Читать книгу 9 ungewöhnliche Western April 2020: Western Sammelband 9006 - Alfred Bekker - Страница 55
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ОглавлениеEingebettet in sattgrüne Wälder sah Jiminez Spinola die prächtige Hazienda des Don Carlos Falange vor sich am Fuße der Sierra Potosi liegen.
Er hatte sein Pferd gezügelt und betrachtete das großzügige und altehrwürdige Anwesen. Das Haus war doppelstöckig und sehr breit, und es hatte in jeder Etage ein rundes Dutzend Fenster allein auf der Spinola zugewandten Seite. Das große Bogentor zum Innenhof stand offen. Hinter dem Anwesen stieg Staub in die Höhe. Das Stampfen von Hufen, das Knallen von Peitschen und Schnauben von Pferden waren zu hören. Manchmal ertönte das Brüllen eines Mannes dazwischen.
Vor der Hazienda war niemand zu entdecken.
„Der fühlt sich hier sicher“, murmelte Jiminez Spinola und versuchte, jede Kleinigkeit in seinem Blickfeld zu erfassen.
Das schrille Wiehern eines Pferdes ertönte hinter den klotzigen Gebäuden.
Jiminez Spinola trieb sein Pferd an und ritt dem Fahrweg folgend auf das große Tor zu. Das letzte Wegstück war gepflastert. Die Hufe klirrten auf dem Gestein.
Erst als Spinola durch das offene Bogentor ritt und den Innenhof erreichte, trat ihm ein Peon entgegen, ergriff das Kopfgeschirr des Pferdes und hielt es an.
„Was soll das? Wo wollen Sie hin?“
„Lass das Pferd los!“, befahl Jiminez Spinola scharf.
Der Peon dachte nicht daran.
Spinola blickte sich um.
Im Hof war niemand. Die Tür des Haupthauses stand offen. Auch auf der Freitreppe war kein Mensch zu sehen.
„Sie sind doch Spinola?“, rief der Peon. „Was wollen Sie hier, zum Teufel?“
„Was ich will, werde ich deinem Patron selbst sagen. Lass das Pferd los!“
Der Peon riss den Kopf des Tieres nach unten.
Jiminez Spinola sprang aus dem Sattel, packte den Peon und schleuderte ihn auf die Treppe, bevor der an Gegenwehr denken konnte. Doch der junge Bursche sprang fluchend in die Höhe und griff an. Spinola blockte seine Faust ab und knallte ihm einen Schwinger ans Kinn. Der Kerl schrie auf und flog wieder auf die Treppe. Er rutschte zur Seite und rollte herunter.
Jiminez Spinola stieg über die Gestalt weg und die breite Freitreppe hinauf. Er sah, wie sich eine dunkle Gardine links der Treppe hinter einem der hohen Fenster bewegte.
In der nächsten Minute stand er bereits in dem großen hallenartigen Raum, zu dem das Fenster gehörte, an dem sich die Gardine bewegt hatte.
An einem langen Tisch mit zwanzig geschnitzten Stühlen darum stand Don Carlos und schaute dem unerwarteten Besucher entgegen.
Falange war ein sechs Fuß großer Mann, schlank, breitschultrig und mit einem grauen Backenbart, der sein schmales Gesicht besonders betonte. Eisig blickten seine Augen auf Spinola. Die dünnen Lippen standen zusammengepresst wie ein schmaler Strich in seinem Gesicht.
Don Carlos war sehr gepflegt gekleidet, und zwar mit einem weißen Hemd, in das feine Silberstreifen gewebt waren, einer Lincolnschleife am Kragen und goldenen kleinen Knöpfen auf der Leiste. Er trug gestreifte Röhrenhosen, eine rote, bestickte Weste und darüber eine doppelreihige schwarze Jacke, als wäre es ein kalter Tag. Eine Waffe konnte Jiminez Spinola nicht an ihm entdecken.
