Читать книгу 9 ungewöhnliche Western April 2020: Western Sammelband 9006 - Alfred Bekker - Страница 48
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ОглавлениеEs war Nachmittag. Von den Steilwänden im Westen des grünen Bergtales schoben sich länger werdende Schatten über das Gras.
Carringo und Chaco hörten von ihrem Verlies aus Stimmen. Ein neuer Mann schien das entlegene, halbwegs versteckte Bergtal erreicht zu haben.
„Ist das wahr, Bruder?“, rief Adolpho Spinola auf einmal.
„Ja“, erwiderte eine Stimme, die sie noch nicht gehört hatten.
Die Freunde erhoben sich.
Über ihren Köpfen wurde der Deckel weggeschoben. Wieder drang jäh das Sonnenlicht ein und blendete die Gefangenen. Lopez ließ die Lattenleiter hinunter und winkte.
„Na los, bewegt euch schon!“
Carringo stieg hinauf und erkannte in der dritten Gestalt einen Mann, der dem schnauzbärtigen Adolpho Spinola sehr ähnlich sah, allerdings bartlos und um einige Jahre älter.
Chaco tauchte auf und trat neben den Freund.
„Das sind die beiden.“ Adolpho zupfte missmutig und offenbar nachdenklich an seinem Bart herum.
„Woher seid ihr gekommen?“, fragte Jiminez Spinola.
„Wir haben uns verirrt“, erwiderte Carringo. „Das haben wir alles schon gesagt.“
„Und ihr wollt nach Tampico?“
„Ja.“
Jiminez Spinola blickte seinen Bruder an und zuckte mit den Schultern. Als er wieder auf Carringo schaute, fragte er: „Sie kennen keinen Carlos Falange?“
„Nie gehört. Aber es würde uns endlich mal interessieren, was das alles bedeutet! Schließlich sperrt man niemanden ohne Erklärung in so ein verdammtes Loch!“
„Wenn jemand etwas zu erklären hat, dann seid ihr es“, sagte der bärtige Adolpho. „Und wenn jemand die Fragen stellt, dann sind wir das, klar?“
„Sie suchen vielleicht nach Arbeit, was?“, fragte Jiminez Spinola weiter.
„Arbeit?“ Carringo schüttelte den Kopf. „Nein, wir suchen keinen Job. Wir suchen vielmehr nach einem Asiaten, der vielleicht in der Nähe vorbeiritt. Ein Japaner, der aber wie ein Mexikaner gekleidet ist und ein kleines Kind bei sich hat. Haben Sie einen solchen Reiter gesehen?“ Jiminez Spinola schüttelte den Kopf. „Einen Job suchen Sie also nicht, Señor?“
„Zur Hölle, jetzt reicht es aber!“, stieß Chaco hervor. Erregt sprang er vor und wollte Jiminez Spinola anfallen.
Der jedoch trat zurück. Und der Peon brachte die Hand mit einem Colt zum Vorschein und stieß Chaco die Waffe in die Hüfte.
Chacos bereits erhobenen Hände sanken nach unten und die wie Krallen geöffneten Finger schlossen sich.
„Wir sind nichts weiter als vom Wege abgeirrt“, erklärte Carringo. „Und wir haben keine Ahnung, was hier im Gange ist und welche Feinde Sie zu fürchten haben, Señores.“
„Sie haben den Namen Carlos Falange wirklich niemals gehört?“, fragte Jiminez Spinola.
„Steht der auf den Ohren?“ Chaco schüttelte den Kopf. „Das begreife, wer will.“
„Ich glaube, die beiden sind wirklich Fremde und ahnungslos“, wandte sich Jiminez Spinola an seinen Bruder. „Außerdem können sie mit dem Überfall auf Silva und mich nichts zu tun haben, da sie hier in dem Loch saßen, als es heute Morgen geschah.“
„Daran musste ich auch gerade denken“, erwiderte Adolpho, der immer noch nachdenklich seinen Bart kraulte.
