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Kapitel 7

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Endgame Development waren in einem Gebäude aus Beton und Ziegeln gegenüber der Brighton Beach Avenue untergebracht. Die gesamte Gegend war ein städteplanerischer Albtraum. Apartmentgebäude und Reihenhäuser drängten sich dicht an Ladengeschäfte und Dienstleister. Die meisten der Beschilderungen waren auf Russisch oder Ukrainisch gehalten. Brighton Beach war daher auch als Little Odessa bekannt. Hier befand sich die Operationsbasis für die russische und ukrainische Mafia in den Vereinigten Staaten.

Der Augusttag war heiß und schwül. Nick und Lamont saßen vor einem schmuddeligen Straßencafé eine Querstraße von dem Gebäude entfernt, aßen russische Pasteten und tranken schwarzen Kaffee. Ihre Sportjacken verbargen ihre Waffen. Nick hatte eine .45er Sig-Sauer P229 mitgebracht, die speziell dafür konzipiert worden war, unauffällig getragen zu werden. Er dachte darüber nach, dauerhaft von seiner Heckler&Koch zu wechseln. Die Sig war kleiner, weniger auffällig und passte ganz wunderbar in das Holster an seiner Seite.

Niemand würde ernsthaft annehmen, dass sie in diese Gegend gehörten. Wahrscheinlich hielt man sie für Cops. Das gefiel Nick nicht sonderlich, aber dagegen ließ sich wenig unternehmen.

Das Endgame-Gebäude selbst war mehr als unscheinbar. Eine lange, mattgelbe Mauer voller Graffitis. Eine große, geschlossene Metalltür, die in die Garage führte, auf der einen Seite.

Im zweiten Stock führte eine Tür auf einen eisernen Laufsteg hinaus, der an der Vorderseite entlangführte. Das Gebäude war vier Stockwerke hoch. Im hinteren Drittel des Laufstegs führten mehrere Treppen und Plattformen zu den Notausgängen im vierten und fünften Stockwerk hinauf. Aus der zweiten Etage blickten ein paar kleine schmutzige und geschlossene Fenster auf die Straße hinaus. Am anderen Ende befand sich eine weitere Garage.

»Für eine Hightechfirma ziemlich unspektakulär«, sagte Lamont.

»Und nicht besonders einladend. Als hätte sich der Architekt von der Berliner Mauer inspirieren lassen.«

»Ein paar von den Typen hier haben in den guten alten Tagen sicher noch mitgeholfen, die Mauer zu bauen.«

»Ich sehe keine Kameras.« Nick nippte an seinem Kaffee. Der Kaffee war alt, die Pasteten hingegen frisch. »Keine sichtbare Straßenüberwachung.«

»In einer Gegend wie dieser hat das sicher was zu bedeuten.«

»Könnte vielleicht eine Übereinkunft mit einem der örtlichen Mafiabosse sein. Das würde es ihnen deutlich leichter machen.«

»Lass uns ’ne Runde Spazierengehen.« Lamont warf ein paar Geldscheine auf den Tisch und stand auf. Im Inneren des Cafés sah ihnen ein rattengesichtiger Mann nach und wählte dann eine Telefonnummer.

In einer Gegend wie dieser stach Lamont mit seiner Hautfarbe wie ein bunter Hund heraus. Passanten warfen ihnen finstere Blicke zu. Ein kleines Schild am Eingang des Gebäudes wies in Englisch und Kyrillisch darauf hin, dass Endgame Development im zweiten Stockwerk zu finden sein würden. Eine kurze Treppe führte zu einer Doppelglastür. Durch das Glas waren weitere Treppen und ein Lastenaufzug zu sehen.

»Wie wäre es mit dem direkten Weg?«, schlug Nick vor. »Ich will schon die ganze Zeit meine Spieleidee entwickeln lassen.«

»Nach Ihnen.« Gemeinsam betraten sie das Gebäude.

Der Eingangsbereich war düster und stank nach Urin, abgestandenem Bier und Zigaretten. Die Treppenstufen waren steil, nachgedunkelt und fleckig.

»Schick«, sagte Lamont. »Auf ihrer Website sah es hier aber aus wie im Hilton.«

»Ja, Meister der Illusionen. So heißt auch eines ihrer Games.«

Sie stiegen die Treppenstufen hinauf. In der zweiten Etage führte ein langer Korridor, bedeckt mit rissigem Linoleum, durch das gesamte Gebäude. Nick zählte vier Metalltüren, alle in einem stumpfen Braunton gestrichen. Ein Schild an der zweiten Tür lautete: Endgame Development, LLC.

Nick betätigte die Türklinke. Verschlossen.

Etwas weiter den Gang hinunter öffnete sich eine Tür. Ein großer, muskulöser Mann mit Bürstenhaarschnitt kam auf sie zu. Er trug ein schwarzes T-Shirt, ein schwarzes Sakko, schwarze Hosen und schwarze Schuhe. Er bewegte sich wie ein Boxer. Sein Gesicht war finster und er lächelte nicht. Er sah aus wie jemand, der ohne Probleme bei diesen ultrabrutalen Ringkämpfen hätte mithalten können.

Dann müssen also doch irgendwo Kameras sein, dachte Nick. Ziemlich gut. Ich habe keine gesehen.

»Kann ich Ihnen helfen?« Sein Akzent war russisch oder ukrainisch.

»Ja, sehr gern. Wir suchen Endgame Development. Ich hätte da vielleicht ein Projekt für sie.«

Nick griff in seine Jackentasche und achtete auf die Reaktion des Mannes. Er gab sich alle Mühe, es zu verbergen, aber Nick sah, wie er innerlich zusammenzuckte. Unter seiner Jacke trug er eine Waffe. Nick zog eine Visitenkarte hervor und reichte sie dem Mann. Die Karte wies ihn als Nicholas Allen, Executive VP of Video Production aus.

