Читать книгу CHAOS - Alec Xander - Страница 12

2.4

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Auf die Pause wartend, wippte Lucas nervös mit dem Fuß auf und ab. Fast schon im Sekundentakt sah er auf seine Armbanduhr. Die Zeit wollte nicht vergehen. Besonders die letzten Minuten zogen sich ungewöhnlich in die Länge.

Das Klingelzeichen zur langersehnten Pause ertönte.

„Ja, endlich!“ Lucas packte schleunigst seinen Kram zusammen und eilte aus dem Klassenzimmer. So aufgeregt hatte er sich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gefühlt. Er versuchte zwischen all den Köpfen Bastian ausfindig zu machen. „Hey, yo, Basti!“, rief Lucas, als er ihn auf dem Hof erblickte. „Warte auf mich!“

Bastian versuchte das aufkommende breite Grinsen zu unterdrücken und sich so locker wie nur möglich zu geben. „Hey!“, grüßte er, als er sich umwandte.

Lucas wusste nicht, wann er sich das letzte Mal so gefreut hatte, einen Menschen wiederzusehen. „Hey, alles cool?“

„Alles bestens“, versicherte Bastian und lief neben ihm her.

„Sag mal“, fragte Lucas, „gibt es hier in der Nähe irgendwo einen Kiosk?“

„Ja, auf dem Schulhof, dahinten“, sagte er und zeigte in die Richtung des Kiosks.

„Ich meinte einen anderen. Einen, der nicht von Pissern belagert wird und nicht voller Ratten und gammeligem Zeugs ist.“

„Woher willst du wissen, ob das Zeugs gammelig ist.“

„Mich würde es wundern, wenn es dort hochqualitative Lebensmittel geben würde.“

„Einmal bin ich dort gewesen“, erinnerte Bastian sich zurück.

„Und?“

„Eine dicke Frau mit dreckigen Fingernägeln, die dir ihr selbstgemachtes Zeugs verkauft. Und viele Türken, die dich blöd anmachen.“

„Sie verkauft Türken?“, fragte Lucas scherzend.

Gutmütig schlug Bastian ihm gegen den Arm. „So meinte ich das nicht.“

„Mein Arm hat es dir angetan, wa?“

„Was?“

Kichernd streckte Lucas ihm die Zunge raus.

Ganz warm wurde es Bastian. „Ähm, es gibt noch einen Kiosk die Straße runter. Aber wir sollten uns beeilen, wenn du dorthin willst. Und wenn du das nächste Mal zum Supermarkt willst, dann bitte in der ersten Pause, weil der Weg ist etwas weiter.“

„Cool.“ Lucas zündete sich eine Zigarette an und versuchte, so lässig wie nur möglich zu laufen. „Und, fleißig gelernt?“

„Du hast nur darauf gewartet, mir diese Frage zu stellen, hm?“

„Du bist echt gut“, gestand Lucas beeindruckt.

Verlegen rieb Bastian die Hände ineinander. „Und selbst?“

„Passt schon. Den Stoff, den wir gerade in Mathe durchnehmen, den hatte ich bereits vorletztes Jahr.“

„Auf welcher Schule warst du denn?“

„Real.“

Bastian war überrascht. „Und dann gehst du freiwillig auf eine Hauptschule?“ Es klang wie ein Vorwurf.

„Von freiwillig war nicht die Rede.“

„Aber?“, hakte Bastian neugierig nach.

„Es gab halt keinen freien Platz mehr, genau wie auf der Gesamt und da ich ja irgendwo hingehen muss, entschied man sich dazu, mich hierhin zu verpflanzen.“

„Woher kommst du eigentlich? Und jetzt sag nicht wieder: ‚Aus meiner Mutter‘.“

„Nein, aus deiner Mutter mit Sicherheit nicht.“

Bastian verzog angewidert das Gesicht. „Du bist ekelig.“

„Kopfkino?“, fragte Lucas mit frecher Miene.

„Total.“ Er stellte sich vor, wie seine Mutter breitbeinig auf einem Bett lag und zig Krankenschwestern um sie herumstanden. Karin presste mit all ihrer Kraft und heraus kam ein kleiner Lucas mit blondierter Igelfrisur, der eine Zigarette rauchte. Ganz cool eben. Bastian kicherte verlegen.

„Was’n?“

„Ach, ähm, nicht so wichtig.“ Er räusperte sich.

„Du wirkst jetzt viel wacher und nicht mehr so benommen“, erkannte Lucas.

„Ja, bin ja jetzt auch wach.“

„Und ganz so schüchtern kommst du mir jetzt auch nicht mehr vor.“

Verlegen blickte Bastian zum Boden.

