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Erster Band
I
Steeple-Chase

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Am 27. März geriet die kleine Stadt Kehl, – wenn man überhaupt Kehl eine Stadt nennen kann, – die Stadt Kehl, sagen wir, gerieth in Aufruhr durch die Ankunft den zwei Postchaisen, welche die einzige Straße der Stadt mit einer solchen Geschwindigkeit hinabfuhren, daß man befürchten konnte, in dem Augenblicke, wo sie auf die Schiffbrücke gelangen, die nach Frankreich führt, werde das geringste Verfehlen der Richtung Pferde, Postillons, Postchaisen und Reisende in den Fluß mit den poetischen Legenden werfen, der Frankreich im Osten als Grenze dient.

Die zwei Postchaisen, welche an Schnelligkeit zu wetteifern schienen, hemmten indessen den Gang bei zwei Dritteln der Straße, und hielten am Ende der dem Thore eines Gasthauses an, über dem ein blechenes Schild knarrte, darstellend einen Mann mit einem dreieckigen Hute auf dem Kopfe, mit langen Stiefeln an den Beinen, bekleidet mit einem blauen Rocke mit rothen Revers, geschmückt mit einem Riesenzopfe, unter dessen bespornten Füßen man die drei Worte: Zum großen Friedrich, lesen konnte.

Der Wirth und seine Frau, die bei dein donnerartigen Lärmen, den in der Ferne die Räder der zwei Wagen machten, auf ihre Thürschwelle gelaufen waren und durch die Geschwindigkeit der Wagen die Hoffnung verloren hatten, Reisende zu beherbergen, welche mit solcher Sturmeseile fuhren, – der Wirth und seine Frau, als sie zu ihrer unaussprechlichen Freude die zwei Postchaisen vor ihrem Hause anhalten sahen, stürzten, der Wirth an den Schlag des ersten Wagens, die Wirthin an den Schlag des zweiten.

Aus dem ersten Wagen stieg rasch ein Mann von etwa fünfzig Jahren, angethan mit einem bis ans Kinn zugeknöpften blauen Ueberrocke, mit schwarzen Beinkleidern und einen breitkrämpigen Hut auf dem Kopfe. Er hatte einen steifen Schnurrbart, ein festes Auge, eine wohlgebogene Braue, bürstenförmig geschnittene Haare: die, Braue war schwarz wie das Auge, die sie beschattete, aber Haare und Schnurrbart fingen an zu ergrauen.

Aus dem zweiten Wagen stieg mit Würde ein majestätischer, kräftig gebauter Bursche aus, so weit man ihn unter seiner Polonaise mit goldenen Schnüren und Borten und unter seinem ungarischen Mantel, oder, um den wahren Namen seines Kleides zu sagen, unter seiner mit Stickereien überladenen Guba, in die er vom Kopfe bis zu den Füßen gehüllt war, beurtheilen konnte.

Sah man diesen reichen Pelz, die Leichtigkeit, mit der er getragen wurde, die männliche Miene von demjenigen, welcher ihn trug, so hätte man gewettet, der Reisende sei ein edler walachischer Hospodar, der den Jassy oder Bucharest komme , oder wenigstens ein reicher Magyar, der von Pesth komme und sich nach Frankreich begebe, um eine diplomatische Note ratifizieren zu lassen. Doch den edlen Fremden von nahe betrachtend, hätte man alsbald gesehen, die Wette sei verloren; denn trotz des dicken Backenbarts, der sein Gesicht umrahmte, trotz des aufgestutzten Schnurrbarts, den er mit einer affektierten Sorglosigkeit hakenförmig drehte, würde man sehr rasch unter diesem aristokratischen Anscheine Merkmale der Gemeinheit erkannt haben, die den Unbekannten vom fürstlichen oder aristokratischen Range, den man ihm beim ersten Anblicke gewährt, zu dem eines Intendanten von vornehmem Hause oder eines Officiers dritten Ranges erniedrigt hätten.

Und, in der That, wie der Leser ohne Zweifel schon Herrn Sarranti in dem aus dem ersten Wagen aussteigenden Reisenden erkannt hat, ebenso hat er, wir sind hiervon überzeugt, Meister Gibassier in dem erkannt, welcher aus dem zweiten Wagen ausstieg.

Man erinnert sich, daß Herr Jackal, der mit Carmagnole nach Wien abreiste, Gibassier beauftragt hatte, Herrn Sarranti in Kehl zu erwarten. Gibassier hatte sich vier Tage im Gasthanse zur Post breit gemacht; am Abend des fünften hatte er sodann am Horizont Carmagnole erscheinen sehen, welcher als Courier durchreiste und im Vorübergehen ihn, im Auftrage von Herrn Jackal, benachrichtigte, da Herr Sarranti am Morgen des 26. ankommen müsse, so habe er, Gibassier, sich nach Steinbach zu begeben, wo er im Gasthofe zur Sonne eine Postchaise, die ihn erwarte, und in dieser Postchaise alle zur Ausführung der Befehle, die er erhalten, nothwendigen Verkleidungen finden werde.