„Welche Ehre“, sagte Don Carlos und mühte sich um ein Lächeln. „Entschuldigen Sie den Peon, Señor Spinola. Er wird Sie nicht gekannt und für einen Fremden gehalten haben.“
„Er kannte mich sehr wohl, Señor Falange!“, gab Jiminez schroff zurück. „Und glauben Sie nicht, dass Sie mich um den Finger wickeln können!“
„Ich verstehe nicht?“ Falange trat näher. Er lächelte, was jedoch die Kälte nicht aus seinen Augen verbannte. „Es tut mir wirklich sehr leid, dass der Peon Ihnen den Weg verstellte. Aber er hätte Sie natürlich bei mir angemeldet, hätten Sie nur ein Wort zu ihm gesagt, Señor Spinola.“
Die ausgesuchte Höflichkeit des Hazienderos vermochte Jiminez Spinola weder einzulullen noch aus dem Konzept zu bringen. „Ich bin hier, um Ihnen zu sagen, dass Ihre Methoden verbrecherisch geworden sind, Señor Falange.“
„Aber, aber, mein Freund!“ Falange bewahrte seine Freundlichkeit. „Was ist denn heute mit Ihnen los? Waren wir nicht immer die besten Nachbarn und fast so etwas wie gute Freunde?“
„Wir waren nie Freunde, Señor Falange. Und Sie wissen das noch besser und länger als ich und mein Bruder. Ihre Halunken haben Silva erschossen. Einen alten Peon, der nie einer Fliege etwas zuleide getan hat. Einfach abgeknallt. Und meine besten Pferde. Sie wurden einfach so mit einem weittragenden Gewehr abgeschlachtet. Sie wollen mich fertigmachen!“
Falange schüttelte den Kopf. „Ich werde Ihnen erst mal etwas Kaltes zu trinken holen lassen.“
„Bleiben Sie hier!“, sagte Spinola, als der Mann sich abwenden wollte. „Was ich Ihnen mitzuteilen habe, dauert nicht lange. Und ich bin nicht verrückt und habe auch nicht unter der Sonnenhitze gelitten.“
Der Haziendero zuckte mit den Schultern und blieb stehen. „Wie Sie meinen. Ich wollte Ihnen nur etwas Gutes tun, Señor Spinola. Ich weiß doch, wie das ist, wenn man bei solcher Hitze weit reitet. Am hellen Mittag! Da passiert es schon mal ...“
„Genug!“, fuhr Jiminez Spinola ihn heftig an.
„Bitte, reden Sie!“ Falange bemühte sich plötzlich nicht mehr, die Kälte zu verbergen, die von ihm ausging. Aber fassen Sie sich kurz, wenn es geht.“
„Ich verlange, dass Sie sich dazu erklären.“
„Wozu, Spinola?“
„Zu dem Töten meiner Tiere. Zu der Ermordung des alten Silva und zu den Feuern, die auf den Weiden jäh aufflackern.“
„Aber ich bitte Sie.“ Falange lächelte wieder verbindlich. „Bei einer solchen Hitze passiert es eben, dass das Gras von selbst anbrennt.“
„Und es gehen von selbst Gewehre los, was?“
„Wenn jemand auf Sie und Ihre Leute schießt, dann wird das Gründe haben, das ist richtig. Aber was soll ich damit zu tun haben?“
„Es sind also nicht Ihre Leute?“
„Meine Leute?“ Falange schien zu wachsen, so sehr reckte sich seine Gestalt. „Ich verstehe nicht.“
„Ich will wissen, ob es Ihre Leute sind, die auf mich schießen, meine Leute ermorden und die Pferde töten?“
„Meine Leute? Sind Sie des Teufels? Meine. Leute tun anderen genauso wenig etwas, wie ihr Peon das tat. Aber richtig ist wohl auch, dass ein Rancho, wie der Ihre, zu klein ist, als dass er gegen Desperados wirkungsvoll verteidigt werden könnte. Er lädt direkt dazu ein, überfallen zu werden. Deshalb würde ich Ihnen noch einmal dringend raten, sich mein Angebot durch den Kopf gehen zu lassen, Señor Spinola. Ich biete Ihnen einen wirklich guten Preis!“ Jiminez merkte, wie die Wut in ihm überkochen wollte. Dieser Don Carlos machte sich zu allem Überfluss noch über ihn lustig. Aber trotz seiner ganz offensichtlichen Schuld an allem Unglück, war diese ihm kaum zu beweisen.
„Ich behalte Sie als Verwalter“, schlug Falange lächelnd vor. „Ihren Bruder auch. Ihr werdet beide gut bezahlt.“
Jiminez Spinola wich zurück zur noch offenen Tür.
„Langfristig gesehen haben Sie auch nicht die geringste Chance gegen mich“, fuhr Falange fort. „Sie haben der Armee Pferde verkaufen können, weil es gerade nur um einen kleinen Auftrag ging und Sie zufällig besseres Material anbieten konnten. Wie gesagt, zufällig. Und weil man nur wenige Tiere wollte. In der Regel nimmt die Armee hundert, zweihundert und noch mehr Pferde auf einen Schlag ab. Woher wollen Sie die dann nehmen, Spinola? Sie sind aus dem Geschäft schneller wieder draußen, als Sie sich vorstellen können. Die kleinen Unternehmen hatten gegen größere noch nie eine Chance und werden auch in der Zukunft keine haben. Deshalb nochmals mein Angebot: Verkaufen Sie an mich!“
„Den Satan werde ich!“, stieß Spinola hervor. Er wirbelte herum und hastete hinaus.
Der Peon war verschwunden. Doch Jiminez Spinolas Pferd stand noch im Hof. Spinola sprang die Treppe hinunter, nahm den Zügel auf und schwang sich in den Sattel.
Niemand hielt ihn auf. Er galoppierte über das Pflaster und durch das Tor.