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Als wir am Hafen ankamen, waren dort schon eine Reihe von Einsatzfahrzeugen der Polizei von Marseille. Zu unserer Überraschung war auch Dr. Oscar Dubarry dort.

„Hallo Oscar“, sagte ich. „Lange nicht gesehen.“

„Ich war gerade mit der Obduktion von André Menotti fertig, da kam diese Meldung herein“, berichtete er und gähnte. „Den offiziellen Bericht werde ich erst morgen diktieren. Aber das wichtigste habe ich in einer Mail zusammengefasst. Es war definitiv ein Gasdruckmesser.“

Vor uns lag die Leiche einer Frau. Für eine Wasserleiche war sie erstaunlich gut erhalten. Dr. Dubarry erklärte uns auch warum. „Sie war in Plastikfolie gewickelt“, sagte er.

„Die Plane, auf der sie jetzt liegt?“, fragte Francois.

„Ja. Monsieur Brix von der Polizei von Marseille hat die Leiche herausgeschnitten. Sie hat am Rücken eine Verletzung, die sehr wahrscheinlich von einem Gasdruckmesser stammt. Alle Merkmale sind deutlich zu identifizieren.“

„Die Hornisse hat also wieder zugestochen“, murmelte ich.

„Sie irren sich, Pierre“, sagte Dr. Dubarry.

Ich sah ihn fragend an. „So?“

Dr. Dubarry deutete auf die am Boden liegende Frau. „Diese Frau starb vor Georges Lenoir. Sie ist das erste Opfer der Hornisse, seit sich dieser Profikiller aus seinem Ruhestand verabschiedet hat!“

„Wann ist sie denn vermutlich getötet worden?“, wollte ich wissen.

„Ich nehme an, dass sie schon zwei Wochen im Wasser liegt. Mindestens.“

Monsieur Brix war inzwischen zu uns getreten. Er war ein rothaariger Hüne mit leuchtenden grünen Augen.

„Alain Brix“, stellte er sich vor. „Vermisstenabteilung. Die Tote ist wahrscheinlich Selma Laplace, 35 Jahre. Sie lebt im Haus Ihres Lebensgefährten, Monsieur Bernard Hendaye. Der hat sie erst vor ein paar Tagen als vermisst gemeldet, meint aber, dass sie schon vor drei Wochen verschwunden ist.“

„Das ist etwas verwirrend“, meinte ich.

„Am besten, er erklärt Ihnen das selbst. Da vorne kommt er“, sagte Brix und deutete zur Straße. Ein schwarzer Wagen fuhr die Auffahrt hinunter. Ein Mann im dreiteiligen Anzug stieg aus. Einer der uniformierten Kollegen versuchte ihn davon abzuhalten, weiterzugehen, aber Bernard Hendaye war nicht zu stoppen. Sein kantiges Gesicht war dunkelrot. Das schüttere Haar etwas wirr.

„Einen Moment“, sagte Monsieur Brix und eilte Bernard Hendaye entgegen.

„Wo ist sie?“, fragte Hendaye nur, während sich Brix ihm in den Weg zu stellen versuchte.

„Monsieur Hendaye.“

„Da liegt sie?“

„Monsieur Hendaye, es ist nicht gut, wenn Sie jetzt einfach...“

Aber Hendaye hatte sich schon an ihm vorbeigedrängt und mit weiten, schnellen Schritten schließlich die Leiche erreicht. „Selma“, rief er. „Nein!“ Er kniete nieder, berührte leicht ihr bleiches Gesicht. „Nein“, flüsterte er noch einmal und schüttelte den Kopf. Verzweiflung stand in seinen Zügen, gepaart mit Wut.

„Es gibt keinen Zweifel, Monsieur Hendaye?“, fragte ich.

Er schüttelte den Kopf. Dann erhob er sich. „Ich hatte Monsieur Brix gebeten, mich sofort anzurufen, wenn er etwas von meiner Frau gehört hätte. Die Beschreibung...“ Er schluckte und konnte nicht nicht weiter sprechen. Dann ging ein Ruck durch seinen Körper. Seine Augen verengten sich. Er sah mich an. „Wer sind Sie?“

„Pierre Marquanteur, Kriminalpolizei Marseille. Dies ist mein Kollege Kommissar Leroc. Es ist sicher ein Schock für Sie, dass Sie gerade Ihre Lebensgefährtin identifizieren mussten. Aber ich möchte Sie trotzdem bitten, uns einige Fragen zu beantworten.“

„Natürlich.“ Seine Haltung straffte sich, aber es war überdeutlich, wie schwer es ihm fiel, die Fassung zu bewahren.

