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Erster Band
V
Das zweite Gesicht
ОглавлениеHerr Jackal bezeichnete Gibassier mit der Hand einen Stuhl.
Dieser Stuhl stand ihm gegenüber, auf der andern Seite des Tisches.
Während er ihm den Stuhl bezeichnete, winkte er ihm, sich zu setzen; Gibassier aber, dem daran lag, Herrn Jackal zu zeigen, die Gesetze der Höflichkeit seien ihm nicht fremd, sagte:
»Erlauben Sie mir vor Allem, lieber Herr Jackal, Ihnen zu Ihrer Rückkehr nach Paris Glück zu wünschen.«
»Empfangen Sie von meiner Seite dieselben Glückwünsche zu demselben Gegenstande,« antwortete artiger Weise Herr Jackal.
»Gern will ich glauben, daß Ihre Reise glücklich abgelaufen ist.«
»Aeußerst glücklich, lieber Herr Gibassier; doch ich bitte, lassen wir die Complimente ruhen: machen Sie es wie ich, setzen Sie sich.«
Gibassier setzte sich.
»Nehmen Sie eine Cotelette.«
Gibassier stach in eine Cotelette.
»Reichen Sie Ihr Glas.«
Gibassier reichte sein Glas.
»So,« sagte Herr Jackal, »nun essen Sie, trinken Sie und hören Sie.«
»Ich bin ganz Ohr,« erwiderte Gibassier, indeß er mit kräftigen Zähnen in seine Cotelette biß.
»Sie haben also,« fuhr Herr Jackal fort, »Sie haben durch die Eselei dieses Agenten Ihren Mann aus dem Blicke verloren, lieber Herr Gibassier?«
»Ach!« antwortete Gibassier, indem er den entblößten Knochen seiner Cotelette auf einen Teller legte, »Sie sehen mich hierüber in Verzweiflung! . . . Mit einer Mission von dieser Wichtigkeit betraut sein, sie zu seinem Ruhme, – man darf das Wort wohl sagen, – vollführen und im Hafen scheitern!«
»Das ist Unglück.«
»Lebte ich hundert Jahre, ich würde es mir nicht verzeihen.« sagte Gibassier.
Und er machte eine Geberde der Verzweiflung.
»Nun wohl,« sprach Herr Jackal nachdem er ein Glas Bordeaux geschlürft und seine Zunge hatte schnalzen lassen, »ich werde nachsichtiger sein, ich werde Ihnen verzeihen.«
»Nein, nein, Herr Jackal, nein, ich nehme Ihre Verzeihung nicht an,« rief Gibassier; »ich habe mich benommen wie eine Auster; kurz gesagt, ich bin noch dümmer gewesen als der Agent.«
»Was wollten Sie gegen ihn thun, mein lieber, Herr Gibassier! Mir scheint, es gibt ein auf diesen Gegenstand passendes Sprichwort: »»Gegen die Gewalt . . . ««
»Ich mußte ihn mit einem Faustschlage zurichten und Herrn Sarranti nachlaufen.«
»Sie hätten nicht zwei Schritte gemacht, ohne von den Agenten von der Wache verhaftet zu werden.«
»Ho!« machte Gibassier, drohend wie Ajax den Göttern mit der Faust.
»Ich wiederhole aber« daß ich Ihnen verzeihe!« sagte Herr Jackal.
»Verzeihen Sie mir,« sprach Gibassier, auf die ausdrucksvolle Pantomime, der er sich überließ, verzichtend, »so haben Sie ein Mittel, unsern Mann wiederzufinden Sie werden mir erlauben, unser Mann zu sagen, nicht wahr?«
»Ah! nicht schlecht!« erwiderte Herr Jackal, entzückt über diese Probe von Verstand, die ihm Gibassier dadurch gegeben, daß er errathen hatte, wenn er nicht unruhig sei, so habe er keinen Grund, es zu sein. »Nicht schlecht! und ich ermächtige Sie, mein lieber Gibassier, und wäre es nur, um Sie zu belohnen, Herrn Sarranti unsern Mann zu nennen; denn er gehört am Ende eben so sehr Ihnen, der Sie ihn verloren, nachdem Sie ihn entdeckt hatten, als mir, der ich ihn wiedergefunden, nachdem Sie ihn verloren hatten.«
»Das ist nicht möglich,« sagte Gibassier erstaunt.
