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Erster Theil
VII.
Monsieur Michel

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Der junge Mann glaubte aus einem Traume zu erwachen, als die beiden Mädchen verschwunden waren.

Er befand sich in jener Lebensepoche, wo selbst die, welche später einst, praktische Menschen zu werden berufen sind, der Romantik ihren Tribut bezahlen. Dieses Zusammentreffen mit zwei Mädchen, die von allen ihm bisher bekannten so verschieden waren, versetzte ihn in eine phantastische Welt, in welcher seine Phantasie freien Spielraum hatte, um Feenschlösser zu bauen, welche auf beiden Seiten des Weges zusammenstürzen, wenn wir im Leben weiter vorrücken.

Wir wollen damit nicht sagen, daß er eine der beiden Amazonen liebte, aber er war begierig, ihre nähere Bekanntschaft zu machen, denn diese Mischung von Schönheit, Eleganz und Ungezwungenheit machte einen ungewöhnlichen Eindruck auf ihn.

Er nahm sich daher vor, sie wieder aufzusuchen, oder sich wenigstens zu erkundigen, wer sie waren.

Der Zufall schien seine Neugierde sogleich befriedigen zu wollen, denn als er sich nach Hause begab, begegnete ihm etwa fünfhundert Schritte von dem Hohlwege ein Mann mit hohen ledernen Kamaschen, dunkelgrauer Blouse, Büchse, Waldhorn und Peitsche.

Der Mann ging schnell und schien sehr übler Laune. Es war offenbar ein Rüdenknecht von der Hetzjagd, der die beiden Mädchen folgten.

Der Verwundete redete ihn mit der größten Freundlichkeit an.

»Mein Freund,« sagte er, »Ihr sucht wahrscheinlich zwei junge Damen, von denen die eine einen Braunen und die andere eine Fuchsstute reitet?«

»Ich bin Ihr Freund nicht, mein Herr, denn ich kenne Sie nicht,« antwortete der Andere sehr unfreundlich, »ich suche auch nicht zwei junge Damen, sondern meine Hunde, die ein Einfaltspinsel von einer Wolfsfährte abgelenkt, und auf einen Hasen gehetzt hat. Der Gimpel hätte etwas Besseres thun können, als den Hasen – zu fühlen!«

Der junge Nimrod biß sich in die Lippen.

Der Mann in der Blouse, in welchem die Leser bereits; Jean Oullier erkannt haben werden, fuhr fort:

»Ja, ich habe es drüben auf der Höhe gesehen; ich hätte das Schußgeld, das mir der Herr Marquis überläßt, gern im Stich gelassen, wenn ich dem Töpel auf zwei oder drei Peitschenlängen nahe gewesen wäre.«

Der Andere hielt es nicht für angemessen, die in dieser Scene sich selbst zugedachte Rolle in Anspruch zu nehmen; er griff aus dein ganzen Gerede nur ein Wort auf, alles Uebrige; ließ er unbeachtet.

»So! Ihr gehört dem Herrn Marquis von Souday?« sagte er.

Jean Oullier sah den unwillkommenen Frager mit einem finsteren Blicke an.

»Ich gehöre mir selbst,« antwortete der alte Vendéer;, »ich führe nur die Hunde des Herrn Marquis von Souday, und zwar eben sowohl zu meinem als zu seinem Vergnügen.«

»Ich bin doch schon sechs Monate zu Hause,« sagte der junge Mann, wie mit sich selbst redend, »und habe nie gehört, daß der Herr Marquis verheirathet ist.«

»Nun, dann sage ich’s Ihnen, mein lieber Herr,« fiel, ihm Jean Oullier ins Wort, »und wenn Sie etwas darauf zu antworten haben, so werde ich Ihnen noch etwas Anderes sagen. Verstehen Sie mich?«

Jean Oullier brach das Gespräch mit diesen drohenden Worten ab, und ohne sich um das Erstaunen des Andern zu kümmern, ging er rasch auf dem Wege nach Machecoul fort.

Der junge Mann ging weiter.

Auf dem Felde fand er einen Bauer hinter dem Pflug.

Dieser Bauer, ein Mann von etwa vierzig Jahren, unterschied sich von seinen Landsleuten durch ein schlaues, lauerndes Gesicht, das den Bewohnern der Normandie eigen ist. Er schien beständig darauf bedacht zu seyn, das Feuer seiner funkelnden Augen durch unaufhörliches Blinzeln zu mildern und durch den Anschein der Dummheit, oder wenigstens der Gutmüthigkeit das Vertrauen Anderer zu gewinnen. Aber sein pfiffig lächelnder Mund vereitelte diese Bemühungen der Augen.

Der Bauer ließ sich in seiner Arbeit durchaus nicht stören, obschon der junge Mann gerade auf ihn zukam, und erst am Ende der Furche schien er geneigt, seine Pferde ruhen zu lassen und ein Gespräch anzuknüpfen.

