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4.4

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Kaum hatte Bastian nach dem Schulgong die Klasse verlassen, wurde er von Lucas‘ Anwesenheit überrascht. „Wie kannst du so schnell …?“

„Wurde des Unterrichts verwiesen“, fiel Lucas ihm ins Wort.

„Okay“, stutzte Bastian und ging mit ihm hinaus. „Was ist passiert?“

„Ach, der Bröller hatte gemeint, mir blöd zu kommen.“

„Lass mich raten“, schmunzelte Bastian, „und du hast dich natürlich mit ihm angelegt.“

„Ist man freundlich zu mir, bin ich es auch. Ist man jedoch wie dieser …“, unverhofft wurde er von irgendwem angerempelt. Fragend schaute Lucas sich um. Bei der Vielzahl der Schüler war es jedoch nicht möglich, die Person ausfindig zu machen. Vor allem, da einige Schüler wild umherrannten. „Hast du gesehen, wer das war?“

„Hm?“, fragte Bastian, der nur zu Boden geguckt hatte.

„Mich hat jemand …“

„Ja?“

„Ach, auch egal. Was wollte ich sagen?“

„Bröller.“

„Ja, genau. Der Bröller hat mich rausgeschmissen, weil der mit Kontra nicht umgehen kann. Der Typ ist mal voll das arme Würstchen.“

„Also ich hätte lieber den Bröller anstatt der Weiber.“

„Haben diese pöbelhaften Tussen noch irgendetwas gesagt?“

„Nein, nicht wirklich. Sie haben mich nur andauernd so böse angeguckt. Bin echt froh, dass heute Freitag ist.“

„Ich so überhaupt nicht.“ Seufzend zündete Lucas sich eine Zigarette an.

„Wieso? Steht irgendetwas an?“

„Oh ja.“

„Und was?“

„Ach, nicht so wichtig.“

Dass Lucas nicht darüber reden wollte, kränkte Bastian ein wenig. Wieso sollte er gestehen, schwul zu sein, wenn Lucas selbst Geheimnisse zu haben schien?

Urplötzlich hatte Lucas einen grausigen Gedanken. „Du, Basti?“

„Hm?“

„Wie heißt du eigentlich mit Nachnamen?“

„Schmidt“, schwindelte er prompt. Warum Lucas erleichtert durchatmete, war ihm ein Rätsel. „Wieso fragst du?“

„Ach, nur so. Schmidt also, hm?“

„Jupp.“

„Passt irgendwie nicht zu dir.“

„Ja, kann sein. Und wie heißt du?“ Sie erreichten den Spielplatz.

„Travino.“

„Das klingt ziemlich lecker.“

„Lecker?“, stutzte Lucas.

„Ja, ähm, irgendwie nach etwas Leckerem.“

Lucas gefiel diese Antwort. „Dann bin ich also lecker, hm?“

„Das sagte ich nicht“, versuchte Bastian sich rauszureden. „Ich sagte nur, dass dein Name lecker klingt. Wie eine Pasta, verstehst?“

„Dann bin ich also eine leckere Pasta?“, ärgerte Lucas ihn absichtlich.

Schamhaft hielt Bastian sich beide Hände vors Gesicht, ehe er sich auf die Bank setzte.

„Eine leckere Pasta, von der du allerdings nicht kosten möchtest.“

„Ähm …“

Kichernd legte Lucas den Rucksack auf die Bank und pflanzte sich neben den Verstummten, der sich kurz darauf streckte und laut gähnte.

„Dieses frühe Aufstehen ist irgendwie voll verfickt, nicht?“

„Ohhh ja“, stimmte Bastian ihm zu. „Kaum bin ich im Land der wunderschönen Träume angelangt, holt mich der bescheuerte Wecker auch schon wieder raus.“

„Ey, genau mein Denken“, war Lucas hingerissen. „Als ob es jemandem schaden würde, wenn die Schule erst um halb zehn beginnen würde.“

„Bist du auch erst um diese Zeit richtig ansprechbar?“

„Aber so was von. Die ersten zwei Schulstunden sind mir ständig die Glubscher zugefallen.“

„Ich bekomme in den ersten beiden meist kaum etwas mit“, räumte Bastian ein.