„Okay, ein wenig vielleicht noch.“

„Entschuldige.“

„Wofür?“

„Ähm …“ Bastian wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. „Ähm …“ Mit dem, was dann kam, hätte er niemals gerechnet. Lachend legte Lucas den Arm um seine Schultern und strubbelte kurz über seine Haare.

„Du bist mir vielleicht einer.“ Er ließ von Bastian ab und sah auf das Profil des Verstummten. „Mach dich locker, Mann. Ich werde dich schon nicht schlagen.“

„Wieso solltest du das auch tun?“

„Du weißt, warum.“ Lucas erblickte den Kiosk aus der Ferne. „Hat der zu?“

„Nein, schaut nur immer so aus.“

„Gut. Hab nämlich voll den Brand, Mann.“ Lucas klopfte gegen die Scheibe des Kiosks. „Möchtest du auch was?“, fragte er zu Bastian gewandt.

„Nein, ich bin wunschlos glücklich.“

„Bist du das?“, fragte Lucas mit einem verschmitzten Lächeln.

Und wie, dachte Bastian, verknallt bis über beide Ohren. Und während Lucas sich etwas kaufte, betrachtete Bastian ihn, ohne auch nur einmal mit der Wimper zu zucken. Er fragte sich, was der Hübsche mit den Worten gemeint hatte, dass er wüsste, warum.

Lucas führte sich das Getränk zum Mund, hielt auf halbem Wege inne und bedachte Bastian mit einem schmunzelnden Blick.

„Was ist?“, fragte Bastian verwundert und tat schnell so, als hätte er Dreck auf dem Schuh, um dem Attraktiven nicht länger in die Augen schauen zu müssen.

„Ach, nichts“, erwiderte Lucas, der darauf seinen Durst löschte.

Bastian guckte auf sein Handy. „Ey, die Pause ist gleich vorüber.“

Das hatte Lucas nun wirklich nicht hören wollen. „Hast du bis zur Sechsten?“ Sie traten den Rückweg an.

„Jupp, selbst?“

„Yep. Hab gleich Sport. Dreimal darfst du raten, bei wem.“

„Da brauch ich nicht raten. Es gibt nämlich nur den einen Sportlehrer und das ist dein Klassenlehrer.“

„Ach, ja“, seufzte Lucas. „Bin ein echtes Glückskind. Meinste, der lässt mich mitmachen?“

„Wieso sollte er das nicht tun?“

„Hab keine Sportsachen dabei. Hab zwar“, er stoppte, beugte sich hinunter und schob das Hosenbein ein Stück hinauf, „rutschfeste Socken an, aber …“

Bastian war regelrecht von dem Bein fasziniert. Haare, dachte er und biss die Zähne aufeinander, da das breite Grinsen sich wieder bemerkbar machte. Schon seit einiger Zeit fand er Männer mit Behaarung sehr anziehend. „Wenn du keine Schuhe und so dabei hast, dann hast du echt schlechte Karten.“

Lucas schüttelte das Bein, damit die Hose wieder hinunterrutschte. „Und was soll ich zwei Stunden lang machen?“

„Herumsitzen.“

„Ohne Scheiß?“

„Jupp.“

„Dann könnte ich rein theoretisch nach Hause gehen.“

Diese Antwort gefiel Bastian nicht. Schließlich wollte er Lucas nach der Schule noch einmal sehen. Auch wenn es nur ganz kurz gewesen wäre. „Aber auch nur in der Theorie.“

„Ja, aber was soll ich da dumm rumsitzen?“

„Wenn du keine Sechs kassieren willst, bleibt dir nichts anderes übrig. Glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche.“

„Ist doch voll verfickt!“ Lucas zündete sich eine Zigarette an.

Eigentlich mochte Bastian keine Raucher, zumal seine Mutter zu ihnen gehörte und seine Kleider oftmals ekelhaft nach Rauch stanken, aber Lucas qualmen zu sehen, war irgendwie sexy.

„Was machst du sonst so nach der Schule?“, erkundigte Lucas sich.

„Das Übliche.“

„Und das da wäre?“

„Nun ja“, er überlegte einen Moment. Es lag ihm schon auf der Zunge: Daheim den Haussklaven spielen. Einkaufen, einkaufen, einkaufen, oh, und putzen! „Ähm, ich zocke gerne und so.“

„Was zockste denn? Playstation?“

„Nein, nicht wirklich.“

„Am Computer?“

„Hab leider keinen.“

„Mach dir nichts draus, Mann. Hab auch keinen. Passt schon. Cool?“

„Cool“, bestätigte Bastian verlegen.

„Cool.“

Plötzlich sah Bastian einen Lehrer vor dem Schulhof stehen. Intuitiv drückte er Lucas gegen die Brust und schob ihn hinter eine Hecke, den Blick auf den Lehrer gerichtet.