„Wir müssen das nicht hier machen“, sagte ich. „Wenn es Ihnen jetzt schwer fällt, dann...“

„Nein, nein, fragen Sie ruhig. Ich möchte, dass die Wahrheit herauskommt. Oh, verdammt, warum nur? Warum ermordet jemand diese Frau?“

„Wir gehen davon aus, dass der Täter ein professioneller Killer war, der in letzter Zeit auch andere Morde begangen hat. Und wir suchen natürlich nach Zusammenhängen.“

„Ein Profi?“, fragte Hendaye. „Ich hätte eher gedacht, dass das irgendeiner dieser durchgeknallten Leute war, die glaubten, dass Selma ihnen Geld schuldete.“

„Sie sprechen nicht zufällig von einem gewissen Gerard Dugas?“, fragte ich.

„Den haben wir angezeigt. Aber da waren auch noch ein paar andere. Ich überlasse Ihnen gerne die Unterlagen dazu!“ Er atmete tief durch.

„Seit wann vermissen Sie Ihre Frau? Es gab da ein paar widersprüchliche Angaben.“

„Also es ist so: Wir haben uns vor vier Wochen zuletzt gesehen. Es gibt in jeder Beziehung mal eine Krise. Wir wollten etwas Abstand und sie hat eine Tante, die in London lebt. Dort wollte sie einige Zeit verbringen. Telefonisch oder per Mail hatten wir keinen Kontakt. Jeder sollte für sich darüber nachdenken, wie es weitergehen soll. Ich habe es dann aber irgendwann nicht mehr ausgehalten und bei dieser Tante in London angerufen.“

„Wann war das?“

„Vor zwei Tagen. Da habe ich allerdings erfahren, dass Selma bereits vor zwei Wochen eine Maschine nach Marseille genommen hat. Sie wollte mich überraschen. Allerdings ist sie nie zu Hause angekommen. Ihre Kollegen von der Polizei von Marseille haben natürlich ermittelt und festgestellt, dass sie sehr wohl im Aéroport Marseille Provence gelandet ist. Aber danach verliert sich ihre Spur.“

Dann war Selma Laplace also vor zwei Wochen ermordet und im Hafen versenkt worden. Genau, wie es der Schätzung von Dr. Dubarry entsprach.

Ich gab Hendaye meine Karte und er mir seine. „Sie können jederzeit zu mir kommen und sich umsehen“, sagte er. „Ich meine natürlich in Selmas Zimmer, ihren Sachen, ihren Unterlagen und Papieren. Meinetwegen auch auf ihrem Computer. Wir hatten eine Krise, aber ich habe sie geliebt wie sonst niemanden und ich will, dass das aufgeklärt wird.“

„Wir tun was wir können“, versprach ich. „Und was Ihr Angebot angeht, werden wir sicherlich darauf zurückkommen.“

„Gut.“

„Vielleicht sollte sich jetzt jemand um Sie kümmern, Monsieur Hendaye“, fand ich.

Aber Hendaye schüttelte den Kopf. „Nein“, murmelte er. „Ich komme schon zurecht.“

Einer der uniformierten Kollegen wollte Hendaye einen Becher mit Kaffee aus der Thermoskanne anbieten, aber davon wollte er nichts. Er ging stattdessen noch einmal zu der Toten, schloss ihr die Augen und ging dann zum Wagen, ohne sich noch einmal umzudrehen.

„Es steht zwei zu eins, Francois“, sagte ich.

