Читать книгу 9 ungewöhnliche Western April 2020: Western Sammelband 9006 - Alfred Bekker - Страница 59
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ОглавлениеDas Abendrot verglühte im Westen über den Bergen, als Mario Ramirez auf seinem von Schaum und Staub bedeckten Pferd die Hazienda erreichte.
Die Hufe des erschöpften Pferdes polterten über das Pflaster.
„Ramirez!“, rief im Innenhof jemand.
Der Hüne sprengte hinein und sprang vom Pferd, bevor es ausgelaufen war.
Don Carlos tauchte oben an der Tür auf und stemmte die Hände in die Hüften.
An den Mauern des Hofes und vor dem Mannschaftshaus standen ein paar Männer.
Don Carlos starrte ihn an. „Herein mit dir!“, sagte er scharf, wandte sich abrupt um und verschwand durch die Tür.
Ramirez stieg die breite Freitreppe hinauf und folgte Falange in die Halle mit dem großen Tisch und den kunstvoll geschnitzten Stühlen, die hohe Lehnen hatten, als müssten sie noch die Köpfe der Sitzenden mit stützen. Die Wände der Halle waren rau geputzt. Ein paar Gemälde hingen in schweren Goldrahmen an den Wänden. Sie stellten Krieg und Tod dar, und eines war ein Selbstbildnis von Don Carlos, das ihn in der Uniform eines hohen Offiziers der mexikanischen Armee zeigte. Ramirez hatte keine Ahnung, ob Don Carlos jemals im Leben auch wirklich Offizier gewesen war.
„Was fällt dir ein?“, fauchte Falange ihn an, kaum dass er die Tür hinter sich geschlossen hatte.
„Was meinen Sie, Señor Falange?“
„Señor?“, schrie Falange. „Ich bin für dich immer noch Don Carlos, verstanden!“
„Verstanden, Don Carlos“, erwiderte der Hüne gleichmütig.
Falange atmete tief durch, ging zum Fenster, schaute hinaus und wandte sich mit einem Ruck um. „Es war vereinbart, dass wir über meine Leute Kontakt miteinander halten. Oder hast du schon wieder vergessen, dass ich dich hier nicht sehen will?“
Ramirez blieb ruhig. „Sie haben das nie so deutlich gesagt, Don Carlos.“
Falange trat wieder näher und blickte forschend in das von Carringos Schlägen gezeichnete Gesicht des Hünen. „Richtig. Mir wurde von den beiden Reitern berichtet, dass dich ein Gringo fürchterlich verprügelt haben soll. Wieso denn das, Ramirez? Hast du mir nicht tausendmal versichert, mit den Fäusten, mit dem Messer und dem Gewehr der Größte in ganz Mexiko tu sein?“
Mario Ramirez presste die Lippen aufeinander. Diese Niederlage fraß so sehr an ihn, dass er sich daran am liebsten nie mehr im ganzen Leben erinnert hätte.
Falange lachte, wandte sich um und ging um den langen Tisch und die Stühle herum. „Du bist ein Angeber, Ramirez. Ein Aufschneider! Nichts weiter als ein Windmacher!“ Der Hüne antwortete nicht. Falange trat wieder auf ihn zu, blieb zwei Schritte entfernt stehen und wippte böse grinsend auf den Zehen. „Wie kann man sich nur in der Kneipe von Rio Verde verprügeln lassen? Es gibt weit und breit nur diese eine Kneipe. Alle reiten irgendwann einmal dorthin und werden von der Sache erfahren! Du hast dich unsterblich blamiert. Sage doch selbst, was ich noch mit einem wie dir soll?“
Der Hüne schwieg.