„Geht mir genau so, Mann. Ich glaube, dass wir alle glücklicher wären, wenn die Schule später anfangen würde. Schüler und Lehrer zugleich.“ Hibbelig begann er mit dem Bein zu wippen.

„Nervös?“, fragte Bastian ihn.

„Ich muss volle Kanne schiffen, Mann.“

„Piss doch dahin“, meinte er gelassen und zeigte über die Schulter hinweg zu den vielen Bäumen und Sträuchern. Der Gedanke daran, wie Lucas seinen Kuhstall öffnen würde, machte ihn unmittelbar nervös.

„Gute Idee.“ Lucas sprang auf und schaute sich aufmerksam um. In der Nähe eines Spielplatzes zu pinkeln, hätte gewiss einige Gemüter aufgeregt und erwischt werden wollte er nicht. „Wehe, da guckt jemand“, fluchte Lucas, als er dabei war, den Reißverschluss seiner Hose zu öffnen.

„Keine Angst, sag dir rechtzeitig Bescheid.“

„Nicht, dass es mich stören würde, aber muss ja nicht sein.“

„Es würde dich nicht stören?“, wunderte Bastian sich. Er fühlte sich regelrecht dazu verleitet, über die Schulter zu gucken. Das Geräusch des Pinkelnden drang an seine Ohren. Nur einen Blick erhaschen, dachte er aufgeregt und betrachtete Lucas ein wenig länger als geplant.

„Ah, tut das gut.“ Ein erleichtertes Stöhnen drang über seine Lippen.

Dieses Stöhnen in Kombination mit dem Pinkelgeräusch brachte Bastians Kopfkino in Fahrt. Fest biss er die Zähne zusammen und grinste bis über beide Ohren. Als er hörte, wie Lucas den Hosenstall schloss, hielt er sich rasch die Hände vors Gesicht.

„Yo, was’n?“, stutzte Lucas, als er wieder bei ihm war. „Heulst du?“ Vorsichtig griff er an Bastians Hand, um ihm ins Antlitz zu gucken. „Basti?“ Doch statt eines tränenverhangenen Gesichts überraschte ihn eine hochrot angelaufene und kichernde Fratze. „Was’n los?“

Bastian bekam sich kaum noch ein. „Entschuldige“, bat er und wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum.

„Ist er dir zu klein?“, fragte Lucas gespielt beleidigt.

„Waaas?“, sagte Bastian, was ziemlich schwul klang. „Nein.“

„Also reicht er dir?“

„Ich habe nicht geguckt!“

„Ach, nicht?“ Lucas tat einen auf verwundert.

Gutmütig schlug Bastian ihm gegen den Oberarm. Eine Sache, die er wieder und wieder hätte tun können – nur um Lucas kurz etwas näher zu sein.

Lucas kicherte. „Nur Spaß, Mann. Nur Spaß.“ Er streckte sich ausgiebig und offenbarte somit ein wenig nackte Haut seines Bauches. Blinzelnd schielte er zu Bastian, der flüchtig hingeguckt hatte. Nun musste er lachen.

„Hm?“ So zu tun, als ob nichts wäre, beherrschte Bastian recht gut und er wurde darin fortwährend besser.

„Ach, nichts. Lass mal Nummern tauschen.“ Er zückte sein Handy und tauschte mit Bastian die Handynummer aus. „Du sag mal …“

„Hm?“

„Was haste eigentlich so nach der Schule vor? Schon’n Plan, was du machen willst?“

„Du meinst beruflich?“

„Yep.“

„Keine Ahnung. Ich zeichne gerne und will das gerne weiterverfolgen.“

„Was zeichnest du denn?“

„Bilder.“

„Scherzkeks. Ich meinte, was genau für Bilder.“

„Ich liebe Mangas.“

„Mangas sind cool“, sagte Lucas. „Welche magste am liebsten? Warte!“, fügte er rasch hinzu. „Ich weiß es.“

„Na, jetzt bin ich aber gespannt.“

„Dragon Ball und Sailor Moon.“ Mit einem frechen Ausdruck auf dem Gesicht wackelte er zweimal mit den Brauen.

