Читать книгу Farben der Lust | Erotische Geschichten - Aimée Rossignol - Страница 3

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1. Farben der Lust

»Helena, wie lange verkriechst du dich jetzt schon in deinem Atelier?« Ohne meine Antwort abzuwarten, spricht Tony weiter: »Viel zu lange, viel zu lange!«

Ungeduldig trommelt er mit den Fingern auf den Schreibtisch vor ihm. »Überleg doch mal. Den ganzen Sommer in Südfrankreich!«

Er macht eine Pause. »Süd.« Punkt. Pause. »Frank-« Punkt. Dramatische Pause, in der er mit stämmigen Armen vor seinem runden Gesicht rudert. »-reich!«

Ausrufezeichen, füge ich im Geist hinzu und seufze.

Durch das schmale Fenster im Büro von Tonys Galerie fällt ein Streifen Frühlingssonne durch die Häuserschlucht in Berlin Mitte.

Mein Galerist hat ja recht. Ich sehe es ein. Seit der Trennung von Marc, nein, ich muss mich korrigieren, seitdem Marc mich verlassen hat, habe ich mich nur noch hinter meiner Kunst versteckt. Die letzten fünf Jahre, zwei Monate und zwölf Tage. Eine lange Zeit, Tony hat recht. Aber Marc war auch mein erster Freund, meine erste Beziehung. Da kommt man nicht so leicht drüber hinweg.

»Sechs Jahre?« Tony wedelt eine mögliche Antwort von mir mit seiner Hand beiseite und rollt mit den Augen. »Marc war einfach nicht der Richtige. Zwei Künstler – das passt doch nicht. Ich habe es dir immer gesagt, aber du wolltest ja nicht hören. Und jetzt hast du über alledem deinen Kummer völlig vergessen, dass du nicht nur eine talentierte Malerin bist, sondern immer noch eine junge Frau! Aber das ist ja jetzt nicht der Punkt.«

Ich atme genervt aus.

Trotzdem fährt Tony ungerührt fort: »Der Punkt ist: Du musst mal raus. Du weißt, ich liebe deine Kunst, und deine Bilder verkaufen sich gut, aber dieses Portrait von Henri Marchand für seinen Konzernsitz könnte deinen Wert noch einmal steigern.«

Ich muss mich räuspern, bevor ich spreche. Mein Hals ist trocken. Zu lange habe ich Tony nur zugehört. »Wer ist eigentlich dieser Henri Marchand?«

»Helena!« Meine einfache Frage bringt Tony komplett aus der Fassung. Kurz schnappt er nach Luft. »Was? Du weißt nicht, wer Henri Marchand ist?«

Für einen Moment sieht es so aus, als würde mein Galerist mit einem tiefen Atemzug in den runden Leib, seinen grauen Anzug sprengen wollen. »Pack deine Pinselchen und deine Farbdosen, und was immer du sonst brauchst, hiss die Leinwand und dann ab mit dir nach Cannes! Aber zack, zack!«, presst Tony zwischen schmalen Lippen hervor, bevor er mich mit einer wilden Handbewegung aus seiner Galerie wedelt.

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