Diese Befehle waren sehr einfach, aber darum, weil sie einfach, nicht leichter ausführbar: sie bestanden darin, daß er Herrn Sarranti nicht aus dem Gesichte verlieren, sich auf der ganzen Reise wie sein Schatten an ihn anhängen und in Paris angekommen sich beharrlich ihm anschließen solltet und Alles dies so geschickt, daß Herr Sarranti keinen Verdacht schöpfen könnte.

Herr Jackal Verließ sich auf die wohlbekannte Gewandtheit von Gibassier, was die Veränderung seines Costume und seines Gesichtes betraf.

Gibassier reiste auf der Stelle nach Steinbach ab, fand das Gasthaus, in dem Gasthofe den Wagen und in dem Wagen eine ganze Auswahl von Trachten, unter denen er als die wärmste für die Reise die wählte, mit der wir ihn in dem Augenblicke, wo er wieder vor uns erschienen ist, aufgeputzt gesehen haben.

Doch zu seinem großen Erstaunen verging der Tag des 26. und ein Theil der Nacht folgte, ohne daß er einen Reisenden ankommen sah, dessen Signalement mit dem, welches man ihm gegeben, übereinstimmte.

Endlich, gegen zwei Uhr Morgens, hörte er das Klatschen einer Peitsche und das Klingen von Schellen. Er ließ anspannen, blieb nur so lange, als er

brauchte, um sich zu versichern, der durch das doppelte Geräusch angekündigte Fremde sei wirklich Herr Sarranti, und fast sicher, er habe seinen Mann, befahl er dem Postillon, in gewöhnlichem Train abzufahren.

Zehn Minuten nachher ging Herr Sarranti, der nur die erforderliche Zeit, um die Pferde zu wechseln und eine Tasse Fleischbrühe zu sich zu nehmen, geblieben war, ebenfalls wieder ab und eilte dem nach, der ihm zu folgen beauftragt war.

Was Gibassier vorhergesehe, geschah. Zwei Stunden von Steinbach hatte ihn Herr Sarranti schon eingeholt; da aber nach den Reglements der Post kein Reisender dem Andern ohne die Erlaubnis von diesem vorfahren soll, weil er auf der nächsten Station die einzigen Pferde des Stalles nehmen könnte, so folgten sich die zwei Wagen eine Zeit lang, ohne daß der zweite dem ersten vorzufahren wagte. Ungeduldig, ließ Herr Sarranti endlich Gibassier um Erlaubnis hierzu bitten. Die Erlaubnis wurde mit einer Artigkeit gegeben, welche Herrn Sarranti bewog, selbst aus seinem Wagen zu steigen, um dem ungarischen Edelmanne zu danken; nachdem dies geschehen war, grüßte man sich Von beiden Seiten, Herr Sarranti stieg wieder in seinen Wagen und fuhr, durch die Erlaubnis begünstigt, wie der Wind weiter.

Gibassier folgte ihm, doch diesmal, indem er dem Postillon einschärfte, welchen Train auch Herr Sarranti fahren möge, ebenso zu fahren.

Der Postillon gehorchte, und wir haben die zwei Postchaisen in starkem Galopp in die Stadt Kehl einfahren und vor dem Gasthause zum Großen Friedrich anhalten sehen.

Nachdem sie sich höflich, jedoch ohne ein Wort auszutauschen, gegrüßt hatten, traten beide Reisende in das Wirthshaus ein, gelangten in das Speisezimmer, setzten sich Jeder an einen Tisch, und verlangten zu frühstücken, Herr Sarranti in vortrefflichem Französisch , Gibassier mit einem unverkennbaren deutschen Accente.

Immer stillschweigend, kostete Gibassier verächtlich von allen Schüsseln, die man ihm vorsetzte, und als er seine Rechnung bezahlt hatte und sah, daß Herr Sarranti aufstand, stand er auch auf und kehrte langsam und in der Stille zu seinem Wagen zurück.

Die zwei Postchaisen setzten sodann ihren zügellosen Lauf wieder fort, wobei der Wagen von Herrn Sarranti immer dem von Gibassier voranfuhr, jedoch nur um etwa zwanzig Schritte.

In dem Augenblicke, wo man gegen Abend in Nancy ankam, hatte der Postillon von Herrn Sarranti, der es, als erster Brautführer von einem seiner Vettern, sehr unangenehm gefunden hatte, seinen Schmaus wegen einer Station von elf Lieues, hin und zurück, verlassen zu müssen, der Postillon von Herrn Sarranti, durch seinen Kameraden davon unterrichtet, sein Reisender wünsche schnell zu fahren und bezahle gut, hatte seine Pferde einen rasenden Galopp laufen lassen, durch den er gute anderthalb Stunden an den zwei Posten gewonnen haben würde und zu rechter Zeit zurückgekommen wäre, um den Ball zu eröffnen, hätten nicht in dem Momente, wo man am Abend in Nancy ankam, Pferde, Postillon und Wagen auf einem jähen Abhange einen so entsetzlichen Purzelbaum gemacht, daß ein Schmerzensschrei der Brust des empfindsamen Gibassier entschlüpfte , der aus seiner Postchaise hinzueilte um Herrn Sarranti Hilfe zu leisten.

