Читать книгу Farben der Lust | Erotische Geschichten - Aimée Rossignol - Страница 4

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Kapitel 1

Nervös zupfe ich am Ausschnitt meines neuen, dunkelroten Sommerkleides. Vielleicht ist er ein wenig zu tief, vielleicht sitzt das Kleid auch ein bisschen zu eng, aber die Verkäuferin in der kleinen Boutique am Savignyplatz zu Hause in Berlin hat es mir förmlich aufgedrängt. Es stünde mir so gut, hat sie gesagt und im Laden hat es mir auch sehr gefallen, genau wie eben noch im Flugzeug, aber hier in Cannes, am Terminal, bin ich mir nicht mehr sicher. Egal, es ist zu spät.

Suchend sehe ich durch das Menschengewirr am Ausgang und tatsächlich: Hinter der Schwingtür steht der Fahrer eines Limousinen-Service. Er wartet auf mich, ein Schild mit meinem Namen in der Hand: »Helena Waldmann«

Hinter den getönten Fenstern des Wagens zieht bald die Côte d’Azur an mir vorbei und obwohl das Innere angenehm klimatisiert ist, klebt der Stoff des Kleides an meiner Haut. Sicherlich ist das nicht nur die Hitze von eben, sondern auch ein wenig die Aufregung.

Henri Marchand. Ich habe ihn gegoogelt, weil ich von Tony ja nichts erfahren habe. Henri Marchand ist Winzer in dritter Generation. Sein »Marchand-Champagner« gehört zu den edelsten und teuersten Champagnern in ganz Europa, aber was noch viel wichtiger ist: Er sieht unverschämt gut aus. Eben genau wie ein Mann aussehen sollte, der weiß, was er will und auch bekommt, was er sich vorstellt. Er ist nicht verheiratet und lebt überwiegend in Paris, nur seine Sommer verbringt er in Südfrankreich. Über sein Privatleben erfährt man wenig, selten landet ein Bild von ihm in der Klatschpresse. Er versteht es wirklich, sein Privatleben privat zu halten.

Inzwischen haben wir die Küstenstraße verlassen und der Wagen rollt langsam auf ein schmiedeeisernes Tor zu, das wie von Zauberhand aufschwingt und den Blick über satt-grünen Rasen auf eine weiße Villa freigibt. Vor einer von Säulen eingerahmten Freitreppe kommen wir schließlich zum Stehen. Noch einen Moment habe ich Zeit, mich zu sammeln, doch dann schwingt schon die Autotür auf und ich atme Pinienduft in der Hitze des Sommers. Südfrankreich.

Eine Dame mittleren Alters mit kurzen, grauen Haaren reicht mir die Hand und begrüßt mich auf Deutsch: »Ah, Madame Waldmann, herzlich willkommen am Cap d’Antibes! Mein Name ist Madame Bertrand. Ich bin die Haushälterin und stehe gern zu Ihrer Verfügung.« Sie lächelt. »Ich zeige Ihnen Ihr Zimmer! Folgen Sie mir.«

In der kühlen Eingangshalle klappern die Absätze meiner Sandaletten auf weißem Marmorboden. Für einen Moment bleibe ich stehen. Die Eleganz der Einrichtung und die weitläufige Treppe in das Obergeschoss machen mich sprachlos und mir wird bewusst, dass ich verschwitzt und müde aussehen muss.

Und genau in diesem Augenblick öffnet sich die große Flügeltür rechts vor der Treppe. Ich habe zu lange gezögert. Henri Marchand.

So wollte ich ihm eigentlich nicht begegnen, hatte ich doch gehofft, mich erst frisch machen zu können.

Unwillkürlich fahre ich mir durch das feuchte Haar und ziehe meinen Rock über die Knie.

Er sieht noch besser aus, als auf den Fotos im Internet, die seine tatsächliche Wirkung gar nicht wiedergeben können. Sein ganzes Wesen scheint plötzlich diese Eingangshalle auszufüllen. Ich vergesse Madame Bertrand. Es gibt nur noch ihn und mich. Um seine breiten Schultern spannt sich ein weißes Hemd. Eine beigefarbene Hose ist bis zu den muskulösen, gebräunten Waden hochgekrempelt. Er sieht aus, als hätte er gerade ein Segelboot mit einem schwierigen Manöver sicher in den Hafen gesteuert, so breit und zufrieden ist sein Lächeln, das eine Reihe schneeweißer Zähne entblößt. Eine markante Nase erhebt sich aus seinem Gesicht und ich kann nicht anders, als ihrem Schwung nach oben zu folgen und in unergründlich blauen Augen zu versinken.

Nachdem er mich schamlos mit eben diesen Augen von unten nach oben gemustert hat, nicht ohne einen Moment an der Rundung meiner Brüste hängenzubleiben, wird sein Lächeln etwas schmaler und ich höre ihn tief einatmen.

In der Luft liegt plötzlich ein Flirren, eine Hitze, von der ich mir sicher bin, dass wir beide sie spüren. Als er mir schließlich seine große Hand hinstreckt und ich zögernd meine schmalen Finger hineinschiebe, drückt er nur kurz zu, bevor er sie so hastig zurückzieht, als hätte er sich verbrannt.

»Helena Waldmann«, sage ich leise und weiche einen Schritt zurück, strauchele auf den hohen Absätzen und spüre dabei seinen Arm an meinem. Er hat schnell zugegriffen. Seine Haut ist warm, sein Griff fest. Meine Nackenhaare stellen sich auf, wie bei einer aufgeregten Katze. Es ist, als hätte seine Berührung etwas in mir geweckt, was ich lange nicht mehr gespürt habe, vielleicht sogar noch nie. Ein Schauer kriecht über meinen Rücken.

»Langsam«, sagt er leise und ich bin mir gar nicht sicher, was er damit eigentlich meint. Er lässt mich erst los, als ich wieder sicher stehe. »Henri Marchand.« Noch einmal streift mich sein Blick. Diesmal anders. Prüfender.

Mein Atem geht schneller. »Angenehm!«, murmele ich.

»Ich schlage vor, Sie kommen erst einmal an und ...«, er wirft einen Blick auf seine Armbanduhr, »wir essen dann in einer Stunde zu Abend.«

Eine Antwort wartet er nicht ab, sondern dreht sich auf dem Absatz um und durchquert die Halle. Und erst jetzt, wo sein Duft langsam verfliegt, dringt er in meine Nase. Warm und holzig. Ich sehe ihm nach und hole noch einmal tief Luft. Jetzt rieche ich nur noch die Pinien aus dem Garten.

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