„Joah, auch. Wobei Dragon Ball jetzt nicht so ganz mein Fall ist. Finde Sailor Moon schon ganz cool. Dragon Ball wird einfach jedes Mal künstlich in die Länge gezogen. Aber ich male nicht nur Comicfiguren, auch reale Personen. Gestern zum Beispiel …“, er stockte, denn eigentlich hatte er es für sich behalten wollen.

„Gestern?“, wartete Lucas ungeduldig.

„Ich hab versucht, einen Menschen zu malen.“

„Okay, und welchen?“

„Ähm, dich“, gestand Bastian nach einem Moment des Schweigens.

„Du hast mich gemalt?“

„Ja, ich habe es zumindest versucht.“

„Aber wie“, wunderte Lucas sich, „hast du das angestellt? Ich meine, du hast doch kein Foto von mir.“

„Genau das war anfangs auch das Problem, aber dann schlug ich die Bravo auf und sah ein Bild von Ryan Phillipe.“

„Wem?“

„Ryan Phillipe.“

„Noch nie gehört.“

„Spielt in Eiskalte Engel mit.“

Grüblerisch tippte Lucas mit dem Zeigefinger gegen sein Kinn. „Ahhh, der.“

„Genau und …“

„Aber was habe ich denn mit diesem Typen gemeinsam?“, unterbrach Lucas ihn stirnrunzelnd.

„Nun ja, ein wenig Ähnlichkeit ist schon vorhanden. Okay, du hast schmalere Lippen, deine Nasenspitze ist schmaler und die Haare blondiert. Aber die Gesichtszüge sind fast die gleichen.“

„Und das alles kannst du sagen, ohne mich auch nur einmal anzugucken?“

Erneut hielt Bastian sich kichernd die Hände vors Gesicht. Es war ihm total peinlich.

Lucas fand diese Reaktion ausnahmslos süß. „Hehe, knuffig.“

Nur langsam bekam Bastian sich wieder ein. „Auf jeden Fall, ähm, ich versuche es heute zu beenden.“

„Hast du es dabei?“, fragte Lucas neugierig.

„Ähm, nein.“

„Bringste es mit, wenn du es fertig hast?“

„Ja klar, kein Ding. Kannst es dann auch haben.“

„Was willst’n dafür?“

„Nichts natürlich.“

„Nichts?“

„Nein.“

„So wirklich gar nichts?“, fragte Lucas und rückte ein Stückchen näher an ihn heran, so, dass sich ihre Beine geringfügig berührten.

„Ähm, wie ich schon sagte“, meinte Bastian verlegen. „Nein.“

„Ich werde dir trotzdem was dafür geben.“

„Ach und was?“

„Lass dich überraschen.“

„Okay, und was wäre die Überraschung?“ Diese Frage hätte er sich eindeutig sparen können, wusste er sofort. Beide begannen zu lachen. „Entschuldige.“

Lucas kamen bereits die ersten Tränen vor Lachen. „Du bist echt verdammt knuffig, Mann.“ Nachdem er sich einigermaßen wieder unter Kontrolle hatte, legte er den Arm um Bastians Schultern. „Du willst dann also einen Beruf ausüben, wo du zeichnen musst.“

„Ähm, ja“, erwiderte Bastian kaum hörbar.

„Find ich cool, Mann. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass dir viele Pisser einzureden versuchen werden, dass du etwas Normales machen sollst.“

„Also für mich ist das normal.“

„Ja, für dich und für mich, aber für die Mehrheit nicht. Die werden verlangen, dass du wie alle anderen einen normalen Beruf ausüben sollst. Nach der Schule die Ausbildung, Job annehmen, ein paar Jahrzehnte durcharbeiten, so wie der Rest der Zombies, Rente beziehen, die viel zu niedrig sein wird, und dann abkacken.“

„Wow“, staunte Bastian ernüchtert, „das ist dann also das Leben. Schule, Job, Rente, Abkacken.“

„Yep. Und um allen anderen Menschen zu gefallen, ja nicht aus der Reihe tanzen“, warnte Lucas mit schwingendem Zeigefinger. „Vielleicht noch ein paar Kinder machen, Frau heiraten und im hohem Alter Sandaletten mit weißen Socken tragen.“

„Ey!“, beschwerte Bastian sich lächelnd. „Ich trage weiße Socken.“

„Ich ja auch“, erwiderte Lucas, der daraufhin den Arm von Bastians Schultern nahm und das Hosenbein ein Stückchen nach oben zog.

