Читать книгу Über den "tatsächlichen Zusammenhang" im Bankrottstrafrecht - Alexandra Windsberger - Страница 17

II. Der „tatsächliche Zusammenhang“ in der Interpretation durch die konkursstrafrechtliche Rechtsprechung

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Die konkursstrafrechtliche Rechtsprechung hatte Konstellationen zu entscheiden, in denen eine Bestrafung der Schuldner nach Ansicht der Senate „unangemessen“ erschien.[74] Nach § 210 KO[75] bzw. § 240 KO[76] genügte, wie oben erwähnt, der Verstoß gegen handelsrechtliche Pflichten oder die Teilnahme am Glücksspiel zu irgendeinem Zeitpunkt im Vorfeld des Konkurses, um den Täter mit „Zuchthaus oder Gefängnis“ zu bestrafen. Die Offenheit der gesetzlichen Fassung führte dazu, dass sowohl Tathandlungen, die dem Konkurs vorangingen, als auch solche, die ihm nachfolgten, Gegenstand der Bestrafung waren. Daneben bezogen sich manche der normierten Handlungen auf den Bestand des schuldnerischen Vermögens (zum Beispiel § 209/210 Nr. 1 KO, der Verbrauch übermäßiger Summen) und andere (Buchführungs- und Bilanzierungspflichtverstöße) lediglich darauf, die Übersicht über das schuldnerische Vermögen zu verdunkeln. Auch die Art und Weise des wirtschaftlichen Zusammenbruchs konnte divergieren (Zahlungseinstellung oder Verfahrenseröffnung). Die zum „tatsächlichen Zusammenhang“ ergangene Rechtsprechung des RG wirkt angesichts dieser vielfältigen denkbaren Sachverhaltskonstellationen auf den ersten Blick überaus konfus. Für den Zusammenhang zwischen Handlung und Konkurs stellte das RG auf verschiedene, völlig unterschiedliche Kriterien ab, aus denen sich nur schwer eine Konkretisierung ableiten lässt. Die Beschreibung der „Beziehung“ beschränkte sich auf vage Begrifflichkeiten und Füllwörter. Nach Ansicht des RG waren beispielsweise folgende Zusammenhänge erforderlich:

ein zeitliches Zusammentreffen beider Merkmale“[77],
ein Zusammentreffen Beider in dem Sinne, dass Zahlungseinstellung/Konkurseröffnung einerseits, die vom Gesetz bezeichneten Handlungen andererseits, tatsächlich nebeneinander vorliegen“[78],
eine tatsächliche Beziehung beider Tatsachen zueinander “[79],
„ein sachlicher Zusammenhang in dem Sinne, dass dieselben Gläubiger sowohl durch die Bankrotthandlung benachteiligt, als auch durch die Zahlungseinstellung betroffen sind“[80],
„ein rein äußerlicher Zusammenhang in dem Sinne, dass dieselben Gläubiger sowohl durch die Bankrotthandlung benachteiligt, wie auch von der Zahlungseinstellung betroffen werden.“[81]

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Diese unter dem Begriff des „tatsächlichen Zusammenhangs“ postulierten Beziehungen wurden hierbei weder dogmatisch abgesichert, noch wurde eine Funktion innerhalb des Unrechtstatbestandes benannt. Die objektive Erforderlichkeit eines solchen „tatsächlichen Zusammenhangs“ wurde an keiner Stelle in Frage gestellt. Im Hinblick auf die konkrete Beschaffenheit der geforderten „Beziehung“ wurden Begrifflichkeiten wie „zeitlich“, „äußerlich“, „sachlich“ und „tatsächlich“ verwendet und je nach Konstellation beliebig ausgetauscht. Die Ausführungen zum „Zusammenhang“ unterlagen insgesamt einer Einzelfallkasuistik und enthielten keinen Konsens, wozu der Zusammenhang diente und welche Rahmenbedingungen im Allgemeinen erfüllt sein mussten, damit die geforderte Beziehung bejaht werden konnte. Im Folgenden muss daher der zugrundeliegende sachliche Kontext näher untersucht werden, um im Anschluss die Funktion des Zusammenhangs zu bestimmen. Hierfür ist es zunächst notwendig die Fälle, in denen das RG ein solches „Korrektiv“ für erforderlich hielt, nach Fallgruppen zu kategorisieren. Diese Fallgruppen unterscheiden sich zunächst nach der Art der Bankrotthandlung und nach der zeitlichen Reihenfolge zwischen Vornahme der Handlung und Eintritt des Konkurses. Die verschiedenen Fallkonstellationen, in denen der „tatsächliche Zusammenhang“ Erwähnung fand, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

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1.) Fallgruppe 1: Fälle der § 209 Nr. 3, § 210 Nr. 2 und § 210 Nr. 3 KO, in denen es um ein Unterlassen der Buchführungs- oder Bilanzierungspflicht ging (sog. „Buchdelikte“). Hierbei unterließ es der Täter, entweder insgesamt in einem bestimmten Zeitraum seine Bücher zu führen oder Bilanzen zu ziehen oder führte sie zeitweise so unzureichend, unvollständig oder fehlerhaft, dass in einem bestimmten Rechnungsjahr kein hinreichender Überblick über die Vermögenssituation des Schuldners gewährt werden konnte. Problematisch hierbei war der Umstand, dass der Täter seine Pflicht noch vor Eintritt der Zahlungseinstellung/Konkurseröffnung nachholte oder seinen Fehler behob. Im Endeffekt gewährten daher die Bücher im Zeitpunkt des Konkurses wieder eine ordnungsgemäße Übersicht, weshalb die Gläubiger sich die notwendige Kenntnis über die Vermögenslage ihres Schuldners im Zeitpunkt des Konkurses beschaffen konnten. Bestraft wurde ein Buchführungs- oder Bilanzierungspflichtverstoß, der im Zeitpunkt des Konkurses behoben war und keine nachteiligen Auswirkungen für die Verfahrensbeteiligten mehr hatte. Eine strikte Subsumtion unter die Norm ermöglichte es, einen Schuldner zu bestrafen, der gegen handelsrechtliche Vorschriften verstieß, diesen Verstoß vor Eintritt des Konkurses heilte und irgendwann unverschuldet in Konkurs geriet.
2.) Fallgruppe 2: Daneben gab es Fälle, in denen die Bankrotthandlung erst nach dem Ende eines Konkursverfahrens vorgenommen wurde. In der Regel ging es um die Vernichtung der Handelsbücher nach vollständig beendetem Konkursverfahren § 209 Nr. 4, § 210 Nr. 2, 2. Var. KO. Diese Konstellation unterlag nach dem Wortlaut der Norm einer Bestrafung: Auch nach Abschluss des Verfahrens ist der Täter ein Schuldner „über dessen Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist “. Die Wahl des Präteritums ermöglichte es, auch nach vollständig beendetem Verfahren vorgenommene Bankrotthandlungen als tatbestandsmäßig zu erfassen. Fraglich hierbei war, ob und inwieweit eine Bankrotthandlung nach beendetem Konkursverfahren und damit nach (wenn auch nur quotaler) Befriedigung der Gläubiger noch strafrechtlich relevant sein konnte.
3.) Fallgruppe 3: Daneben ging es um Fälle, in denen der Täter eine „bestandsbezogene“ Bankrotthandlung vornahm, also Teile seines Vermögens beiseiteschaffte und unbestimmte Zeit danach meist unverschuldet in Konkurs geriet. Hierbei war fraglich, unter welchen Voraussetzungen der vorherige Zugriff auf das eigene Vermögen im Zeitpunkt des Konkurses strafbedürftig ist.
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