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Zweiter Band
XII
Der Abend eines Commissionärs

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Am Abend, zur genannten Stunde, hielt die Reisecaleche, durch den Stellmacher vollkommen in den Stand gesetzt, etwa fünfzig Schritte von der Barrière Croulebarbe.

Der Postillon, der mit verhängten Zügeln und zehn Minuten vor der verabredeten Stunde herbeigekommen war, glaubte Anfangs an eine Mystifikation, als er sah, daß die Personen, die ihn mit solcher Eile hatten kommen lassen, nicht nur sich nicht beim Rendez-vous fanden, sondern sogar nicht einmal Miene machten, zu erscheinen.

Nach einigen Minuten indessen, als er zwei junge Leute erblickte, welche mit raschen Schritten herbeikamen und Arm in Arm gingen, schwang sich der Postillon, der von seinem Pferde gestiegen war, wieder in den Sattel und hielt sich unbeweglich, ohne den Kopf zu drehen, wie ein Postillon von Stein.

Salvator und Justin näherten sich dem Wagen, Roland voran, der, so schnell sie auch marschierten, noch schneller als sie marschierte.

Salvator öffnete den Schlag, ließ den Fußtritt herunter und sagte zu Justin:

»Steigen Sie ein!«

Als er dieses einzige Wort hörte, wandte sich der Postillon um, als hätte er einen elektrischen Schlag gefühlt, und denjenigen, welcher es ausgesprochen, sehend und erkennend, wurde er scharlachroth vor Vergnügen.

Er nahm langsam seinen Hut ab und begrüßte Salvator mit einem freudigen und zugleich ehrerbietigen guten Morgen.

»Guten Morgen, mein Freund!« erwiderte lächelnd Salvator, indem er dem Postillon seine feine, aristokratische Hand reichte; »wie befindet sich Dein wackerer alter Vater?«

»Vortrefflich, Herr Salvator,« antwortete der Postillon; »und hätte er gewußt, Sie reisen, so würde er Sie trotz seiner sechsundsiebzig Jahre selbst geführt haben.«

»Es ist gut; ich werde ihn dieser Tage besuchen. Er wohnt immer noch in der Bastille?«

»Bei Gott!« erwiderte stolz der Postillon, »wer hat das Recht darin zu wohnen, wenn nicht er?«

»In der That, Das ist wahr,« sprach Salvator; »es ist doch das Wenigste, daß ein Eroberer den Platz bewohnt, den er erobert hat!«

Sodann hinter Justin einsteigend, der es sich schon im Wagen bequem gemacht hatte, fragte er seinen Hund:

»Willst Du einsteigen, Roland?«

Roland schüttelte den Kopf.

»Nein?« fuhr Salvator fort; »Du willst lieber zu Fuße gehen? . . . Geh’, Roland, vorwärts.«

»Welche Straße, Herr Salvator?« fragte der Postillon.

»Straße nach Fontainebleau . . . Stille! Du kennst mich nicht!«

»Ohne Ihnen Etwas zu befehlen, Herr Salvator, da ein Geheimniß darunter ist, können Sie einem Freunde sagen, wohin Sie gehen?«

»Dir, ja, mein kleiner Bernard . . . Ich gehe nach der Cour de France.«

»Und Sie werden dort anhalten?«

»Die ganze Nacht.«

»Es ist gut; Sie sollen nicht bespäht werden, das verspreche ich Ihnen.«

»Was willst Du damit sagen?«

»Nichts: das ist meine Sache, Herr Salvator, verlassen Sie sich auf mich! . . . Soll ich sehr rasch fahren?«

»Nein, Bernard, im gewöhnlichen Gange; wir brauchen nicht vor zehn Uhr bei der Cour de France zu sein.«

»Also in kurzem Trab . . . Ich möchte Sie indessen lieber nicht so fahren, Herr Salvator.«

»Und wie möchtest Du mich gern fahren, mein Junge?«

»Wie ich den Kaiser 1815 geführt habe: fünf Meilen in der Stunde.« Sodann leise:

»Sind Sie nicht unser Kaiser, Sie, Herr Salvator: wird man nicht, wenn Sie sagen: »»Zu den Waffen!«« die Waffen ergreifen? wird man nicht, wenn Sie sagen: »»Vorwärts!«« marschieren?«

»Nun wohl, Bernard! . . . « rief lachend Salvator.

»St! Stille! … Bah! sind die Freunde unserer Freunde nicht Freunde? Da dieser Herr mit Ihnen ist, so ist er es,« sagte Bernard.

Und er machte ein Maurerzeichen.

»Ja, mein Freund, ich bin es,« antwortete Justin, »Du hast Recht; und möchte ich da sein an dem Tage, wo man, wie Du vorhin sagtest, wird die Waffen ergreifen und marschieren müssen!«

»Sie sehen, Herr Salvator, Alles geht gut! wir haben nur noch zu singen:

Allons, enfant de la patrie!


Und das Nationallied singend, trieb der Postillon seine Pferde durch einen Peitschenhieb zum Aufbruche an.

Der Wagen ging ab einen Staubwirbel aufwühlend, der, durch die letzten Feuer des Tages vergoldet, ihm eine unbestimmte Ähnlichkeit mit dem vom Himmel aus die Erde herabsteigenden Sonnenwagen verlieh.

Wir werden nicht die Plauderei der zwei Freunde während der Dunkelheit, die sich stufenweise um sie her verdichtete, berichten. Wie man leicht begreift, war es die Hoffnung, welche der Hauptgegenstand des Gespräches wurde. Noch vier Stunden, noch drei, noch zwei, und man würde den Gipfel jener menschlichen Glückseligkeiten berühren, die man seit so langer Zeit durch dichte Wolken und schwarzen Nebel erschaute.

Madame Corby und Schwester Céleste waren entzückt gewesen von dem Ereignisse, das sich vorbereitete; das waren zwei gläubige Herzen, welche wohl hofften, Gott werde Justin in der Stunde der Gefahr nicht verlassen. Die Trennung, welche nothwendig war, konnte nur momentan sein, und man würde sich am Herde der Familie wiedervereinigt finden, um sich nie mehr zu verlassen.

Alles stand also auf das Beste, und bei dieser Veränderung der Lage sah Niemand etwas Anderes als die unaussprechlichen Verheißungen und die höchsten Freuden.

Man hielt in Villejuis so lange an, als man brauchte, um die Pferde zu wechseln.

Salvator neigte sich aus dem Schlage und schaute auf seine Uhr: es war halb zehn.

Nach Verlauf einer Stunde erblickte man das Profil der Fontainen der Cour-de-France, oder, nennen wir sie mit ihrem wahren Namen, der Fontainen von Juvisy, prunkhafte Fontainen, geschmückt mit Trophäen und Genien auf einem Piedestal, wahre Typen der Architektur von Ludwig XV. um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

Der Postillon hielt an, stieg vom Pferde und öffnete den Schlag.

»Wir sind da, Herr Salvator,« sagte er.

»Wie! Du bist es, Bernard?«

»Ja, ich bin es!«

»Du hast zwei Posten gemacht?«

Salvator

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