Читать книгу Sammelband 7 Mystery Thriller - Der Sommer der Geheimnisse - Alfred Bekker - Страница 30

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Als Pat wieder zu sich kam, hatte sie ein pelziges Gefühl im Mund, und außerdem war ihr unheimlich kalt. Sie fror am ganzen Körper und klapperte mit den Zähnen, ohne dass ihr das richtig bewusst wurde. Und dann fiel ihr noch etwas auf: Sie konnte ihre Arme und Beine nicht bewegen, sie war gefesselt, und in ihrem Kopf schien sich eine ganze Schmiede angesiedelt zu haben, so sehr hämmerte und pochte jeder Herzschlag darin.

Ungläubig zerrte sie an den Stricken, hatte aber nicht die geringste Chance sie zu lockern.

Mittlerweile musste es schon früher Morgen sein, denn die Dämmerung war schon längst angebrochen. Da sie sonst nichts tun konnte, schaute sie sich um und entdeckte, dass sie in einer Höhle lag, an deren Wänden Wasser hinunterrann, und wo ein feuchter modriger Geruch in der Luft lag.

Irgendwo brannte eine Kerze, wie sie jetzt feststellte. Also musste doch jemand in der Nähe sein. Und Pat hoffte, es möge nicht derjenige sein, der für die Anschläge im Zirkus zuständig war.

Dann tauchte eine Gestalt in ihrem Blickfeld auf, und sie atmete erleichtert auf. Jetzt wurde alles gut, man hatte sie gefunden.

„Cedric? O Cedric, wie gut, dass du da bist. Ich habe eins über den Kopf gekriegt, und man hat mich hergebracht. Wo sind wir? Aber egal, komm, löse mir die Fesseln, wir müssen die Polizei informieren. Und vielleicht kriegen wir diesen Mistkerl ja noch, der uns das alles eingebrockt hat.“

Dann erschrak sie bis ins Mark, als ihr nur ein hämisches Lachen antwortete, und sie zerrte erneut an den Fesseln. Sie begann dann sehr langsam zu begreifen, was hier vorging, und ein einziger, erschreckter, ungläubiger Ausruf entfuhr ihr. „Du?“

Cedric O’Malley lachte wieder. „Schätzchen, du hast ziemlich lange gebraucht, bis du es begriffen hast“, kam seine Antwort. „Aber jetzt brauche ich vor dir nicht mehr Versteck zu spielen.“

„Cedric, warum? Was habe ich dir getan? Komm, mach mich los, und ich will die ganze Sache vergessen. Du kannst doch nicht ernsthaft vorhaben mir etwas anzutun.“

Der flackernde Lichtschein der Kerze ließ das Gesicht des Zirkusdirektors in dämonischen Farbtönen aufleuchten, und Pat unterdrückte nur mit Mühe einen Aufschrei der Angst, als Cedric sie diabolisch angrinste. „Es ist ja nicht so, als ob ich dir persönlich etwas wollte, Pat, das darfst du nicht glauben. Aber es sieht ja nun so aus, als brauchte ich dringend einen Sündenbock, jemanden, dem ich die Schuld für alle Unglück in die Schuhe schieben kann. Denn immerhin durfte kein Verdacht auf mich oder auf den Zirkus fallen. Und so bot sich hier in Dumbarton die Hexensage als Hintergrund an, um ein wenig Theater zu spielen und dafür zu sorgen, dass die Leute sich schon bekreuzigen, wenn nur das Wort Zirkus fällt.“

Pat war erschüttert und glaubte noch immer ihren Ohren nicht zu trauen. „Aber warum, Cedric? Warum das alles? Eves Sturz, sie hätte tot sein können! Und Alexejs Löwen? Ist dir nicht klar, wie viel Leid du über uns alle gebracht hast? Warum? Und warum brauchst du mich als Sündenbock? Ich verstehe das alles nicht.“

Er zuckte die Achseln, wie sie in der undeutlichen Beleuchtung erkennen konnte. Dann antwortete er, und Pat hatte das Gefühl eine eiskalte Hand würde ihr Herz umfassen.