»Was ist nicht möglichst«
»Daß Sie ihn wiedergefunden haben.«
»Es ist dennoch so.«
»Wie kann das sein? es ist kaum eine Viertelstunde, daß ich ihn verloren habe.«
»Und es sind kaum fünf Minuten, daß ich ihn wiedergefunden habe.«
»So halten Sie ihn also in Ihren Händen?«
»Oh! nein; Sie wissen, daß wir auf eine ganz besondere Art mit ihm verfahren müssen. Ich werde ihn haben, oder Sie werden ihn vielmehr haben . . . Nur verlieren Sie ihn nicht, denn ich könnte ihn schicklicher Weise nicht anschlagen lassen.«
Es war auch die Hoffnung von Gibassier, ihn wiederzufinden. Es war am Tage vorher in der Rue des Postes zwischen den vier Verschwornen und Herrn Sarranti Rendez-vous in der Himmelfahrts-Kirche verabredet worden; Herr Sarranti konnte aber einen Zweifel fassen und sich nicht in diese Kirche begeben. Überdies wollte Gibassier nicht das Ansehen haben, er besitze zum Voraus dieses Merkzeichen.
Er war also entschlossen, auf Rechnung seines Genies das Wiederentdecken von Herrn Sarranti zu setzen.
»Und wie werde ich ihn wiederfinden?« fragte Gibassier.
Indem Sie seine Spur verfolgen.«
»Ich habe sie aber verloren . . . «
»Gibassier« es gibt keine verlorene Spur bei einem Jäger wie ich und einem Leithunde wie Sie.«
»Dann,« sprach Gibassier, überzeugt, Herr Jackal prahle und wolle ihn auf das Aeußerste treiben, »dann ist kein Augenblick zu verlieren.«
Und er stand auf, als wollte er Herrn Sarranti nachlaufen.
»Im Namen Seiner Majestät, der Sie die Krone zu retten die Ehre haben, danke ich Ihnen für, diesen edlen Eifer, lieber Herr Gibassier,« sagte Herr Jackal.
»Ich bin der demüthigste« aber der ergebenste Unterthan Seiner Majestät,« erwiderte Gibassier, indem er sich mit Bescheidenheit verbeugte.
»Gut!« sprach Herr Jackal; »und seien Sie überzeugt, daß Ihre Ergebenheit belohnt werden wird. Die Könige sind es nicht, die man des Undanks beschuldigen kann.«
»Nein, es sind die Völker,« erwiderte Gibassier, philosophisch die Augen zum Himmel aufschlagend.
»Ah! . . . «
»Bravo!«
»In jedem Falle, lieber Herr Jackal, abgesehen vom Undanke der Könige und von der Dankbarkeit der Völker, lassen Sie mich Ihnen sagen, daß ich ganz zu Ihrer Verfügung bin.«
»Sie werden mir wohl die Freundschaft erweisen, einen Flügel von diesem Huhne zu essen.«
»Wenn er uns aber entkommt, während wir von diesem Flügel essen werden?«
»Er entkommt uns nicht; er wartet auf uns.«
»Wo dies ?«
»In der Kirche.«
Gibassier schaute Herrn Jackal mit wachsendem Erstaunen an. Wie war Herr Jackal über diesen Punkt beinahe so gut unterrichtet als er?
Gleichviel, er beschloß zu sehen, wie weit das Wissen vom Herrn Jackal gehe.
»In der Kirche!« rief er. »Ich hätte es vermuthen müssen.«
»Und warum dies?« fragte Herr Jackal
»Weil ein Mann« der mit dieser Blitzesschnelligkeit auf den Landstraßen fährt, keine andere Entschuldigung hat, als er eile zu seinem Seelenheile.«
»Immer besser, lieber Herr Gibassier,« sagte der Polizeichef. »Ich sehe, Sie sind ein wenig Beobachter, und ich wünsche Ihnen Glück hierzu, weil es fortan Ihr Geschäft sein wird, zu beobachten. Ich wiederhole Ihnen also, in der Kirche werden Sie Ihren Mann finden.«
Gibassier wollte sehen, ob Herr Jackal bis ans Ende unterrichtet sei.
»In welcher Kirche?« fragte er in der Hoffnung, eine schwache Seite bei ihm zu finden.
»In der Himmelfahrts-Kirche,« antwortete einfach Herr Jackal.
Gibassier ging von einem Erstaunen zum andern über.