Francois sah mich überrascht und etwas befremdet an. „Wie bitte, Pierre?“

„Zwei Opfer hatten etwas mit Gerard Dugas zu tun, das dritte nicht.“

„Du meinst Menotti.“

„Genau.“

„Diesen armen Kerl hast du noch immer nicht von der Rechnung gestrichen?“

Ich zuckte die Schultern. „Du setzt voraus, dass wir schon eine Rechnung haben, von der wir was streichen könnten. Vorerst sieht das ganze noch etwas verworrener aus.“

„Stimmt.“

„Ich stelle mir das nur gerade vor, Francois: Jemand wie Dugas hat sein Vermögen verloren und muss mit ansehen, wie Selma Laplace in Saus und Braus lebt.“ Ich deutete auf die Karte, die Hendaye mir gegeben hatte. „Dieser Hendaye wohnt in einer sehr feinen Gegend.“

„Er haftet ja nicht für das, was Selma Laplace mutmaßlich verbrochen hat!“

„Ja. Aber sie lebte in einer Villa, aber Leute wie Dugas haben beinahe ihr Haus verloren. Dafür, dass jemand da etwas aus der Fassung geraten kann, habe ich sogar ein gewisses Verständnis!“

„Die Reihenfolge der Opfer heißt also Selma Laplace, Georges Lenoir, André Menotti. Dieselbe Waffe, vermutlich derselbe Täter. Wenn wir das Motiv des Auftraggebers hätten, wären wir einen entscheidenden Schritt weiter.“

„Und wenn der Täter in eigener Sache handelte?“

„Ach, Pierre, wir drehen uns im Kreis. Wie heißt es so schön? Die Faktenbasis ist noch zu schmal für Schlüsse.“

Ich wandte mich an Monsieur Brix. „Was Selma Laplace angeht, sind da eigentlich schon die Videos der Überwachungskameras im Aéroport Marseille Provence ausgewertet worden?“

„Wir haben damit angefangen“, erklärte Brix. „Aber fertig sind wir damit noch nicht.“

Mir fiel ein Mann auf, der in sich zusammengesunken auf einer Bank saß. Er musste da schon länger sitzen, sonst wäre er von den Kollegen der Polizei von Marseille gar nicht dorthin gelassen worden. „Wer ist das?“, fragte ich.

„Das ist...“ Monsieur Brix nahm einen Zettel hervor, wo er sich wohl den Namen notiert hatte. „...Giles Sinclair, Flic im Ruhestand. Er hatte das Bündel mit Selma Laplace an der Angel.“

„Den brauchen wir nicht mehr zu befragen“, meinte Francois. „Ich denke, wir wissen alles, was er uns sagen könnte.“

„Da bin ich mir nicht so sicher“, widersprach ich.

Ich weiß nicht warum, aber ich hatte einfach ein Gefühl, das mir sagte, dass ich diesen Mann unbedingt kennen lernen wollte. Meistens tut man gut daran, solchen Instinktregungen zu folgen. Ich habe das immer wieder erfahren.

Also ging ich zu ihm hin und setze mich neben ihn. Francois blieb in der Zwischenzeit bei Dr. Dubarry und Monsieur Brix.

„Pierre Marquanteur, Kriminalpolizei Marseille“, stellte ich mich vor. „Monsieur Sinclair?“

Er hatte ein vollkommen starres Gesicht und blickte hinaus auf den Hafen – oder ins Nichts, ganz wie man wollte. Er war bleich wie die Wand. Ich schätze ihn auf Mitte siebzig. Wenn er wirklich ein Flic im Ruhestand war, dann lag seine aktive Zeit schon ein paar Jahre zurück. Aber es wunderte mich schon etwas, dass er diesen Vorfall nicht gefasster hinnahm. Schließlich musste er als Polizist mehr als einmal dabei gewesen sein, wie eine Leiche aus dem Wasser gezogen wurde. Und wer dazu nicht eine gewisse professionelle Distanz bekommt, der erreicht meistens auch nicht sein Pensionsalter im aktiven Dienst.

„Man sagte mir, Sie hätten die Tote...“ Ich sprach nicht weiter. Irgendwie fiel mir kein Wort ein, das in diesem Moment nicht einfach nur unpassend gewesen wäre.