»Nun, haben wir gejagt, Monsieur Michel?« sagte er in fast vertraulichem Tone.

Der junge Mann nahm, ohne zu antworten, seine Waidtasche von der Schulter und ließ sie vor den Füßen des Landmannes fallen.

Dieser bemerkte durch das dicke, netzartige Geflecht den Balg eines Hasen.

»Also doch etwas geschossen?« sagte er, zog den Hasen aus der Waidtasche und betastete ihn mit einer Kennermiene.

»Der ist seine drei Francs zehn Sous unter Brüdern werth,« setzte er hinzu. »Sie haben einen prächtigen Schuß gethan, Monsieur Michel. Sie werden es unterhaltender gefunden haben, als über den Büchern zu sitzen, wie vor einer Stunde.«

»Nein, Courtin,« antwortete der junge Mann, »meine Bücher sind mir doch noch lieber als eure Flinte.«

»Sie haben vielleicht Recht, Monsieur Michel,« erwiderte Courtin, über dessen Gesicht eine Wolke der Unzufriedenheit zog, »wenn Ihr seliger Vater eben so gedacht hätte, so wär’s vielleicht besser für ihn gewesen. Aber wenn ich die Mittel hätte, wenn ich kein armer Teufel wäre, der täglich zwölf Stunden arbeiten muß, so würde ich meine Nächte besser verleben, als auf der Jagd.«

»Ihr geht also noch immer auf den Anstand?«

»Ja, zuweilen, um mich zu zerstreuen.«

»Ihr werdet mit den Gendarmen zu thun bekommen.«

»Bah! die Gendarmen sind Faulenzer, sie stehen nicht früh genug auf, um mich auf dem Anstande zu finden,« erwiderte Courtin mit dem vollen Ausdrücke der Schlauheit, den er seinem Gesichte gewöhnlich zu geben suchte. »Ich gebe allen sogenannten klugen Leuten etwas aufzurathen. Es ist nur ein Courtin hier in Canton. Wenn man mich zum Waldhüter machte, wie Jean Oullier, würde ich nicht mehr auf den Anstand gehen: dies wäre das einzige Mittel.«

Aber Monsieur Michel gab auf diesen verblümten Antrag keine Antwort: er wußte ja nicht einmal, wer Jean Oullier war.

»Hier ist eure Flinte, Courtin,« sagte er, indem er dem Bauer das Gewehr reichte, »ich danke Euch, es ist nicht eure Schuld, wenn ich auf der Jagd nicht so viel Vergnügen finde, wie Andere.«

»Müssen’s noch versuchen, Monsieur Michel, werden schon Geschmack daran finden. Die besten Hunde sind die, welche erst spät ihr Talent zeigen. Es gibt Feinschmecker, die dreißig Dutzend Austern zum Frühstücke essen und mit zwanzig Jahren nicht einmal Austern sehen mochten. Gehen Sie nur, wie diesen Morgen, mit einem Buche in der Hand fort; die Frau Baronin wird nichts merken. Meine Flinte steht Ihnen immer zu Diensten, und wenn’s nicht zu viel Arbeit gibt, so will ich Ihnen das Wild zutreiben.«

Courtin schob nun die Flinte in die Hecke, welche sein Feld von dem Nachbarfelde trennte, versteckte sie im Grase und richtete die Zweige wieder auf so daß sie den Blicken der Vorübergehenden entzogen wurde.

»Courtin,« sagte Michel mit dem Tone der größten Gleichgültigkeit, »habt Ihr gewußt, daß der Marquis von Souday verheirathet ist?«

»Nein, wahrhaftig nicht, ich habe es nicht gewußt,« antwortete der Bauer.

»Und daß er zwei Töchter hat?« fragte Jener weiter.

Courtin, der noch mit der Hecke zu thun hatte, hob rasch den Kopf und sah den jungen Mann so forschend an, daß dieser bis über die Ohren erröthete.

»Sind Ihnen etwa die Wölfinnen begegnet?« fragte Courtin. »Ich habe das Horn des alten Chouan gehört.«

»Wen meint Ihr mit den Wölfinnen?« fragte Michel.

»Die unehelichen Töchter des Marquis – wen denn sonst?«

»Diese beiden Mädchen nennt Ihr Wölfinnen

»Man pflegt sie in der ganzen Gegend so zu nennen; aber Sie sind erst vor Kurzem von Paris gekommen und können es nicht wissen.«

Die Grobheit, mit welcher Courtin von den beiden Mädchen sprach, setzte den jungen Mann so in Verlegenheit, daß er, ohne zu wissen warum, mit einer Lüge antwortete.

»Nein,« sagte er, »sie sind mir nicht begegnet.«

Courtin bemerkte seine Verlegenheit; er glaubte ihm nicht.

