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Zweiter Theil
III.
Der Jahrmarkt zu Montaigu

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Die im westlichen Frankreich herrschende Gährung fand die Regierung nicht unvorbereitet; ein Aufstand, der ein so weit ausgedehntes Gebiet umfaßte, eine Verschwörung, welche so viele Theilnehmer bedingte, konnte nicht lange geheim bleiben.

Lange vor dem Erscheinen der Herzogin von Berry an der Südküste wußte man in Paris, daß eine Erhebung vorbereitet wurde; es wurden rasche, kräftige Maßregeln beschlossen, sobald ermittelt wurde, daß die Prinzessin ihren Weg in die westlichen Provinzen genommen. Diese Maßregeln brauchten nur noch in Ausführung gebracht und zuverlässige, gewandte Männer damit beauftragt werden.

Die Départements, deren Erhebung man fürchtete, waren in eben so viele Militärbezirke getheilt worden, als Unterpräfecturen vorhanden waren. Jeder dieser Bezirke, unter dem Befehle eines Bataillonschefs, war der Mittelpunkt mehrer, unter Capitänen stehenden Cantonnirungen, welche wieder noch kleinere Truppenabtheilungen unter dem Befehle von Lieutenants so weit die Communicationsmittel es gestatteten, in das Innere des Landes entsendeten.

In Montaigu lag eine Compagnie des 32. Linienregimentes.

An dem Tage, wo die eben erzählten Vorgänge statt fanden, war diese Besatzung durch zwei von Nantes beorderte Brigaden Gendarmerie und etwa zwanzig Mann Cavallerie verstärkt worden.

Die Cavallerie bildete die Escorte eines Generals, der von Nantes aus eine Inspectionsreise unternahm.

Als der General Dermoncourt, ein eben so intelligenter als entschlossener Offizier, die Besatzung von Montaigu inspicirt hatte, hielt er es für angemessen, »seine alten Freunde, die Vendéer,« die er in so dichten Reihen auf dem Marktplatze und in den Straßen von Montaigu gesehen, ebenfalls zu inspiciren.

Er legte seine Uniform ab und begab sich in Civilkleidern in Begleitung eines Beamten unter die Menge.

Die Stimmung der Bevölkerung war finster und trotzig, aber ruhig. Man machte den beiden Herren Platz, und obgleich die martialische Haltung des alten Generals die Verkleidung ziemlich überflüssig machte, so fand doch nicht die mindeste feindselige Kundgebung statt.

»Ich sehe wohl,« sagte der General, »meine alten Freunde, die Vendéer, haben sich nicht geändert, und ich finde sie eben so verschlossen wie vor achtunddreißig Jahren.«

»Diese Gleichgültigkeit scheint mir ein gutes Zeichens,« erwiderte der Beamte mit wichtiger Miene. »Die beiden Monate, die ich in Paris zugebracht, haben mir Gelegenheit gegeben, die sich fast täglich wiederholenden Emeuten zu beobachten, und ich glaube versichern zu können, daß sich ein Volk, welches einen Aufstand vorbereitet, ganz anders benimmt. Sehen Sie nur, Herr General, man sieht fast keine Gruppen, kein Fanatiker redet das Volk an, Alles ist ruhig. Die Leute denken nur an ihre Geschäfte, ich stehe Ihnen dafür, daß nichts zu fürchten ist.«

»Sie haben Recht, ich bin ganz Ihrer Meinung, die Leute denken nur an ihre Geschäfte; diese aber bieten die beste Gelegenheit, Kugeln und Waffen im Kleinen zu kaufen, um sie bei uns sobald als möglich wieder an den Mann zu bringen.«

»GIauben Sie?«

»Ich glaube es nicht, ich weiß es gewiß. Wenn das religiöse Element zum Glück für uns bei dieser neuen Schilderhebung nicht fehlte und mich vermuthen ließe, daß sie nicht allgemein ist, so würde ich Ihnen dreist antworten, dass jeder dieser Leute in Kitteln und Holzschuhen seinen Posten, seinen Rang, seine Nummer in einem der Bataillone hat, die von den Edelleuten errichtet werden.