Er wandte das Gesicht in meine Richtung. In seinen Augen glitzerten Tränen. „Ich war jahrzehntelang in der Vermisstenabteilung, und später bei einer Einheit, die sich mit Sexualverbrechen befasst hat. Und Sie denken wahrscheinlich, dass jemand wie ich von so etwas nicht so mitgenommen werden sollte.“

„Nun, ich muss gestehen, dass ich etwas verwundert bin. Aber es steht mir nicht zu, darüber zu urteilen.“

„Die letzten zwei Dienstjahre habe ich im Innendienst verbracht“, sagte Sinclair. „Ich konnte einfach nicht mehr.“

„Dafür muss sich niemand schämen“, sagte ich.

„Wissen Sie, eines Tages wurde ich zu einem Ort wie diesem gerufen. Da zog man eine Leiche aus dem Wasser, die genauso bleich war und es stellte sich heraus, dass es meine Tochter war. Sie hatte auch bei der Polizei angefangen, wollte in meine Fußstapfen treten. Seit drei Tagen war sie nicht zum Dienst gekommen, war nicht in ihrer Wohnung und meldete sich auch nicht am Telefon.“ Er schwieg einen Moment. „Man hat die Täter nie gefasst und es konnte bis heute nicht aufgeklärt werden, was eigentlich geschehen ist. Sie werden verstehen, dass ich danach meinen Job nicht mehr machen konnte.“

„Natürlich.“

„Jedenfalls nicht so, wie zuvor. Und das hier hat mich stark daran erinnert.“

„Wir tun immer unser Bestes, um ein Verbrechen aufzuklären“, sagte ich. „Aber ich erzähl Ihnen nichts Neues, wenn ich Ihnen sage, dass das leider nicht immer gelingt.“

„Ich hoffe, dass Sie es in diesem Fall schaffen, Kommissar Marquanteur. Also stellen Sie Ihre Fragen, falls Sie welche haben.“

„Sind Sie öfter hier zum Angeln?“

„Jeden Tag. Immer in den frühen Morgenstunden. Manchmal ab vier Uhr. Die Fische beißen dann am besten.“

„Da begegnet Ihnen meistens niemand, oder?“

„Sie wären erstaunt, wie viele Leute in Marseille früh aufstehen.“

„Die Frau ist vor zwei Wochen verschwunden und danach irgendwann ins Wasser geworfen worden.“

„Ja, und das muss hier passiert sein. Denn das Bündel, in dem sie steckte, war mit einem Anker versehen, wie man sie für Sportboote kaufen kann. Ich habe es mitbekommen, als sie die Frau herausholten. Und wenn sich mein Schwimmer am Angelhaken nicht gelöst hätte, wäre der Haken nie tief genug gesunken, um sich darin zu verfangen.“

„Ist Ihnen in den letzten zwei Wochen hier irgendwann mal irgendetwas aufgefallen, was mit diesem Fall zu tun haben könnte? Jemand, der hier sonst nie gewesen ist, ein Wagen, der hier nicht her gehört, Spuren, ich weiß nicht was. Sie waren Polizist und wissen, was ich meine.“

„Einmal war schon jemand vor mir da. Das ist wirklich selten. Ich bin eigentlich immer der erste. Ich dachte zuerst, dass wäre jemand, der im Morgengrauen Tai Chi Übungen macht. Da gibt's nämlich auch ein paar, die die Aussicht hier schön finden.“

„Können Sie die Person beschreiben?“

„Es war ein Mann. Er hatte so ein Sweatshirt mit Kapuze und deswegen habe ich von seinem Gesicht kaum was gesehen. Es war noch ziemlich dunkel. Er ist an mir vorbei gelaufen. Das ging sehr schnell. Wollen Sie sein Autokennzeichen?“

Ich sah ihn überrascht an.

„Natürlich!“

„Ist eine Angewohnheit von mir. Ich schreibe alle Nummern der Fahrzeuge auf, die ich hier antreffe. Das Fahrzeug von dem Kerl müsste auch dabei gewesen sein. Es war ein Toyota, das weiß ich noch.“ Er griff in seine Jackentasche und holte ein Notizbuch hervor. Dann blätterte er darin. Fein säuberlich waren da für jeden Tag die Autokennzeichen verzeichnet, die Giles Sinclair morgens am Hafen angetroffen hatte.

„Können Sie uns diese Aufzeichnungen für eine Weile überlassen?“, fragte ich. „Sie bekommen Sie zurück.“

„Natürlich.“

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