»Ich hätte es Ihnen wohl gewünscht,« sagte er, »denn es sind zwei hübsche Mädchen. Sie sollen zwar ein Bisschen allzu lustig seyn; aber die Jugend muß doch ihr Vergnügen haben, nicht wahr, Monsieur Michel?«

Der junge Mann wurde sehr verstimmt über die empörende Nachsicht, mit welcher der plumpe Bauer von den beiden reizenden Amazonen sprach. Er verhehlte seinen Verdruß nicht.

Courtin bezweifelte nun nicht mehr, daß Michel die »Wölfinnen«, wie er sie nannte, gesehen hatte, und dieses Läugnen führte ihn zu Vermuthungen, die keineswegs gegründet waren. Er wußte, daß der Marquis von Souday vor wenigen Stunden in der Nähe von La Logerie gewesen war, und es schien ihm mehr als wahrscheinlich, daß Bertha und Mary, die auf der Jagd immer bei ihrem Vater zu seyn pflegten, dem jungen Wilddiebe begegnet waren. Vielleicht hatte Michel sogar mit ihnen gesprochen, und nach der Meinung, die man von den Töchtern des Marquis hatte, konnte eine Unterredung mit ihnen nur der Anfang einer Intrigue seyn.

Courtin war Pächter des jungen Gutsherrn, aber das Feld, welches er bebaute, war für ihn Nebensache, er wollte ihm näher stehen, sich unentbehrlich machen, und zu diesem Zwecke bot der schlaue Bauer alle möglichen Mittel auf.

Es war ihm nicht gelungen, seinen jungen Herrn zum leidenschaftlichen Jäger zu machen und dadurch mit seiner Mutter zu entzweien. Jetzt bot sich ihm eine andere Gelegenheit, der Vertraute Michels zu werden und dadurch sein eigenes Interesse zu fördern. Er sah ein, daß er unklug gehandelt hatte, von den beiden Amazonen mit Geringschätzung zu sprechen, und suchte mit der ihm eigenen Schlauheit und Gewandtheit das verlorene Terrain wieder zu gewinnen.

»Uebrigens,« fuhr er mit scheinbarer Gutmüthigkeit fort, »kann man nicht Alles glauben, was die Leute von Fräulein Bertha und Fräulein Mary sagen —«

»Mary und Bertha heißen sie?« fragte der junge Mann, ihm hastig ins Wort fallend.

»Ja; Fräulein Bertha ist die Brünette, Fräulein Mary die Blondine.«

Er glaubte zu bemerken, daß der junge Gutsherr etwas erröthete, als der Name Mary genannt wurde.

»Die beiden Fräulein,« setzte Courtin hinzu, »jagen und reiten gern. Aber man kann deshalb doch ehrbar und tugendhaft seyn. Der selige Pfarrer in Benate war ein leidenschaftlicher Jäger, aber trotzdem las er schöne Messen.«

»Es ist wahr,« erwiderte Michel, der seine erste Aussage ganz vergessen hatte, »es ist wahr, sie scheinen recht gut und liebenswürdig zu seyn – insbesondere Fräulein Mary.«

»Ja, sie sind sehr gut, Monsieur Michel. Als im vorigen Sommer das Sumpffieber ausgebrochen war und alle Aerzte und Bader, ja sogar die Thierärzte Reißaus genommen hatten – wer hat da die Kranken gepflegt und ihnen Arzneien gebracht? Die beiden Fräulein von Souday! Und sie thun’s nicht, um damit zu prahlen; nein, sie gehen insgeheim zu den armen Leuten, sie säen Almosen und ernten Segenswünsche. Die reichen Leute mögen sie immerhin hassen, die Vornehmen sie verachten, aber man kann dreist behaupten, daß sie von den Armen verehrt werden.«

»Woher kommt es denn, daß sie so gehaßt und verachtet werden?«

»Das weiß kein Mensch zu sagen; man folgt ja gemeiniglich nur der blinden Leidenschaft und nicht der Vernunft. Die menschliche Gesellschaft ist wie ein Schwarm Vögel: wenn einer darunter krank ist und piept, so fallen sie alle über ihn her und reißen ihm die Federn aus. Und gerade die Leute ihres Standes wenden sich von ihnen ab und werfen den ersten Stein auf sie. Ihre Mama, zum Beispiel, ist sehr gut, Monsieur Michel; aber ich wette, sie würde von den beiden Fräulein eben so schlecht sprechen, wie andere Leute, wenn die Rede darauf käme.«

Aber ungeachtet des veränderten Tones, den Courtin anstimmte, schien der junge Gutsherr nicht geneigt, sich in ein trauliches Gespräch einzulassen Courtin war seinerseits der Meinung, daß er der gehofften Annäherung genügend den Weg gebahnt. Er begleitete den jungen Herrn bis an das Ende seines Feldes.

Und während er schweigend neben ihm her ging, bemerkte er, daß die Blicke des jungen Gutsherrn sehr oft nach dem Walde von Machecoul hinüberschweiften.

Die Zwillingsschwestern von Machecoul

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