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Kapitel 6

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Die Sicherheitsvorkehrungen in Selenas Appartement waren mit denen in Langley oder bei der NSA vergleichbar. Und sie benötigte sie. An den Wänden hingen genug rare Kunstwerke, um ein privates Museum damit zu eröffnen. Sie hatte von ihrem Onkel ein Vermögen geerbt. Seine Ermordung hatte sie zu Project geführt. Nie hätte sie sich träumen lassen, einmal für Harker zu arbeiten.

Eines der Dinge, die Nick an ihr mochte, war, wie wenig überheblich sie sich verhielt. Selena protzte nicht mit ihrem Geld herum und ihr haftete auch keine falsch empfundene Überlegenheit wegen ihres Wohlstandes an.

Er saß am Küchentresen und sah ihr beim Kochen zu. Sie bewegte sich mit der Geschmeidigkeit, die von zwanzig Jahren Martial-Arts-Training perfektioniert worden war. Ihr rotblondes Haar verriet ihre keltische Herkunft. Ihre Augen waren manchmal blau, manchmal von einem tiefdunklen Violett. Und sie besaß ein interessantes Gesicht. Einer ihrer Wangenknochen stand ein wenig höher als der andere. Gutaussehend war der Begriff, der den meisten Leuten in den Sinn kam, wenn sie sie sahen. Auf ihrer Oberlippe befand sich ein kleines dunkles Muttermal, ein Schönheitsfleck.

Selena verfügte über viele Fertigkeiten, aber kochen gehörte nicht dazu. Gerade versuchte sie sich an einem Rezept für Bœuf Stroganoff. Auf dem Herd köchelte ein Topf mit Nudeln.

»Brauchst du Hilfe?«

Nick versuchte, sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Selenas letzte beiden Versuche, ein Abendessen zuzubereiten, waren nicht gut ausgegangen. Meistens gingen sie zum Essen aus oder Nick bereitete etwas zu.

»Nein, alles bestens. Wie ist dein Drink?«

»Gut.« Er nahm einen Schluck von seinem Whiskey. Schaum quoll aus dem Topf, als die Nudeln überkochten, und ergoss sich über den Herd.

»Verdammt!« Sie drehte die Herdplatte ab.

»Halb so wild.«

Sie nahm die Nudeln vom Herd und kippte sie in ein Sieb im Waschbecken. Die Hälfte der Nudeln blieb im Sieb kleben. Sie kratzte sie heraus, gab das Fleisch dazu und brachte alles zu dem Tresen in der Mitte der Küche. Dieser war bereits mit Tellern, Servietten und Besteck gedeckt. Außerdem hatte sie eine Rose in einer Vase dazugestellt, Wasser in Kristallgläsern und eine große Schüssel mit griechischem Salat.

Nick beäugte das Stroganoff. »Was sind diese schwarzen Dinger?«

»Oliven. Ich hatte keine Essiggurken.«

Er nahm einen Bissen. Das Fleisch war wie Leder. Seine Augen tränten. »Etwas scharf.« Beide griffen nach dem Wasser. »Wie viel Pfeffer hast du denn genommen?«

»Einen Teelöffel voll. Du magst es ja gern scharf, also gab ich noch etwas mehr dazu.«

»Ein Teelöffel.« Ausgeschlossen, dachte er. »Nicht übel«, log er und nahm einen weiteren Schluck Wasser.

»Es schmeckt furchtbar. Verdammt.« Sie schob ihren Teller von sich.

»Spitzenkoch wird man nicht über Nacht. Der Wein ist gut.« Er beugte sich zu ihr und küsste sie. »Und du schmeckst auch gut. Nach gepfeffertem Wein.«

»Du schmeckst nach Whiskey und ranziger saurer Sahne.«

»Essen wir eben nur den Salat.«

Nachdem sie damit fertig waren, setzten sie sich auf die lange Couch, von der aus man die Lichter der Stadt überblicken konnte. In der Ferne sah man die weiß leuchtende Kuppel des Kapitols.

»Ich wünschte, es könnte immer so sein«, sagte sie.

»Na ja, zumindest jetzt ist es so.«

»Aber für wie lange? Irgendetwas wird passieren. Tut es immer. Wir wissen noch nicht, wer es auf uns abgesehen hatte.«

»Nein, aber wir werden es herausfinden.«

»Glaubst du, sie versuchen es wieder?«

»Ja.«

»Wie können wir sie aufhalten?«

»Sie werden einen Fehler begehen. Früher oder später macht jeder Fehler. Alles, was wir brauchen, ist eine Spur. Dieser werden wir folgen, mehr herausfinden, und immer so weiter. Die Spur wird uns irgendwohin führen. Und dann werden wir die Bedrohung eliminieren.«

»Wir wissen aber nicht, was für eine Bedrohung das sein könnte.«

Er nahm seinen Drink zur Hand und starrte in den bernsteinfarben schimmernden Whiskey. Dann stellte er ihn wieder ab.