»Wie! die Bettler auch?«

»Ja, die Bettler vor Allen. Dieser Krieg hat das Eigenthümliche, daß wir einen Feind zu bekämpfen haben, der überall und nirgends ist. Man sucht ihn und findet nur einen Bauer, der den Hut zieht, einen Bettler, der die Hand ausstreckt, einen Hausirer, der seine Waare feilbietet, einen Musikanten, der seiner Trompete ohrenzerreißende Töne entlockt, einen Quacksalber, der seine Pillen und Latwergen anpreist, einen Hirtenknaben der ganz freundlich und unbefangen lacht, ein Weib, das vor der Thür sitzt und einen Säugling auf dem Schooße hält, einen Busch, der ganz harmlos am Wege steht. Alle diese Bauern, Hirten, Bettler, Musikanten, Quacksalber, Weiber, Hausirer sind Feinde, selbst der Busch am Wege ist ein Feind. Einige kriechen zwischen den Farnkräutern und Wachholderstauden fort und verfolgen uns wie unser Schatten, um uns zu beobachten und bei dem mindesten verdächtigen Manöver ihre Freunde zu warnen, ehe wir diese erreicht haben. Andere holen aus einem Graben, unter Gestrüpp aus einer Furche eine lange rostige Flinte hervor, und verfolgen uns, wie Jene, bis sie auf Schußweite herankommen können. Sie sind sehr geizig mit ihrem Pulver. Der Busch schickt uns eine bleierne Pille zu, und wenn er einmal fehlt, wenn wir den Busch durchsuchen, so finden wir nichts als – einen Busch, nämlich Zweige, Dornen und Blätter. Das sind die stillen harmlosen Landleute in der Vendée.«

»Uebertreiben Sie nicht etwas, Herr General?« sagte der Civilbeamte, ungläubig lächelnd.

»Wir können ja selbst die Probe machen, Herr Unterpräfect. Wir sind hier mitten unter einer ganz friedlichen Menge, wir haben nur Freunde, Franzosen, Landsleute unter uns: lassen Sie einmal einen Einzigen von ihnen verhaften.«

»Was würde dann geschehen?«

»Das will ich Ihnen sagen. Irgend einer von ihnen, z.B. jener Bursch dort in der weißen Jacke, vielleicht jener Bettler, der auf der Thürschwelle sitzt und seinen Brotkuchen verzehrt, ist vielleicht ein Bandenführer; er würde ein Zeichen geben und ein paar Dutzend Knittel würden über unseren Köpfen geschwenkt werden, und ehe uns meine Escorte zu Hilfe kommen könnte, wären wir zusammengedroschen wie zwei Garben. Sie scheinen noch zu zweifeln; wollen Sie einen, Versuch machen?«

»O nein, ich glaube Ihnen, Herr General,« erwiderte der Unterpräfect hastig, »ich bin kein Freund von solchen Späßen. Jetzt, da Sie mich über die Stimmung des Landes unterrichtet haben, kommen mir alle diese Gesichter verdächtig vor —«

»O! es sind sehr brave Leute; man muß sie nur zu behandeln wissen, und leider ist dies nicht allen denen, die man hierherschickt, gegeben,« sagte der General spöttisch lächelnd. »Wollen Sie ein Pröbchen von der Redeweise dieser Leute haben? Sie sind vermuthlich Advocat gewesen; ich wette, daß unter Ihren Collegen kaum einer ist, der so geschickt und beredt schweigen kann. Höret, Freund,« rief der General einen Bauer an, der einen Brotkuchen in der Hand trug, »sagt mir doch, wo man die so appetitlich aussehenden Brotkuchen verkauft.«

»Die Brotkuchen werden nicht verkauft, sondern verschenkt,« war die Antwort.

»Wirklich? ich möchte auch einen haben.«

»Es ist sonderbar,« sagte der Präfect, »daß man so gute Brotkuchen, die man theuer verkaufen könnte, unentgeltlich vertheilt.«

»Ja, es ist ausfallend; aber eben so sehr wundert’s mich, daß der Erste, der uns in den Wurf kommt, nicht nur unsere Fragen beantwortet, sondern auch denen, die wir noch an ihn richten könnten, entgegenkommt. – Zeiget mir doch eure Brotkuchen, Freund.«

Der General nahm den Brotkuchen, den ihm der Bauer überreichte, genau in Augenschein.

Es war ein gewöhnlicher Kuchen von Mehl und Milch, in welchen man vor dem Backen ein Kreuz und vier Querstriche eingeschnitten hatte.

»Fürwahr, ein hübsches Geschenk!« sagte der General: »es verbindet das Angenehme mit dem Nützlichen. Diese kleine Zeichnung muß ein Rebus seyn. Wer hat Euch diesen Kuchen geschenkt?«

»Man hat mir ihn nicht geschenkt, man traut mir nicht.«

»Aha! Ihr seyd ein Patriot!«

»Ich bin Maire meiner Gemeinde und halte es mit der Regierung.

