Читать книгу 9 ungewöhnliche Western April 2020: Western Sammelband 9006 - Alfred Bekker - Страница 64
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ОглавлениеDas Dunkel breitete sich wie ein schwarzes Tuch über dem Land aus. Der Rancho versank darin.
Chaco betrat das Haus und blickte auf den Mann, dessen Augen glühten. Er schien wieder etwas Fieber zu haben.
Spinola schaute ihn an.
„Es ist alles ruhig draußen“, erklärte Chaco. „Den ganzen Tag über hat sich niemand sehen lassen.“
„Wenn jemand hier herumschleicht, wird er von den Pferden gemeldet“, entgegnete der Mexikaner. „Es war immer so. Nur dadurch konnte wir uns hier auch so lange halten, ohne abgeschossen zu werden.“
Chaco ging durch den Raum, öffnete die Tür der Schlafkammer und sagte: „Ich muss mich ein paar Stunden hinlegen. Wenn Sie in Ihr Bett gehen wollen, bleibe ich gern dort an der Tür. Es wäre vielleicht besser.“ Er ging wieder zurück.
„Ich richte mich nach Ihnen, Chaco. Und ich zermartere mir schon den ganzen Tag den Kopf, wie ich mich je revanchieren soll.“
„Wenn Sie das lassen, verschwindet das Fieber vielleicht“, sagte Chaco sarkastisch. „Wollen Sie noch etwas von der Suppe vom Mittag? Es ist noch etwas da.“
„Nein.“
„Dann helfe ich Ihnen in den anderen Raum. Es ist besser, ich bleibe an der Tür.“ Chaco half dem Verletzten aufzustehen und brachte ihn in die enge Kammer.
Spinola sank leise stöhnend in sein Bett und ließ sich von Chaco zudecken.
Draußen war es immer noch still. Chaco verließ mit dem Gewehr in der Hand die Hütte und schlug einen Bogen um den ganzen Rancho.
Die Pferde standen inmitten des größten Korrals dicht beisammen. Chaco hatte auch seinen Pinto während des Tages in diesen Korral gestellt, damit er nicht allein sein musste.
Nichts deutete auf eine Gefahr hin.
Chaco erreichte die Hütte und ging hinein.
„Haben Sie was gefunden?“, fragte Spinola durch die offene Tür.
„Nichts.“ Chaco lehnte das Gewehr neben der Tür an die Wand und schob den Riegel vor.
„Wenn Don Carlos nur vermutet, dass ich noch am Leben bin, werden sie uns keine Ruhe mehr lassen. Jetzt hat er die Leute auf seiner Hazienda, denen nichts zu schmutzig ist.“
Chaco schaute zum Fenster hinaus und beobachtete vor allem die Pferde. Er vermochte sie zwar nur schemenhaft zu erkennen, doch er hörte sie.
„Ich spüre, dass diese Nacht etwas passiert“, meldete sich der Verletzte abermals.
Chaco legte sich auf das Felllager, das noch warm vom Körper des Verletzten war.
„Spüren Sie nichts, Chaco?“
„Nein.“
„Sie haben Nerven wie Stricke, was?“
„Wir geraten ab und zu in Gefahr. Man gewöhnt sich nie richtig daran, aber ein bisschen schon.“ Chaco schloss die Augen und versuchte zu schlafen.
„Jetzt geht der Mond auf“, sagte Spinola nach einer Weile.
Chaco öffnete die Augen wieder. Obwohl er es nicht sagte, spürte auch er die Nähe einer Gefahr. Das war es, was ihn nicht schlafen ließ, obwohl er müde genug war.
„Sehen Sie es?“
Chaco stand auf und schaute hinaus.
Kaltes Silberlicht lag über der weiten Mulde zwischen Wald und Hügeln. Deutlicher waren die Pferde im Korral zu sehen. Selbst ihre spielenden Ohren erkannte Chaco.