»Wir finden es heraus«, sagte er noch einmal. Dann wechselte er das Thema. »Vermisst du deinen alten Job?«

Selena besaß eine einzigartige Begabung für alte und unbekannte Sprachen. Auf diesem Gebiet hatte sie sich einen weltweiten Ruf erarbeitet.

»Manchmal. Meistens nicht. Nach dem vergangenen Jahr könnte ich nie wieder in mein altes Leben zurückkehren. Nicht einmal bei all den Nachteilen, die es mit sich bringt, für Elizabeth zu arbeiten.« Sie starrte in ihr Weinglas. »Denkst du manchmal darüber nach, auszusteigen? Etwas anderes zu tun?«

»Ja, manchmal. Aber es dürfte schwer werden, ein normales Leben zu führen. Was immer das sein mag.«

»Manche Dinge ändern sich nicht, ob nun in einem normalen Leben oder nicht.«

»Was meinst du damit?«

Sie stellte ihr Glas ab und küsste ihn. Ein langer Kuss.

Sie lösten sich voneinander. »Nicht das Thema wechseln«, sagte er.

Sie blickte ihm in die Augen. Graue Augen, mit goldenen Tupfen.

Gemeinsam liefen sie ins Schlafzimmer und zogen sich aus. Sie presste sich an ihn und legte ihre Arme um ihn. Dann strich sie mit ihren Händen über seinen Körper, ertastete seine Topografie, die seine Geschichte erzählte. Seine rechte Körperhälfte war von den Waden bis zur Schulter mit Narben überzogen, die Folgen einer Granate in Afghanistan. Ihre Berührung war vertraut. Sie sog seinen Duft ein, versuchte ihn zu inhalieren. Sie warf ihn aufs Bett und setzte sich auf ihn.

»Sag mir, dass du mich liebst«, forderte sie ihn auf. »Sag es mir.«

»Du weißt, dass ich das tue.«

»Sag es mir.«

»Ja. Ja, ich liebe dich.«

Sie war bereit für ihn. Sie führte ihn, und dann begannen sie, sich im Gleichklang zu bewegen. Danach lagen sie sich lange Zeit in den Armen.

Nick schlief ein. Und träumte den Traum.

Sie kommen sehr schnell über den Berghang, das Wummern der Rotoren gleicht dem Herzschlag des Krieges.

Das Dorf liegt in einem sandigen Tal, umgeben von schroffen Berghängen unter einer erbarmungslosen Sonne.

Er springt als Erster aus dem Helikopter, seine Marines dicht hinter ihm. Sie hasten die Straße entlang. Rechts von ihnen niedrige Häuser mit flachen Dächern, auf der linken Seite weitere Häuser und der Markt. Die windschiefen Marktbuden sind aus alten Kisten zusammengeflickt, von herabhängenden Stoffbahnen getrennt. Fliegen belagern den Stall des Metzgers.

Irgendwo schreit ein Baby. Die Straße ist leer. Wo sind alle geblieben?

Plötzlich tauchen bärtige Männer auf den Dächern auf wie Zähne eines Drachen und eröffnen das Feuer. Die Marktstände verwandeln sich in einen Wirbelsturm aus Holzsplittern. Putz und Gesteinsbrocken explodieren aus den Häuserwänden.

Er kauert sich in einen schmalen Hauseingang. Aus einem der Häuser rennt ein Kind mit einer Granate in der Hand auf ihn zu und schreit irgendetwas über Allah. Nick zögert, eine Sekunde zu lange. Der Junge wirft sie nach ihm, und Nick erschießt ihn. Der Kopf des Jungen verschwindet in einer Wolke aus Blut und Knochen. Wie in Zeitlupe fliegt die Granate durch die Luft … dann wird alles weiß …

Nick schrie und schrak schweißgebadet auf.

»Ist okay, Nick. Es war nur ein Traum.« Selena wartete damit, ihn zu berühren, bevor sie sich sicher war, dass er nicht mehr schlief.

Er rieb sich sein Gesicht. »Versuch weiterzuschlafen«, sagte sie.

»Das ist zwecklos.«

Er stand auf und wartete auf den Morgen.

TESLAS GEHEIMNIS (Project 5)

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