„Weißt du, mein Mädchen, das ist relativ einfach zu erklären. Ich hatte irgendwann gedacht, ich könnte das Geld des Unternehmens noch ein bisschen aufstocken, und da habe ich mich verspekuliert. Dann versuchte ich, über Wetten die Verluste wiederhereinzuholen. Immerhin musstet ihr alle bezahlt werden, der Zirkus verschlingt Unsummen, und wenn es in einer Stadt nicht so gut läuft, dann ist kein dickes Polster da, um Verluste auszugleichen. Das wollte ich ändern. Aber auch mit den Wetten ging das nicht so gut, da hat mein Glück mich verlassen. Nun, ich wartete schon eine ganze Weile auf eine solche Gelegenheit wie hier in Dumbarton, denn der Zirkus ist gut versichert. Und so werde ich dafür sorgen, dass alles aus ungeklärter Ursache in Panik und Flammen aufgeht. Mit den Geldern aus der Versicherung kann ich alle Verluste ausgleichen und einen neuen Zirkus aufbauen. Ich fürchte allerdings, du wirst dann nicht mehr dazu gehören.“

Die junge Frau war völlig verstört. Soviel Kaltblütigkeit und abgrundtiefe Bosheit konnte sie nicht verstehen. Aber sie blieb tapfer und mühsam beherrscht. „Und warum ich? Wie komme ich da ins Spiel, Cedric? Habe ich dir irgendetwas getan?“

Jetzt lachte Cedric wieder auf. „Ich habe mich erkundigt über dein Vorleben und deine Familie, denn ich weiß immer gern, wer meine Leute sind. Es war gar nicht einfach, aber ich habe es herausgefunden, von welcher Herkunft du bist. Es war schon richtig, dass du ein großes Geheimnis darum gemacht hast. Niemand hätte dich eingestellt, wenn bekannt geworden wäre, dass du die Tochter von Lord Ashbury bist, der sich mühelos mehr als einen Zirkus aus der Portokasse leisten könnte. Aber auf diese Weise bietest du dich förmlich an als Sündenbock. Du bist das tief vom Leben gefrustete Töchterlein einer vornehmen Adelsfamilie, die mit dem Zwiespalt zwischen Herkunft und Neigung nicht mehr fertig wurde. Lady Patricia“, er lachte wieder auf. „Vielleicht werden dir sogar ein paar teure Psychiater bescheinigen, dass du ein leicht gestörtes Verhältnis zur Realität hast, oder irgendeine andere vornehm klingende Ausrede. Was weiß ich, es wird bestimmt etwas dabei herauskommen.“

„Was soll das heißen?“, fragte Pat jetzt tonlos. Ihr dämmerte ein Verdacht, den sie aber nicht einmal in Gedanken fassen wollte.

„Ach, liebste Pat, das ist doch ganz einfach, oder willst du mich nicht verstehen? Natürlich wirst du es gewesen sein, die das Feuer legt. Und du wirst bedauerlicherweise in den Flammen umkommen. Ein großer Verlust für das Artistenvolk und für die Menschheit, ich weiß. Aber manchmal muss man einfach Opfer bringen.“

Das klang vollkommen normal und doch so abgrundtief skrupellos, dass es Pat schauderte. Sie zerrte wieder an den Fesseln, aber die waren gut gebunden, und es gab einfach keine Chance sich zu befreien.

„Cedric, das kannst du nicht einfach tun. Du willst mich doch nicht umbringen? Ich bitte dich, bis jetzt ist doch noch nichts passiert, was man nicht wieder in Ordnung bringen könnte. Aber Mord? Cedric, das kannst du nicht ernst meinen. Du kannst doch nicht einfach töten! Du doch nicht!“

Pat spürte voller Angst, dass jedes Wort, das sie aussprach, wie in einen leeren Raum fiel und ungehört verhallte. Cedric konnte und würde nicht auf sie hören, er war verblendet und so in seinen eigenen Gedankengängen gefangen, dass nichts und niemand ihn von seiner Linie abbringen konnte.

„Ich sage es dir noch einmal, Pat, es tut mir wirklich leid um dich. Du bist eine gute Artistin. Also bitte, nimm es einfach nicht persönlich, es hätte jeder andere sein können, aber es hat nun einmal dich getroffen. Jemand muss ein Opfer bringen, und fast ist es Verschwendung eine junge hübsche Frau wie dich zu benutzen. Aber meine Wahl ist gefallen und kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Adios, schöne Lady Patricia.“

Er ging davon, während Pat laut aufschrie, heftig und verzweifelt an ihren Fesseln zerrte, die mittlerweile eng in ihre Hände und Füße schnitten. Dann blieb sie allein zurück, ihrer Verzweiflung und dem Schock überlassen, vor Kälte fast starr und vor Angst zerfressen.

Sammelband 7 Mystery Thriller - Der Sommer der Geheimnisse

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