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Eines hatte Ernestine Freihaus selbst überhaupt nicht bedacht, doch es fiel ihrer Kommandozentrale auf: Schon nach überraschend kurzer Beratung nach ihrer Berichterstattung meldete diese sich wieder bei ihr:

„Die Takeling: Würden Sie diese wiedererkennen?“

„Wiedererkennen?“, wunderte sich Ernestine, doch dann wurde ihr klar, worauf man hinaus wollte.

„Richtig, es muss sie ja auch hier geben, aber hier wird sie wohl kaum Takeling heißen. Sie hat mir selbst erzählt, dass sie vorher einen anderen Namen getragen hat. Es war offenbar eine völlig andere Existenz gewesen. Irgendwie hat man sie bei der Squad drüben regelrecht umprogrammiert und sie zum Kommandanten gemacht. Als Telepathin natürlich bestens geeignet, um Gefangene zu verhören.“

„Moment noch. Wir lassen einen Algorithmus laufen mit Ihrer Beschreibung. Die ersten Treffer wurden bereits erzielt. Wenn der Algorithmus abgelaufen ist, überspielen wir die Daten auf Ihren Homecomputer.“

Die Bezeichnung Homecomputer war im Grunde genommen stark untertrieben, denn eigentlich war die gesamte Wohnung ein Computer, nach außen hin perfekt abgeschirmt. Das digitale Nadelöhr, das extra geöffnet werden musste zur Außenkommunikation, galt als absolut sicher vor Hackern.

Das war zu früheren Zeiten nämlich durchaus ein Problem gewesen, wie man wusste, weshalb die grenzenlose Vernetzung von sogenannten Smarthomes endlich der Vernunft gewichen war. Jetzt war jedes Smarthome wie eine digitalisierte Festung, also von außen weitgehend uneinnehmbar.

Vor allem, wenn man es sich leisten konnte, und ein großer Teil der Bevölkerung des hiesigen Planeten SULEIMAN konnte das.

Und dann kam das Signal: Ernestine musste nur die Freigabe bestätigen, um den Empfang der Daten abzuschließen.

Die nächste Zeit verbrachte sie mit dem Sichten des Bildmaterials. Sie hoffte dabei, dass es nicht allzu lange dauern würde, denn die Blondine entpuppte sich als eine Art Allerweltsausgabe. Kein Wunder, denn Genmanipulationen waren durchaus in beiden Welten üblich. Innerhalb eines gewissen Rahmens zwar, aber als positiver Aspekt waren immerhin damit praktisch sämtliche angeborenen Missbildungen und Erbkrankheiten von vornherein ausgeschlossen.

Negativer Aspekt: Es gab kaum noch Menschen, die man wirklich als Individuen bezeichnen konnte, also wirklich das, was man zu Recht als individuell hätte bezeichnen können. Nicht deshalb, weil sie nicht vollkommen genug aussahen, aber genau das war ja die Krux: Es gab so eine Art Einheitstypus, je nach Modetrend – und jene Blondine gehörte leider dazu, weshalb die Eingrenzung auf eine bestimmte Person, die jener Takeling entsprechen würde, nicht gerade einfach war.

Wahrhaft schöne neue Welt!, dachte Ernestine unwillkürlich, wobei sie nur diese Welt hier meinte, nicht die drüben, denn dort war außer den meisten Menschen alles andere überhaupt nicht schön.

Letztlich dauerte es jedoch überhaupt nicht so lang, bis sie sich trotz alledem sicher war: Sie hatte die hiesige Ausgabe von Kommandant Takeling vor sich!

Ihr Name lautete Sostra Tierens.

Ein seltsamer Name, zumindest hier in der Hauptstadt Thunmaher, doch Ernestine erinnerte sich daran, dass hoch im Norden solche Namen häufiger auftraten, weil dort entsprechend anders gesprochen wurde. Ein Norddialekt obendrein, den man hier, in der Hauptstadt, kaum verstehen konnte.

Dann stammte auch Takeling aus dem Norden?

Das konnte sie natürlich nicht sagen, denn Takeling hatte völlig akzentfrei gesprochen. Nichts hatte auf ihren Heimatdialekt hingewiesen.

Ernestine meldete sich wieder in der Kommandozentrale und teilte ihre Entdeckung mit.

„Sind Sie sich da völlig sicher?“

„Ich habe eine besonders ausgeprägte Beobachtungsgabe, die sich hervorragend zur Analyse eignet, wie Sie wissen, und dennoch: Natürlich kann ich mir nicht völlig sicher sein! Um völlig sicher zu sein, muss ich diese Takeling mit ihrem alten Namen konfrontieren, um dabei ihre Reaktion zu testen.“

„Das wäre allerdings mit einem nicht unbeträchtlichen Risiko verbunden: Diese Takeling würde sich fragen, woher Sie eine solche streng geheime Information haben könnten. Und dann wären Sie erst recht als Mutant verdächtig.“

„Ich will mich jetzt nicht festlegen. Bevor ich das Risiko eingehe, muss die Situation entsprechend sein. Wir wissen ja immer noch nicht, wie es drüben weiter gehen wird mit mir. Es wäre also im Grunde genommen nur eine mögliche Option.“

„Falls dies wirklich ihr alter Name sein sollte“, gab die Kommandozentrale noch zu bedenken. „Und wenn nicht würden Sie dieses Risiko völlig umsonst eingehen.“

„Wie gesagt: Deshalb entscheide ich aus dem Augenblick heraus. Ich bin derzeit nicht in der Lage, meine nächsten Schritte schlüssig zu planen, weil mir ganz einfach hierfür zu viele Parameter fehlen.“

Ernestine zögerte kurz. Dann fragte sie ganz direkt:

„Und wo befindet sich die hiesige Sostra Tierens jetzt? Hier, in der Hauptstadt gar? Das geht nicht aus dem Datenmaterial hervor, das Sie mir zugesendet haben.“

„Das müssen wir jetzt erst noch ermitteln.“

„Und was mache ich inzwischen?“

„Drüben weiter schlafen“, schlug die Kommandozentrale vor.

Ernestine war da ganz anderer Meinung:

„Bei allem Respekt: Das halte ich für falsch, denn mit Sicherheit wird mein Körper lückenlos überwacht - und möglicherweise sogar mein Gehirn und somit mein Geist. Wenn ich zu lange im Tiefschlaf bleibe, fällt das unweigerlich auf. Niemand ist so lange im Tiefschlaf.“

„Das stimmt, aber es gibt für Sie drüben derzeit nichts zu tun. Wir müssen abwarten, wie sich die Dinge weiter entwickeln. Es darf jedenfalls unter keinen Umständen Ihre besondere Fähigkeit erkannt werden.“

„Nun, irgendwie sind die doch sowieso schon auf meine Spur gekommen. Bis jetzt hat man es nur versäumt, mir Näheres darüber zu sagen.“

„Wie gesagt: Da hilft gegenwärtig nur das Abwarten.“

„Also gut! Ich werde mich jetzt hinlegen und zurück wechseln. Leider kann ich es nicht wagen, den Kontakt zwischen beiden Welten aufrecht zu erhalten. Das könnte diese Telepathin bemerken. Sie würde zwar nicht wissen, was sie da überhaupt feststellt, aber ich sollte wohl dieses Risiko lieber nicht eingehen.“

„Da sind wir der gleichen Auffassung. Viel Glück, Kommandant Freihaus!“

„Danke!“

Ernestine unterbrach die Verbindung und kehrte ins Bett zurück.

Kreuzweg vieler Welten : Science Fiction Sammelband: 1000 Seiten Roman Paket

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