Verblüfft über diese Aktion, schaute Lucas ihn fragend an. „Sind wir doch schon so weit, ja?“

„Was?“, fragte Bastian, der weiterhin zum Lehrer sah.

„Wollen wir uns jetzt schon in den Armen liegen und uns vielleicht auch noch küssen?“ Sein Tonfall klang streng, doch das Funkeln in seinen Augen strafte seine Stimme Lügen.

Verwirrt sah Bastian zu ihm auf. „Häh, was?“ Er brauchte einen Moment, bis er schnallte, was er da eigentlich mit seinen Händen tat. Hastig ließ er von ihm ab. „Nein, nein, nein, nein, nein“, stotterte er hektisch und wich ein Stück zurück.

„Hm, nicht?“

„Da ist nur ein Lehrer“, versuchte Bastian sich zu erklären. „Ich will dich nicht küssen.“

„Also, ich würde dich küssen“, meinte Lucas mit einem Schulterzucken.

„Häh?“ Bastian stand vollkommen neben sich. „Wer würde wen küssen?“

„Echt nicht, Mann?“ Nun klang er enttäuscht.

„Was? Häh? Nein, nein. Ich wollte dich nur …“

„Küssen?“, fiel Lucas ihm hoffnungsvoll ins Wort.

„Was? N-Nein. Das wollte ich nicht.“ Er rang sich ein Lächeln ab, das ziemlich geheuchelt wirkte.

„Du bist also nicht schwul?“ So offensiv hatte Lucas gar nicht fragen wollen.

„Was? N-Nein“, beteuerte Bastian, wenngleich gelogen. Als er Lucas in die Augen schaute und der Begehrenswerte in seine, schien die Zeit für einen Moment lang stillzustehen. Bastian hätte sich nur zu gern in Lucas‘ Arme fallen lassen, ihn gedrückt und geküsst. All seine Sorgen hätte er ihm anvertraut. Dabei kannte er den Typen kaum. Ein seltsames Gefühl, wie er fand. Wieso war Lucas ihm nur derartig sympathisch, dass er sich ihm gegenüber fast als schwul geoutet hätte?

Lucas war mehr als nur froh, Bastian hinterhergelaufen zu sein. Endlich hatte er jemanden gefunden, mit dem er sich verstand. Sicherlich war sein Gegenüber noch unsicher und zurückhaltend, aber das Eis würde schon noch brechen. Da war er sich sicher. Er dürfte nur nicht übereilt an die Sache rangehen.

Das Klingelzeichen zum Ende der Pause ertönte.

Gott sei Dank!, dachte Bastian erleichtert, denn er war kurz davor gewesen, seine Zurückhaltung aufzugeben. Er ging voran, als Lucas den Arm abermals unerwartet um seine Schulter legte. Nur dieses Mal schien er ihn nicht mehr wegnehmen zu wollen.

„Keine Sorge“, versprach Lucas. „Dein Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben.“

„Welches Geheimnis?“, stellte Bastian sich doof.

„Genau das.“

Diesen Körperkontakt mit Lucas genoss Bastian enorm. Aber was wollte Lucas ihm damit sagen? Freunde liefen oftmals so herum, wusste er. War Lucas also jetzt ein Freund oder bestand sogar die Möglichkeit, dass mehr aus ihnen werden konnte? Es fühlte sich so schön an, dennoch wollte Bastian nicht, dass jemand sah, wie Lucas den Arm um ihn gelegt hatte. Auf dem Schulgelände angelangt, blieb er stehen und tat so, als müsste er gehörig niesen. So konnte er dem Arm erfolgreich entkommen.

„Gesundheit.“

„Danke dir. Sag, nimmst du eigentlich den Bus oder läufst du? Weiß ja immer noch nicht, woher du nun kommst.“

„Ich werde abgeholt.“ Zum anderen Punkt wollte Lucas sich nicht äußern.

„Ah, okay.“

„Ja, um vierzehn Uhr.“

„Also darfst du vierzig Minuten nach Schulschluss warten.“

„Wartest du mit mir?“, fragte Lucas nahezu flehend.

„Klar!“, schoss es wie aus einer Pistole aus Bastian. „Ich werd einfach hier am Baum auf dich warten.“

„Naja“, sagte Lucas. Sein Blick blieb an dem eingegangen Grün hängen. „Dieses verkümmerte Teil hier in diesem Kasten hat nicht wirklich was mit einem Baum gemeinsam.“

„Wie wahr, wie wahr.“

„Dann bis nachher“, verabschiedete Lucas sich mit einem charmanten Lächeln.

„Ciao“, wisperte Bastian und sah ihm verträumt hinterher.

Wetten, er guckt?, dachte Lucas und drehte sich einmal im Kreis. Ha! Ich wusste es.

Peinlich berührt kniff Bastian die Augen zusammen.

CHAOS

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