinübersehe, dann ist diese junge Frau da und putzt.“

Ja, klar. Ganz zufällig hatte sie da hingeguckt, dachte Schreiber. Und das auch nur, weil sie gar nicht anders konnte. Wie konnten die bösen Nachbarn auch keine Gardinen haben? Das zwang einen ja geradezu, hinzusehen. Er schüttelte innerlich den Kopf. Aber diese Beobachtung war doch schon mal etwas. Er hakte nach.

„Und diese junge Frau ist da so etwas wie ein Hausmädchen, sagen Sie?“

„Also, das dachte ich zumindest bis jetzt. Aber die letzten drei oder vier Wochen habe ich die nicht mehr gesehen. Vielleicht ist sie ja wieder in ihre Heimat zurück.“

„Ach, war sie denn eine Ausländerin?“

„Na ja, so eine Schwarze halt und das sind doch da auch so afrikanische Diplomaten, wissen Sie. Vielleicht war die junge Frau so etwas wie ein Au-pair oder so. Aber die da drüben unterhalten sich ja nicht mit einem. Sind ja was Besseres, diese Diplomaten. Tses, ich wollte neulich mal fragen, ob die junge Frau bei mir auch mal putzen könnte, weil die immer so akribisch sauber machte und kein Staubkörnchen ausließ, aber die feine Frau Botschafter hat ja nicht mal Zeit für ein ‚Guten Tag‘, wissen Sie. Püh, dass diese Afrikaner sich überhaupt solch ein nobles Botschaftsquartier leisten können. Ich dachte ja immer, die haben nichts.“

Volltreffer, dachte Schreiber. Also doch, die haben sich ein kleines Negersklavenmädchen gehalten und die ist rein zufällig schon genauso lange weg wie die Kleine in der Leichenhalle.

„Vielen lieben Dank für die Limonade und die Pause, aber ich muss jetzt mal weitermachen. Sie möchten doch bestimmt keine halb geschnittene Hecke, oder?“

„Natürlich nicht. Aber Sie haben das bislang so toll gemacht, dass sie Ihrem Chef sagen können, dass er eine neue Kundin hat.“

„Da freut er sich bestimmt.“

Kommissar Handerson - Sammelband

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