Warum dieser Anblick Bastian dermaßen unter die Haut ging, verstand er nicht. Es handelte sich schließlich nur um Socken und ein wenig behaarte Haut.

„Allerdings werde ich niemals Sandaletten tragen“, schwor Lucas.

„Ich auch nicht. Gott, finde, dass das voll bescheuert aussieht.“

„Wem sagst du das?“ Lucas legte den Arm um Bastians Schultern. „Sollte ich es dennoch tun, sei bitte so lieb und schlag mich.“

„Ich soll dich schlagen?“

„Nur, wenn ich es tue.“

„Du gehst also davon aus“, sinnierte Bastian, „dass wir uns auch noch in vierzig, fünfzig oder gar sechzig Jahren kennen werden, ja?“

Planlos zuckte Lucas die Achseln. „Joah, schon. Wieso denn nicht?“

„Weiß nicht. Bisher ist jeder immer aus meinem Leben verschwunden. Die angeblich besten Freunde, Nachbarn, alle irgendwie. Nur die Dummen nerven beständig.“

„Ja, wem sagst du es. Wobei, überleg mal. Wenn die alle jetzt noch in deinem Leben wären, wärste dann glücklicher?“

„Nein“, sagte Bastian, ohne nachzudenken. „Wobei, vielleicht. Ich weiß nicht.“

„Also ich für meinen Teil bin total froh darüber, dass all die Pisser aus meiner Vergangenheit das Weite gesucht haben. Wenn ich nur daran denke, mit was für Vollpfosten ich es schon zu tun gehabt habe.“ Darauf brauchte er eine Zigarette.

„Ja, wem sagst du es.“

„Die meisten älteren Herren tragen die Socken übrigens nur, weil sie Fußpilz haben und nicht auf die Sandaletten verzichten wollen.“

„Wirklich?“

„Yep. Wahrscheinlich denken sie, dass sie somit Luft an ihre Mauken lassen. Kein Plan, Mann.“

„Ich hasse Füße“, gestand Bastian.

„Echt jetzt?“

„Ja, die meisten zumindest. Die sehen immer so komisch aus.“

„Menschen, die schöne Hände haben, haben für gewöhnlich auch schöne Füße.“

„Echt?“, fragte Bastian verwundert und schielte keineswegs unauffällig auf Lucas‘ Hand.

„Wieso guckste denn jetzt auf meine?“ Lucas wurde es ein wenig unwohl.

„Sind schön.“

„Ach, sie sind also schön, ja?“

„Wie lange haben wir noch?“, wich Bastian gekonnt aus und zückte sein Handy.

Schwärmend betrachtete Lucas das Profil des Jungen, der es ihm gänzlich angetan hatte. „Du hast ’ne schöne Nase.“

„Willst du mich verarschen, Alter? Hab voll die komische Nase.“

„Laber nicht, Mann. Die ist schön.“

„Was willst du eigentlich nach der Schule machen?“, wich Bastian aufs Neue aus.

„Ich bastle gerne.“

„Du bastelst gerne?“ Das Lachen versuchte Bastian sich zu verkneifen.

„Ja, jetzt nicht so’n Scheiß. Eigentlich bastle ich auch gar nicht, ich modelliere.“

„Du modellierst?“

„Ja, Autos, Flugzeuge, Personen …“

„Ach, du meinst, du baust so Figuren und so?“

„Yep. Alles mit der Hand.“

„Klingt total schwierig.“

„Ist es auch. Man muss sich wirklich konzentrieren. Bin noch nicht perfekt, aber ich lerne, so oft es mir nur möglich ist.“

„Kann man damit denn Geld verdienen?“

„Ja schon, aber ist verdammt schwierig, da einen Job zu finden, Mann. Am besten macht man sich dann irgendwann mal selbstständig und bietet Figuren an, die sonst keiner in petto hat.“

„Kenne mich weder mit dem Modellieren noch mit der Selbständigkeit aus.“

„Kommt noch. Früher oder später wirst du dich eh mit der Selbständigkeit befassen.“

„Woher willst du das wissen?“

„Ich habe das so im Urin.“

„Du hast es im Urin?“, fragte Bastian belustigt.