Falange drehte die zweite Runde um Tisch und Stühle, schaute zum Fenster hinaus und erneut Ramirez an. „Nun sag schon endlich etwas dazu!“
„Spinola ist tot“, sagte Ramirez. Falange wurde wie von einem Schlag getroffen. Er taumelte förmlich zurück. „Was?“
Der Hüne wiederholte sich nicht. „Wieso denn? Wann denn?“
„Haben die beiden denn nicht gesagt, dass ich ihm den Weg abschneiden wollte?“
„Nein.“
„Dann müssen sie befürchtet haben, ich würde ihn nicht einholen. Aber das war ein Irrtum.“
„Rede!“
„Wir waren unterwegs hierher, als wir ihn sahen. Er folgte der Piste. Ich schnitt ihm den Weg ab und schoss ihn aus dem Sattel.“
„Wo?“
„Nicht weit vom Rio Verde entfernt.“
Falanges Miene hatte sich sichtlich aufgehellt.
„Aus und vorbei“, sagte Ramirez und begann von einem Ohr zum anderen zu grinsen.
Falange lachte aufgekratzt. „Das ist wirklich endlich mal eine gute Nachricht. Aber ...“ Er wurde wieder ernst.
„Was noch?“
„Da ist noch sein Bruder – Adolpho Spinola. Und jene sagenhafte Herde schwarzer Mustangs, die irgendwo in den Bergen versteckt sein soll.“
„Ja, ich weiß.“ Ramirez schaute zum Fenster hinaus und sah in der Ferne die in der Dämmerung versinkenden Berge, hinter denen es noch golden in den Himmel flammte. „Aber diese Berge sind weit und zerklüftet. Es gibt Hunderte oder gar Tausende von Tälern. Man kann zufällig das richtige finden oder sein Leben lang vergebens herumreiten.“
„Kann sein, dass Glück dazu gehört“, gab Falange zu. „Finden müssen wir es trotzdem. Ich will diese Herde haben. Und dieser Adolpho Spinola muss so mausetot sein wie sein Bruder Jiminez!“
Mario Ramirez ging zum Fenster. „Vielleicht ist das alles nur dumme Rederei. Ich habe noch keinen Menschen getroffen, der die Herde gesehen hat.“
„Doch, es gibt sie. Ich spüre es. Und ich will sie haben!“
Der Hüne wandte sich um und sah den fast irren Blick des Hazienderos. „Ich habe wochenlang erfolglos danach gesucht.“
„Du wirst weitersuchen, Ramirez! Bis du das richtige Tal in der Sierra Potosi gefunden hast! Ich muss die schwarzen Mustangs haben, verstehst du!“
„Ja, Don Carlos“, erwiderte der Hüne.
„Dan geh und schaff sie herbei!“ Der flammende Blick Falanges ließ Ramirez zur Tür gehen.
„Das mit Jiminez Spinola war gut“, sagte der Haziendero hinter ihm. „Dafür kriegst du eine Prämie, Ramirez. Aber bring mir auch die schwarzen Mustangs herbei. Schaffe sie her, dann zahle ich dir noch eine dicke Prämie!“
Der Hüne war schon auf der breiten Freitreppe.
Im Innenhof griff die Dunkelheit rasch um sich, so dass die Peons an den Wänden nur noch undeutlich zu erkennen waren. Keiner sprach ein Wort.
Mario Ramirez stieg in den Sattel, lenkte sein Pferd zum offenen Tor und ritt hinaus. Laut klirrten die Hufe auf dem Pflaster.
Falange stand an der offenen Tür und schaute dem Reiter nach, bis der draußen verschwand. Er wandte sich den Männern im Hof zu. „Eduardo, hole mir eine Flasche Wein. Von der Sorte aus dem untersten Regal. Du weißt schon, was ich meine.“
Ein Mann löste sich von der Wand und öffnete die kleine Tür des Kellers.
Falange ging ins Haus zurück. Zufrieden rieb er die Hände aneinander, als er in der dunklen Halle stand. Er lachte leise. Das war ein Fest wert. Jiminez Spinola tot. Darauf wollte er einen seiner besten Tropfen trinken.