Das ferne Geheul eines Kojoten versetzte die Herde in Unruhe. Die Tiere schnaubten und galoppierten ein paar Runden durch den Korral. Noch mehrmals heulte der Kojote so laut, dass es verzerrt aus den Wäldern zurückhallte.
Die Pferde wurden wieder ruhiger.
Chaco hörte hinter sich ein Geräusch, fuhr herum und sah Jiminez Spinola, der im grauen, langwallenden Nachthemd wie ein Geist auf der Türschwelle stand.
„Sind Sie verrückt, Mann? Legen Sie sich sofort wieder ins Bett“, sagte Chaco scharf.
„Man wird den Rancho angreifen. Ich spürte es ganz deutlich. Sie sollten wegreiten. Es ist mehr als genug, was Sie und Ihr Freund bereits für mich taten.“
„Legen Sie sich ins Bett, los!“, befahl Chaco, ohne auf die Worte des Verletzten einzugehen.
„Noch ist es Zeit für Sie, zu verschwinden, Chaco! Reiten Sie in die Berge! Dort sind Sie sicher und können warten, bis Ihr Freund zurückkehrt!“
Chaco ging auf den Mann zu, brachte ihn mit sanfter Gewalt zu seinem Lager zurück und zwang ihn, sich zu legen.
„Warum hören Sie denn nicht auf mich?“
„Weil ich nun mal hier bin. Bleiben Sie liegen, Spinola, sonst gibt es Ärger mit mir!“
„Ich will doch nur ...“
„Genug“, unterbrach ihn Chaco. Er wandte sich ab und ging in den vorderen Raum zurück.
Die Pferde standen im Rudel beisammen im Korral, als suchten sie gegenseitig Schutz.
Und der Kojote in den Bergen heulte klagend und langgezogen den Mond an.
Chaco griff nach dem Gewehr, repetierte es und öffnete das Fenster.
„Sind sie schon da?“, fragte der Verletzte aus dem anderen Raum.
„Nein, es ist niemand da. Nur wir.“
„Die Wunde schmerzt so sehr.“
„Das ist Ihre Schuld, Spinola. Sie hätten liegenbleiben sollen.“ Er blickte die ganze Zeit hinaus.
Ein Pferd löste sich aus dem Rudel und lief ein Stück auf das nördliche Ende des Korrals zu. Plötzlich stieß es ein lautes Wiehern aus.
Spinola fuhr im Bett in die Höhe. „Da! Das sind sie! Ich habe es doch gewusst!“
„Bleiben Sie liegen!“, bestimmte Chaco. „Noch kann ich niemanden sehen.“
Das Pferd war wieder still. Die anderen Tiere standen noch immer dicht beisammen. Aber auch ihre Unruhe war bereits nicht mehr zu übersehen.
Chaco ging zum Fenster auf der anderen Seite und spähte dort hinaus. Das Mondlicht warf Schatten von den Bäumen, Büschen und Kakteen auf den Boden.
Im Korral wieherte das Pferd. Das ganze Rudel geriet wieder in Bewegung und sprengte mit donnernden Hufen am Zaun entlang durch das Geviert.
„Sie sind schon da!“, rief Spinola.
Draußen rührte sich noch immer nichts. Aber auch Chaco war längst überzeugt, dass die Gegner in der Nähe standen und lauerten. Vielleicht hofften sie darauf, dass er die Hütte verließ und leicht abzuknallen wäre.
Polternd stürzte ein Stuhl um. Der Verletzte fluchte.
Chaco schaute sich um und erkannte die schemenhafte Gestalt im grauen Nachthemd an der Tür zur Kammer.
„Sie sollen doch liegenbleiben, verdammt noch mal!“
„Wozu? Damit die mich im Bett abmurksen?“
Chaco gab keine Antwort. Sicher hatte der Mann recht. Und er konnte sich lebhaft vorstellen, es ebenfalls nicht in einer solchen Situation in einem Bett aushalten zu können, was immer ihn auch auf das Lager fesseln sollte.