»Ich sah, wie ein Frauenzimmer solche Kuchen unter den Burschen von Machecoul vertheilte, ohne daß diese welche verlangten und etwas dafür zahlten. Da verlangte ich einen zu kaufen und sie mochte mir’s nicht abschlagen. Ich nahm zwei; ich verzehrte einen, und den andern nahm ich mit.«

»Wollt Ihr mir ihn überlassen, Freund? Ich sammle Rebus, und dieser gefällt mir.«

»Ich kann ihn verschenken oder verkaufen, wie Sie wollen.«

»Aha! ich glaube Dich zu verstehen,« sagte der General, indem er den Bauer aufmerksamer betrachtete, »Du kannst mir diese Zeichen erklären?«

»Vielleicht, auf jeden Fall aber andere Auskunft geben, die nicht zu verachten ist.«

»Aber Du willst dafür bezahlt werden?«

»Das versteht sich!« antwortete der Bauer keck.

»So dienst Du also der Regierung, die Dich zum Maire gemacht hat?«

»Die Regierung hat kein Ziegeldach auf meine Meierei gelegt, sie hat keine steinernen Wände aufgemauert; die Gebäude sind mit Stroh gedeckt, aus Holz und Lehm erbaut; sie gerathen leicht in Brand und es bleibt nichts als die Asche zurück. Wer viel wagt, muß viel gewinnen; denn es kann Alles in einer Nacht verbrennen.«

»Ihr habt Recht. – Die Sache gehört in Ihren Wirkungskreis, Herr Unterpräfect. Ich bin nur Soldat, und die Waare muß bei der Ablieferung bezahlt werden; bezahlen Sie also und liefern Sie sie mir.«

»Beeilen Sie sich,« sagte der Bauer, »denn wir werden von allen Seiten beobachtet.«

Die Bauern hatten sich wirklich allmälig genähert, dem Anschein nach blos aus Neugierde, welche durch die Anwesenheit von Fremden ganz gerechtfertigt schien.

Der General bemerkte es.

»Ich will Ihnen nicht zumuthen,« sagte er zu dem Unterpräfecten, »den Worten dieses Mannes unbedingt zu glauben. Er verkauft Ihnen zwei Säcke Hafer zu hundert neun Francs den Sack; es fragt sich jetzt, ob er sie Ihnen liefern wird; geben Sie ihm ein Aufgeld und lassen Sie sich eine schriftliche Zusicherung geben.«

»Ich habe weder Papier, noch Bleistift bei mir,« entgegnete der Unterpräfect, der die Absicht des Generals merkte.

»So gehen Sie in den Gasthof!« sagte der General. »Hat sonst noch Jemand Hafer zu verkaufen? Wir haben viele Pferde zu füttern.«

Ein Bauer antwortete bejahend, und während der General mit ihm über den Preis unterhandelte, konnte sich der Unterpräfect mit dem Andern entfernen, ohne allzu großes Aufsehen zu machen.

Der Bauer mit dem Brotkuchen – unsere Leser haben es bereits errathen – war kein Anderer als Courtin.

Wir wollen sehen, was er seit dem frühen Morgen gethan hatte.

Nach der Unterredung mit seinem jungen Herrn hatte er sich lange besonnen. Eine einfache Anzeige schien ihm nicht vortheilhaft genug: die Regierung würde den Dienst eines untergeordneten Beamten vielleicht unbelohnt lassen. Es war ein sehr gewagter Schritt, denn Courtin würde dadurch die im Canton so zahlreichen Royalisten aufs Aeußerste erbittert haben.

Er hatte nun das Plänchen ausgedacht, welches er dem Waldhüter Oullier mitgetheilt. Er hoffte als Heirathsvermittler das Wohlwollen des Marquis von Souday zu erwerben, welchem wie er glaubte, eine solche Heirath sehr willkommen seyn müsse. Der Marquis, meinte er, werde ein Stillschweigen, welches einen für die royalistische Partei so theuern Kopf rette, gewiß sehr theuer bezahlen.

Wir haben gesehen, wie Jean Oullier den Antrag Courtin‘s aufgenommen hatte. Das vermeinte glänzende Geschäft war vereitelt, und Courtin war, um wenigstens ein kleines Geschäft zu machen, wieder auf die Seite der Regierung getreten.

Die Zwillingsschwestern von Machecoul

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