Читать книгу Sammelband 7 Mystery Thriller - Der Sommer der Geheimnisse - Alfred Bekker - Страница 28
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Es war Neumond, und nur der Lichtschein einiger vereinzelter Sterne durchbrach ab und zu die lockere Wolkendecke.
Pat ging mit traumwandlerischer Sicherheit durch jetzt leeren, wie ausgestorben wirkenden, angedeuteten Straßen des Wohnwagenparks im Zirkus. Sie hatte es auf Glencarrick Castle einfach nicht mehr ausgehalten, der Druck, der auf ihr lastete, war zu stark geworden, und wenn sie jetzt nicht einfach etwas unternahm, dann wurde sie verrückt.
Es war ein so vertrautes Gefühl wieder im Zirkus zu sein, fast wie eine Heimkehr.
Pat machte sich keine Gedanken um das Versprechen, das sie Keith gegeben hatte. Sie hatte schließlich nur versprochen nichts zu unternehmen, was sie in Gefahr bringen konnte. Und sie wollte sich hier nicht in Gefahr bringen, nein, was sollte ihr hier mitten in der Nacht schon passieren, wo sie nur sehen und forschen wollte. Das Eingreifen würde sie später Keith und seinen Leuten überlassen.
Dennoch fühlte sie sich ein bisschen wie eine Einbrecherin, weil sie hier ja eigentlich nichts mehr zu suchen hatte. Auch wenn der Wohnwagen, der ihr persönliches Eigentum war, noch immer hier stand.
Der Geruch der Raubtiere stieg ihr in die Nase, streng und scharf, und vermittelte den Eindruck von Gefahr. Und doch war Pat relativ unbesorgt. Die Tiere kannten sie und ihren Geruch, also würden sie nicht gleich in laute Unruhe ausbrechen, bestenfalls ein wenig fauchen, bis sie identifiziert hatten, wer sie war.
Natürlich konnte sich Pat längst nicht sicher sein, dass sie ausgerechnet in dieser Nacht auf den Attentäter traf, und doch hatte sie ein Gefühl gehabt, das sie einfach dazu trieb, sich auf die Suche zu machen, sie hatte sich gar nicht dagegen wehren können.
Eigentlich wollte sie sich von Glencarrick Castle fortschleichen, um Lady Marjorie nicht in Verlegenheit zu bringen, und natürlich auch, um keine Fragen beantworten zu müssen. Doch die Lady schien ihre Gedanken erraten zu haben, oder sie besaß ein wunderbares Gespür dafür, was in der jungen Frau vorging. Denn gerade als Pat dachte, es geschafft zu haben ungesehen davonzukommen, stand Lady Marjorie vor ihr. Die ältere Frau lächelte die jüngere an.
„Es hält Sie nicht hier, nein?“, kam die sanfte, verständnisvolle Frage.
Leugnen hätte keinen Zweck gehabt, zu offensichtlich war es, dass Pat verschwinden wollte. Und so hatte sie die Lady nur traurig angesehen.
„Es geht um mich. Um mein Leben, um meinen Ruf, Mylady. Da kann ich nicht abseits stehen.“
„Ach, nun hören Sie doch endlich auf damit, mich dauernd Mylady zu nennen. Ich heiße Marjorie, und ich glaube, ich verstehe sehr gut, dass Sie gehen müssen. Auch wenn Keith vermutlich kein Verständnis dafür hätte. Aber ich werde Sie nicht halten, Pat, und ich werde Sie auch nicht an meinen Sohn verraten. Wenn er allerdings spontan hier auftaucht...“, sie brach ab, und es war nur zu verständlich.
Pat lächelte erleichtert. „Nein, ist schon gut. Sie sollen auf keinen Fall für mich lügen. Ich habe ihm ein Versprechen gegeben, und ich habe wirklich nicht vor, unvorsichtig zu sein. Doch ich werde verrückt, wenn ich noch länger untätig hier bleibe. Ich danke Ihnen, Marjorie, Sie sind eine ganz phantastische Frau.“
Die Lady lächelte spöttisch. „Das erzählen Sie mal Keith, wenn er unser Geheimnis herausbekommen sollte. Ich fürchte, da werden wir etwas anderes zu hören bekommen.“
Beide Frauen verstanden sich und reichten sich die Hände wie zu einem Schwur. Und so hatte Pat problemlos hierher kommen können. Lady Marjorie hatte ihr einen Wagen zur Verfügung gestellt, der sie den langen Weg von Glencarrick Castle nach Dumbarton in einer knappen Stunde brachte. Sonst hätte Pat laufen müssen, aber auch das hätte sie nicht abgeschreckt. Es war einfach dieses drängende Gefühl, das Pat dazu veranlasst hatte, in dieser Nacht hier aufzutauchen. Wie eine innere Stimme, die darauf bestand, dass sie sich auf den Weg machte, weil sie einfach hier sein musste.
Natürlich war das Unsinn, und wenn sie jemand gefragt hätte, so wäre ihre Antwort gewesen: Ich bin auf gut Glück hier. Aber im Grunde war es nicht so. Doch Patricia würde niemals darüber sprechen, denn sonst würde sie sich womöglich selbst für durchgedreht oder gar verrückt halten.
Jetzt wurden die Tiere unruhig, bis sie die Witterung eingeordnet hatten, dann wurde es wieder still. So wurde außer ein wenig Grollen und Fauchen kein Geräusch laut, worüber die junge Frau sehr dankbar war, denn eine plausible Antwort hätte sie keinem der Artisten geben können.
Lautlos, fast selbst wie eine Katze, lenkte sie ihre Schritte durch die Nacht, den Körper angespannt, bereit jeden Moment auf etwas Ungewöhnliches zu reagieren, wenn es denn etwas Ungewöhnliches geben sollte.
Aber es gab einfach nichts, was auffallend gewesen wäre. Oder doch?
Patricia hielt plötzlich inne. Hatte sie da nicht eine Bewegung gesehen? War da nicht im Schatten eine huschende Gestalt?
Unwillkürlich wandte sie sich in die Richtung, in der sie vermeinte, etwas bemerkt zu haben. Nichts.
Dann stand sie wieder reglos da, lauernd, selbst wie ein Raubtier. Lauschte, witterte und schüttelte dann unwillig den Kopf. Machte sie sich hier nicht selbst etwas vor? Nein, da war einfach nichts. Es musste eine Sinnestäuschung ihrer überreizten Nerven sein, mehr nicht.
Pat hörte und spürte nicht, dass wie aus dem Nichts jemand hinter ihr war. Sie ahnte nicht einmal etwas davon.
Erst als ein ungeheuer schwerer Gegenstand sie auf den Kopf traf und sie ins Reich der Träume schickte, wusste sie mit dem letzten Gedanken, dass sie wohl doch nicht vorsichtig genug gewesen war.
War das jetzt ein gebrochenes Versprechen? Sie kam nicht mehr dazu, darüber weiter nachzudenken, Schwärze umfing sie, und sie ging zu Boden.