„Sind sie schon da?“
„Ich kann keinen sehen.“
„Ich wette, sie sind da.“ Wie ein schwebender Geist bewegte sich der Mexikaner zum Fenster neben der Pritsche und schaute auf die durch den Korral galoppierenden Pferde.
Auch Chaco hatte sich abermals dem Fenster zugewandt und beobachtete das Land im Norden und Nordwesten, soweit er es zu überschauen vermochte.
„Wir haben Glück, dass der Mond so hell scheint“, sagte der Mexikaner. „Aber wenn sie am Korral und den Gebäuden entlangschleichen, sehen wir sie nicht.“
Chaco hörte, dass die Pferde im Korral zur Ruhe gelangten. Jedoch war immer wieder ihr Schnauben und manchmal das trompetende Wiehern zu hören. Der aufgewirbelte Staub trieb langsam dem Waldstück im Osten entgegen. Was sich dort bewegte, falls das der Fall war, konnten sie nicht erkennen.
Spinola hatte den gleichen Gedanken, denn er sagte plötzlich: „Sie schaffen es ungesehen bis an den Korral.“
„Ja.“
Eine Kaktee auf der Nordseite im Tal schien breiter zu werden. Der Leithengst wieherte im Korral und stieg in die Höhe.
„Da ist einer“, sagte Chaco leise.
„Wo?“
„Auf dieser Seite!“
Der Verletzte schleppte sich durch den Raum, hielt sich an Chacos Arm fest und blickte durch das kleine Fenster, das Chaco langsam öffnete.
„Ich sehe niemanden.“
„Neben der Kaktee dort, die wie ein großes Kreuz aussieht.“
Spinola kniff die Augen etwas zusammen, um besser sehen zu können.
„Ja, da steht einer.“
„Bleiben Sie hier und beobachten sie ihn. Er soll uns vielleicht nur ablenken, während sie es von der anderen Seite versuchen.“ Chaco verließ den Mann und ging zu dem Fenster, das den Korrals zugewandt war.
Aus dem Staub wurde die Ecke des Zaunes sichtbar, und an ihr war ein Schimmern im Mondlicht zu erkennen. Dann plötzlich fiel, ein Schuss. Eine Kugel traf ratschend die Tür und spaltete ein Brett.
Rufe erschallten draußen. Mehrere Männer verständigten sich damit.
Chaco schlug das Gewehr an und gab zwei Schüsse ab.
An der Ecke des Korrals erhob sich eine Gestalt, taumelte in den Hof und brach zusammen.
Die Pferde stoben wie von Furien gehetzt durch die Umzäunung.
Staub senkte sich auf die reglose Gestalt im Hof, die mit dem Gesicht nach unten im Sand lag.
Von allen Seiten wurde geschossen.
Spinola hielt seinen Revolver mit beiden Händen fest, richtete ihn nach draußen und drückte ab. Der Rückschlag riss ihm die Waffe fast aus der Hand. Er spürte wahnsinnige Schmerzen in seiner Brust, die wie Stiche durch seinen Körper rasten.
Kugeln trafen klatschend die Lehmwände, vermochten sie aber nicht zu durchschlagen.
Chaco feuerte zwei Schüsse ab. Dann lief er in die Kammer, in der ein Fenster nach Südwesten führte. Er stieß es auf und schoss auf die schemenhaften Gestalten, die sich dort von Busch zu Busch näherten.
Als Chaco in den vorderen Raum zurückkehrte, konnte er Spinola nicht mehr sehen.
„Wo sind Sie?“
„Hier“, tönte es schwach zurück.
Chaco ging auf das Fenster im Westen zu und erkannte den Mann. Er lehnte daneben an der grauen Wand und war von dieser nur aus der nächsten Nähe zu unterscheiden. Der Colt lag rauchend auf dem Boden.