»Mein Name ist Nick Allen. Das ist mein Assistent, Lamont Cranston. Uns schwebt da ein Spieleprojekt vor und man hat uns Endgame empfohlen. Wir würden gern die Möglichkeiten erörtern, mit ihnen zusammenzuarbeiten, aber wie es aussieht, ist niemand hier.«

»Da, geschlossen. Sind zu Strand gegangen.« Der Mann lächelte. In seinem Unterkiefer funkelte ein Goldzahn. »Kommen Sie morgen wieder.« Sein Lächeln gelangte nicht bis in seine Augen.

Nick hörte, wie unter ihnen die Eingangstür geschlossen und etwas geflüstert wurde. Sein Ohr begann zu jucken und zu brennen. Sein persönliches Warnsystem, ein Tick, der ihm schon mehr als einmal das Leben gerettet hatte.

»Wenn das so ist«, sagte er, »schiebe ich meine Karte einfach unter der Tür durch.« Er ging in die Hocke, als wollte er die Visitenkarte tatsächlich durch den Türspalt schieben, packte dann aber das Bein des Mannes und zog es ihm unter seinem Körper weg.

Goldzahn war schnell. Er krachte auf den Boden, holte aber gleichzeitig zu einem Tritt aus. Damit traf er Nick an der Schulter. Der Tritt ließ seinen Arm taub werden und zwang ihn, den Griff zu lösen. Goldzahn rollte sich zur Seite ab, sprang auf die Beine und griff in sein Sakko. Lamont holte aus und trat ihm gegen das Knie. Nick hörte, wie es brach. Goldzahn heulte vor Schmerz auf. Er zog seine Pistole hervor und schoss, während er zu Boden ging. Die Kugel streifte Nicks Jacke.

Nick verpasste ihm einen festen Tritt in die Weichteile. Der Mann schrie. Seine Waffe schlitterte über den Boden davon. Dann trat Lamont ihm gegen den Kopf.

Einer weniger.

Schritte polterten die Treppe hinauf. In dem Korridor gab es keine Möglichkeit, irgendwo in Deckung zu gehen. Nick zog die Sig und feuerte auf das Türschloss. Lamont gab unterdessen drei schnelle Schüsse in Richtung Treppenaufgang ab. Das würde jedem, der dort gerade heraufkam, etwas zum Grübeln geben.

Nick warf sich gegen die Tür. Sie flog auf, und dann befanden sie sich im Büro von Endgame Development. Lamont schloss die Tür hinter ihnen. Kugeln prallten von außen gegen das Metall.

Die Tür war der einzige Ausweg. Sie saßen in der Falle.

An den Wänden stapelten sich eingeschweißte Computerspiele. Auf einer Werkbank standen Computer, ein Laptop und drei große Monitore. An der Wand warb ein grelles Poster für ein gewalttätiges Videospiel, das Nick auch schon in Läden gesehen hatte. Diese Spiele aber hatten mit der Realität nichts zu tun. Die Realität würde jeden Augenblick durch diese Tür stürmen.

Nick gab Lamont ein Zeichen. Die Kisten. Wer immer da draußen war, würde damit rechnen, dass sie hinter der Tür standen, wenn sie sich öffnete. Deshalb ließ sich vorhersagen, was sie tun würden. Nick und Lamont rannten in die Ecke des Raumes und kauerten sich hinter einige der Kisten. Nick holte tief Luft und versuchte den Adrenalinschub in seinem Körper unter Kontrolle zu bekommen. In dem Korridor vor der Tür war alles ruhig.

Lamont hielt drei Finger in die Luft. Da draußen waren drei Männer. Nick fragte sich, woher er das so genau wissen wollte. Aber drei oder vier würde keinen großen Unterschied machen.

Es waren drei.

Die Tür flog auf. Der erste Mann rollte sich durch die Tür, landete in der Hocke und feuerte in die Richtung, in der er seine Gegner vermutete. Die Schüsse bohrten sich in den Putz der Wand. Lamont schoss und verfehlte ihn, feuerte erneut, und der Mann ging zu Boden. Damit hatten sie ihre Position verraten.

Der zweite und dritte Mann feuerten durch die offene Tür und auf die Kisten. Holzsplitter explodierten in alle Richtungen. Ein langes Stück traf Lamont unter dem Auge und bohrte sich in seine Wange. Blut rann an ihr herunter. Er schoss weiter. Die Männer in dem Korridor zogen sich zurück.

Eine Pattsituation.

Scheiß drauf. Nick sprang auf und rannte auf die gegenüberliegende Wand zu. Im Laufen konnte er einen flüchtigen Blick in den Flur erhaschen. Er sah einen der Schützen und verpasste ihm zwei Kugeln, bevor dieser überhaupt reagieren konnte.

Der letzte Mann war einfach nur dumm. Er spähte in den Raum hinein und schoss auf Nick. Lamont drückte zweimal ab. Der Mann rutschte an dem Türrahmen hinunter, brach auf der Schwelle zusammen und rührte sich nicht mehr. Der Raum war angefüllt mit Pulverdampf und den an heißes Kupfer erinnernden Geruch von Blut. Dann mischte sich noch der Gestank menschlicher Ausscheidungen darunter.

Nick lief zu der Arbeitsplatte und nahm den Laptop an sich. Dann sah er auf die toten Männer hinunter und steckte seine Pistole zurück ins Holster.

»Game over«, sagte er.

TESLAS GEHEIMNIS (Project 5)

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