„Entschuldigen Sie“, sagte Jiminez Spinola. „Es war eine Verwechslung. Reiten Sie nach Tampico und vergessen Sie dieses Tal. Es ist für Sie besser, wenn Sie die Sierra Potosi so schnell wie möglich hinter sich lassen.“
Carringo und Chaco schauten verdutzt von der jähen Wende auf die drei Mexikaner.
„Haben wir richtig verstanden?“, fragte Carringo und beugte den Oberkörper vor. „Wir können verschwinden?“
„Ja.“
„Und unsere Pferde und Waffen?“
Jiminez zeigte auf den Felsspalt im Osten. „Gehen Sie dort den Weg hinunter. Die Pferde mit den Waffen an den Sätteln sehen Sie dann schon.“
Abermals wechselten die Freunde einen Blick.
Lopez steckte den Colt weg und schob den verstaubten Poncho über die Waffe.
Jiminez Spinola trat zur Seite, damit für die Freunde der Weg frei sein sollte.
Carringo warf noch einen Blick zu den herrlichen Pferden hinüber. Sie standen in diesem Augenblick auf der Südseite des Tales. Es interessierte ihn schon, was hier vorging. Aber ein Blick auf die Mexikaner ließ es ihm angeraten sein, keine Fragen mehr zu stellen.
„Wir können also jetzt sofort verschwinden?“, fragte Chaco misstrauisch.
„Aber ja, Señor. Sie sind frei und können gehen, wohin es Ihnen beliebt. Nur diese Gegend sollten Sie schnellstens hinter sich bringen und vergessen.“
„Also dann.“ Carringo ging an den Männern vorbei.
Chaco marschierte neben ihm her. Es war ihnen unangenehm, die drei Mexikaner hinter sich zu wissen. Doch sie waren einigermaßen sicher, dass nichts geschehen würde. In der Tat gelangten sie unangefochten aus dem Bergtal und konnten einem steilen Weg in die Tiefe folgen, in dessen Mitte die mit abgewaschenem Geröll bedeckte Mulde der Schmelzwasserrinne lag. Am Ende des Hanges standen hohe Nadelbäume, zwischen die von Wasser und Geröll eine Schneise geschlagen worden war.
Die Pferde standen gesattelt und mit allen ihren Waffen hinter den ersten Bäumen. Erleichtert atmeten die Freunde nachträglich noch einmal auf, als sie die Tiere bemerkten.
Chaco schaute zur Höhe zurück und erkannte die drei Mexikaner in der breiten Spalte zwischen den schroffen Felsen. Sie blickten zu ihnen.
Carringo stieg bereits in den Sattel, während er leise mit seinem Hengst Fox sprach, dem er beruhigend den Hals tätschelte. Chaco folgte dem Beispiel des Freundes und ritt hinter ihm in die Schneise. Bald konnte er zurückschauend nichts mehr von den Mexikanern und dem versteckten Hochtal sehen.
Chaco ritt neben den Freund, schnallte den Patronengurt um und sah nach, ob die Waffen geladen waren. Carringo hatte das seinerseits bereits erledigt.
„Entschuldigen konnten die sich wenigstens“, sagte Chaco. „Noch gestern wären wir von den beiden aus Versehen glatt erschossen worden, hätte einer von uns eine falsche Bewegung getan.“
„Ja“, gab Carringo zu. „Und doch können wir froh sein, es hinter uns zu haben.“
Chaco warf abermals einen Blick über die Schulter. „Interessieren würde mich schon, was das alles zu bedeuten hat. Die herrlichen Pferde. Und dieser Don Carlos Fa... Wie hieß er doch gleich?“
„Falange.“
„Natürlich, Falange.“
Carringo blickte nicht hinter sich. Obwohl es auch ihn interessiert hätte, was der tiefere Sinn war, schätzte er sich doch heilfroh, alles überstanden zu haben.