„Legen Sie sich nieder, Spinola. Es hat keinen Zweck, Sie kippen nur um.“
Die Angreifer schossen von allen Seiten. Eine Kugel heulte durch das Fenster und bohrte sich mit einem lauten Pochen in eine Dachsparre. Die Pferde galoppierten in ihrer Angst Runde um Runde durch den Korral.
Chaco hatte den Colt aufgehoben und gab ihn dem Mann, weil der die Hand ausstreckte.
„Lassen Sie mich hier. Es ist nur die Schwäche. Gleich geht es wieder!“
„Na schön.“ Chaco repetierte sein Gewehr, zielte aus dem Fenster und schoss auf einen aufglühenden Feuerstrahl.
Ein gellender Schrei hallte in das Donnern, das die Hütte zu sprengen drohte. Aus einem Busch taumelte eine Gestalt mit einem hohen Sombrero auf dem Kopf und brach zusammen.
Chaco schoss sofort auf die anderen, die sich vorsichtshalber zurückzuziehen trachteten. Doch sie warfen sich zu Boden. Seine Kugeln gingen fehl.
Der Mexikaner lehnte noch an der Wand und rang um die Kraft, auf den Beinen zu bleiben.
Chaco konnte sich nicht um ihn kümmern. Er glitt von einem Fenster zum anderen und schoss immer wieder hinaus, oftmals, ohne einen der Gegner zu sehen. Er wollte sie täuschen. Sie sollten denken, dass viele Männer die Hütte verteidigten.
Spinola schoss aus dem Revolver, den er wieder mit beiden Händen krampfhaft festhielt.
Draußen verstummte das Feuer. Eine scharfe Stimme gab einen Befehl.
Chaco stand mitten im rauchgeschwängerten Raum, in dem die Luft zum Atmen kaum noch geeignet war. Wenigstens zog ein schwacher Luftstrom zu einem Fenster herein und zu dem anderen hinaus.
Spinola drehte sich herum und lehnte an der Wand. „Wie viele mögen es sein?“
„Mindestens noch sechs“, erwiderte Chaco, der sein Gewehr nachlud.
„Das sind zu viele für uns.“
„Nur nicht aufgeben.“ Chaco ging zu dem bleichen Mann, führte ihn zu der Pritsche und zwang ihn, sich zu setzen. Er nahm ihm den Colt ab, stieß die rauchenden Hülsen aus den Kammern der Trommel und lud die Waffe. Danach gab er sie Jiminez Spinola zurück.
„Spinola, oder wer immer in dem Loch steckt, zeigt euch!“, rief eine laute, harte Stimme.
Jiminez Spinola hatte den Kopf gehoben.
„Ramirez“, sagte Chaco. „Ich erkenne seine Stimme. In Rio Verde war man sich nicht einig, ob er nun ein Angestellter von Don Carlos ist oder nicht.“
„Einig wird man sich schon gewesen sein“, erwiderte der Mexikaner verächtlich. „Aber die Leute haben Angst vor Don Carlos. Und richtig wissen tun sie freilich auch nichts. Don Carlos ist ein sehr vorsichtiger Mann. Aber was sollte diesen Hünen veranlassen, mich vernichten zu wollen? Was hat er davon?“
„Sicher nur den Lohn, den einer bezahlt.“
„Eben. Und das kann nur Don Carlos sein. Sonst gibt es hier niemanden, dem ich oder meine Pferde im Wege wäre oder der gar das Land wollte, von dem es überall um den Rio Verde genug gibt. Man muss es sich nur nehmen.“
„He, ihr da drin, hört ihr nicht?“, brüllte die Stimme.
Chaco wandte sich der Tür zu. „Nicht!“, flüsterte Spinola. „Der knallt Sie ab, wenn er Sie sieht. Er schießt auf riesige Entfernungen mit sicherer Hand.“
Chaco spähte durch das Fenster.
Die Pferde standen wieder inmitten des großen Korrals.
„Spinola?“, schrie die harte Stimme, die unverkennbar dem Hünen Ramirez gehörte.
„Was wollt ihr?“, fragte Chaco.