Gibassier handelte so zu Befreiung seines Gewissens, denn nach dem Purzelbäume, den er den Wagen halte machen sehen, war er der Ueberzeugung, der Reisende, den derselbe enthielt, bedürfe mehr der Tröstungen eines Priesters, als des Beistandes eines Reisegefährten.

Zu seinem großen Erstaunen fand er Herrn Sarranti frisch und gesund, und selbst der Postillon hatte nur eine Schulter ausgerenkt und einen Fuß verstaucht. Hatte aber die Vorsehung, als eine gute Mutter, was sie war, die Menschen bewahrt, so hatte sie dagegen ihre Genugthuung an den Thieren und am Wagen genommen; eines von den Pferden blieb auf der Stelle todt, das andere schien den Schenkel gebrochen zu haben. Eine von den Achsen des Wagens war gebrochen, und eine ganze Seite des Kastens, die, auf welche man umgeworfen hatte, war völlig zerbröckelt.

Man konnte also im Ernste nicht daran denken, sich wieder auf den Weg zu begeben.

Herr Sarranti stieß einige Fläche aus, die keinen Charakter von englischer Geduld offenbarten. Er mußte indessen seinen Entschluß fassen, was er ohne Zweifel zu thun im Begriffe war, hätte nicht der Magyar Gibassier in einer halb französischen, halb deutschen Sprache, die aber in Wirklichkeit weder das Eine, noch das Andere war, seinem unglücklichen Reisegefährten einen Platz in seinem Wagen angeboten.

Das Anerbieten kam so gelegen und schien so sehr von gutem Herzen gemacht zu sein, daß Herr Sarranti es ohne Bedenken annahm.

Man brachte das Gepäcke aus dem ersten Wagen in den zweiten, man versprach dem Postillon, ihm Hilfe von Nancy zu schicken, wovon man nur noch eine Stunde entfernt war, und man fuhr mit derselben Geschwindigkeit weiter.

Nachdem die ersten Artigkeiten ausgetauscht waren, vermied Gibassier, der keine Gewißheit hatte, er spreche das reine Deutsch, und befürchtete, Herr Sarranti, obgleich Corse kenne dieses Idiom gründlich, Gibassier, sagen wir, vermied sorgfältig jede Frage und beschränkte sich darauf, daß er die artigen Worte seines Gefährten mit Ja und Nein erwiderte, deren Accent sich immer mehr der französischen Sprache näherte.

Man kam nach Nancy; man hielt im Hotel du Grand-Stanislas an, das zugleich das Posthaus ist.

Herr Sarranti stieg aus, wiederholte seine Danksagungen gegen den Magyaren, und wollte sich zurückziehen.

»Sie haben Unrecht, mein Herr,« sagte Gibassier; »Sie schienen mir Eile zu haben, nach Paris zu kommen: Ihr Wagen wird vor morgen nicht wieder hergestellt sein, und Sie verlieren einen Tag.«

»Das wäre mir um so ärgerlicher,« erwiderte Sarranti, »als mir derselbe Unfall schon bei meiner Abfahrt von Regensburg widerfahren ist, und ich dabei vierundzwanzig Stunden verloren habe.«

Gibassier erklärte sich nun erst den Vorzug, der ihn in Steinbach so sehr beunruhigt hatte.

»Doch,« fuhr Herr Sarranti fort, »ich werde nicht warten, bis mein Wagen wieder-hergestellt ist, sondern einen andern kaufen.«

Und er gab in der That dem Postmeister Befehl, ihm einen Wagen zu kaufen, – was für einer es auch wäre, Calèche, Coupé, Landau oder sogar Cabriolet, – mit dem er seine Reise auf der Stelle fortsetzen könnte.

Gibassier dachte, so rasch auch der Wagen gefunden wäre, hätte er doch wohl Zeit, zu Mittag zu speisen, während sein Reisegefährte ihn untersuchen, um den Preis handeln würde und seine Bagage darauf packen ließe. Er hatte seit Morgens um acht Uhr nichts zu sich genommen, und obschon sein Magen im äußersten Falle an Genügsamkeit mit dem eines Kamels zu rivalisieren vermochte, ließ gerade, weil dieser Fall eintreten konnte, der kluge Gibassier, nie, wenn sie sich hat« die Gelegenheit , sich zu verproviantieren, ungenutzt vorübergehen.

Ohne Zweifel hielt es Heer Sarranti seinerseits für geeignet, dieselben Vorsichtenmßregeln zu nehmen, wie der würdige Magyar, denn Beide setzten sich, wie sie es am Morgen gethan, jeder an einen andern Tisch, klingelten, Inn den Kellner zu rufen, und sprachen mit einer Betonung, welche eine lobenswerthe Einhelligkeit der Meinungen andeutete, nur die drei Worte:

»Kellner, ein Mittagsbrod!«

Salvator

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