„Yep, genau so schaut es aus.“

„Musst du etwa schon wieder?“

„N-nein, alles cool.“

„Dachte schon.“

„Ist aber so.“

„Wenn du das sagst.“

„Allerdings bezweifle ich, dass du hier etwas über die Selbständigkeit erfahren wirst.“

„Mich würde es wundern, wenn diese verkackte Schule mich überhaupt etwas lehren würde. Nun ja, abgesehen davon, wie man sich am besten beleidigen lässt.“

„Sieh es als eine Art Test“, sagte Lucas.

„Eine Art Test?“

„Yo. Hier lernst du, wie Arschlöcher ticken.“

„Und wo lerne ich, wie ich diese am besten wieder loswerde?“

„Dafür gibt es leider keine Schule.“

„Ja toll“, murrte Bastian mit beleidigter Miene.

„Versuch über diesem Scheiß zu stehen. Ich meine, guck mal …“

„Ich gucke“, unterbrach Bastian ihn und spitzte schmunzelnd die Lippen.

Lucas fühlte sich nahezu dazu verleitet, Bastian auszukitzeln, und ließ ihn das mit seinem Blick wissen.

„Okay, bin ja schon ruhig. Also, schieß los.“

„Diese Leute haben doch im Grunde nur ein Problem mit sich selbst, ein großes Problem, Mann. Ich meine, schau dir diese Pisser doch mal genauer an. Entweder sind sie hässlich und da gilt der Satz, dass Schönheit von innen kommt, nicht, oder sie sind selbst so und neidisch auf dich, weil du es nicht versteckst.“

„Selbst so?“, fragte Bastian, der immer noch die Befürchtung hatte, dass Lucas in Wirklichkeit auf Frauen stand.

„Yo.“

„Wie meinst du das? Wie, ich verstecke mich nicht?“

„Du weißt, was ich meine.“

„Um ehrlich zu sein, nein“, schwindelte Bastian. Lucas musterte ihn mit einer ulkigen Miene, die ihm zum Schmunzeln brachte. „Nein, wirklich nicht.“

„Du hast Bedenken, das kann ich verstehen. Nachdem dich jeder für das verurteilt hat, wer du bist. Es ist verständlich, dass du dich so reserviert verhältst. Selbstschutz. Würde es wahrscheinlich genau so machen.“

„Ich kann dir immer noch nicht folgen.“

„Bleib locker, Mann. Liebe ist Liebe. Ich mag nur diese Bezeichnungen nicht.“

„Welche Bezeichnungen?“

„Na, schwul, hetero. Es ist Liebe. Liebe braucht keine extra Bezeichnung. Was spielt es für eine Rolle, ob jemand jetzt das männliche Geschlecht oder gar das weibliche bevorzugt? Wobei ich Typen, die auf Frauen in Kleidern stehen, nicht ganz ernst nehmen kann. Im Grunde sind die doch irgendwie alle die Perversen. Finden es ekelig, wenn zwei Kerle sich küssen, lieben es aber, wenn das Weib in Stöckelschuhen herumarscht.“

„Herumarscht“, echote Bastian kichernd. Da sich, dank der Nähe zu Lucas, sein bestes Stück zu regen begann, beschloss er aufzustehen.

„Ist doch wahr. Frauen in engen Hosen, okay, können sexy sein, aber Kleider?“

„Du hast also eine große Abneigung gegen Kleider“, erkannte Bastian.