»Sie kennen wohl die Himmelfahrts-Kirche?« sagte Herr Jackal, als er sah, daß Gibassier nicht antwortete.«
»Bei Gott!« erwiderte Gibassier.
»Doch vom Hörensagen, ohne Zweifel, denn ich glaube nicht, daß Sie ein Mann von sehr inbrünstiger Frömmigkeit sind.«
»Ich habe meinen Glauben wie Jedermann.« antwortete Gibassier, indem er seine Augen gottselig zum Himmel aufschlug.
»Es wäre mir nicht unangenehm, hierüber erbaut zu werden,« sagte Herr Jackal« während er Gibassier den Kaffee einschenkte, »und hätten wir einige Augenblicke mehr, so würde ich Sie gern bitten, mir Ihr theologisches System auseinanderzusetzen. Wir haben, wie Sie wissen, große Theologen in der Rue de Jerusalem. Die Gewohnheit des Klosterlebens mußte Sie zur Meditation führen. Es wäre mir also, fehlte es uns nicht an Zeit, ein wahres Vergnügen, Sie eine These über diesen Gegenstand behaupten zu sehen. Leider rückt die Stunde vor, und wir haben wahrhaftig heute keine Muße. Doch Sie geben mir Ihr Wort, daß die Partie nur aufgeschoben ist.«
Gibassier hörte mit den Augen blinzelnd und schlürfte dabei seinen Kaffee.
»Sie werden also Ihren Mann in der Himmelfahrts-Kirche treffen,« fuhr Herr Jackal fort.
»In der Frühmette, in der Complete oder in der Vesper?« fragte Gibassier, »mit einem unbeschreiblichen Ausdrücke von Bosheit und Naivität.
»Zur Stunde der großen Messe.«
»Gegen halb zwölf Uhr also?«
»Seien Sie um halb zwölf Uhr dort, wenn Sie wollen; doch unser Mann wird kaum vor Mittag kommen.«
Das war in der That die verabredete Stunde.
»Es ist elf Uhr!« rief Gibassier auf die Pendeluhr schauend.
»Warten Sie doch, Sie Ungeduldiger! Sie werden sich wohl Zeit lassen, Ihr Gloria zu sprechen!«
Und er goß ein Gläschen Liqueur in die Tasse von Gibassier.
»Gloria in excelsis!« sprach Gibassier, indem er die Tasse mit beiden Händen aufhob, wie wenn er ein Rauchfaß aufgehoben hätte.
Herr Jackal neigte das Haupt wie ein Mann, der überzeugt ist, er verdiene diese Ehre.
»Lassen Sie mich Ihnen nun Eins sagen,« sprach Gibassier, »was nichts Ihrem Verdienste benimmt, vor dem ich mich verbeuge und dem ich volle Ehre widerfahren lasse.«
»Nun?«
»Ich wußte Alles dies wie Sie.«
»Ah! wahrhaftig!«
»Ja, und ich habe es auf folgende Art erfahren.«
Alsdann erzählte Gibassier Herrn Jackal die ganze Geschichte der Rue des Postes, wie er sich für einen Assiliirten ausgegeben, wie er in das Haus eingetreten, wie verabredet worden sei, daß man sich am Mittag in der Himmelfahrts-Kirche einfinden sollte . Herr Jackal hörte mit einer Aufmerksamkeit, welche eine stumme Huldigung für den Scharfsinn von Gibassier war.
»Sie glauben also,« sagte er, als Gibassier geendigt hatte, »Sie glauben, es werden viele Menschen bei dieser Beerdigung sein?«
»Wenigstens hunderttausend Personen.«
»Und in der Kirche ?«
»Alles, was sie fassen kann: wenigstens zwei- bis dreitausend Individuen.«
»Es wird nicht leicht sein, Ihren Mann unter einer solchen Menge zu finden, mein lieber Gibassier.«
»Gut! das Evangelium sagt: »»Suche, und Du wirst finden.««
»Nein, ich will Ihnen die Mühe ersparen, zu suchen.«
»Sie?«
»Ja, auf den Schlag zwölf Uhr werden Sie ihn an den dritten Pfeiler, links vom Eingange in die Kirche, angelehnt und mit einem Dominicanermönche sprechend finden.
Die Gabe des doppelten Gesichtes war diesmal Herrn Jackal so reichlich gewährt, daß Gibassier sich verneigte, ohne etwas zu sagen, und gebeugt unter einer solchen Ueberlegenheit seinen Hut nahm und abging.