„Jein. Kommt drauf an, wer sie trägt. Ich meine, jeder soll das tragen, was er möchte, aber wenn ich da solche unförmigen Tussen in knappen Pants sehe, könnte ich manchmal vor Ekel anfangen zu kotzen. Natürlich sage ich nichts, weil es unhöflich der Person gegenüber wäre. Man kritisiert keinen Menschen aufgrund seines Aussehens oder wegen dem, was er trägt. Sicherlich kann man sich seinen Teil denken und mit vertrauten Personen auch über solche Gestalten lästern, aber man sollte Menschen niemals beleidigen. Egal weshalb. Es ist einfach nicht okay, weißt, wenn man Menschen bloßstellt.“

„Wie wahr, wie wahr.“

„Wenn ich dir jetzt zum Beispiel sage, dass Martina, ist ein Weib aus meiner Klasse, grottenhässlich ist, dann sage ich es dir, nicht ihr, verstehst?“

„Jupp.“

„Sie bekommt es nicht mit und ich gehe mal stark davon aus, dass du jetzt nicht zu dieser überschminkten und total fetten Tusse gehen wirst und ihr von meiner Lästerei erzählen wirst, richtig?“

„Wieso sollte ich?“

„Siehst du. Genau darin besteht der Unterschied zwischen denen und uns. Wir haben Anstand und lästern nur unter uns. Die Pisser hingegen beleidigen einen, weil sie keinen Anstand besitzen.“

„Was für lehrreiche Worte, und das am frühen Morgen.“

„Ja, sorry, Mann. Manchmal werde ich halt ein wenig ernster.“

„Gebe dir doch recht.“

„Danke“, sagte Lucas mit einem Lächeln. „Wenigstens einer.“

Einen Moment lang hielt Bastian inne, da er nicht wagte, die Frage zu stellen. „Redest du auch über mich?“

„Wie jetzt?“

„Mit anderen?“ Irgendwie war Bastian sich sicher, dass Lucas es tun würde.

„Doch so misstrauisch mir gegenüber, ja?“

„Sorry, ich wollt deine Gefühle jetzt nicht verletzen.“

„Schon okay, Mann. Kann dich ja verstehen. Aber du brauchst wirklich keine Angst haben, dass ich über dich rede.“

So gern Bastian ihn auch hatte, er glaubte es einfach nicht. Zu oft hatte er vertraut und war hinterher bitter enttäuscht worden.

„An deinem Gesichtsausdruck erkenne ich eindeutig, dass du mir noch nicht so vertraust, wie ich es mir wünsche.“

„Was? N-Nein. Alles gut.“

„Lügner.“ Lucas erhob sich und ging auf Bastian zu. Ganz nah blieb er vor ihm stehen.

Bastian war wie gelähmt, denn nur wenige Zentimeter trennten sie jetzt noch voneinander. Unwillkürlich stellte er sich die Frage, ob es sich gut anfühlen würde, wenn er sich in diese starken Arme fallen lassen würde. In Filmen schien dies immer so wohltuend zu sein.

„Hey“, flüsterte Lucas und fasste ihm sanft an die Wange.

Langsam blickte Bastian auf.

„Vertrau mir“, wünschte Lucas.

Die Zeit, sie schien für Bastian mit einem Mal stillzustehen – zumindest so lange, bis das Ertönen der Schulglocke ihn zurück in die Realität holte. „Ach du Scheiße! Wir sollten wohl ganz schnell …“, waren seine Worte, bevor er über den Gehweg fegte.

Lucas folgte ihm rasch zurück auf den Schulhof. Sie hasteten ins Gebäude. „Wir kommen immer zu spät“, sagte Lucas belustigt, als sie Bastians Klassenzimmer erreichten.

„Ja, irgendwie schon“, hechelte Bastian.

„Wir sehen uns dann nachher“, sagte er, während er näher an Bastian herantrat und ihm an die Hüften fasste.

Im ersten Moment dachte Bastian, dass Lucas ihm einen Kuss auf die Wange aufdrücken wollte.

„Um zu schwänzen“, flüsterte Lucas ihm ins Ohr, ehe er mit einem liebestollen Blick von Bastian abließ, sich auf die Unterlippe biss und davonging.

Bastian konnte das kichernde Geräusch nicht unterdrücken. Schamhaft hielt er sich die Hände vors Gesicht.

CHAOS

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