Читать книгу 10 neue Alfred Bekker Strand Krimis Oktober 2021 - Alfred Bekker - Страница 20
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Оглавление»Hast du das gesehen, Milo?«
Ich bahnte mir einen Weg durch die Menge der Trauernden, ohne dabei allzu viel Aufsehen zu erregen. Was dieser »Veteran« getan hatte, musste seinen Grund haben, und den wollte ich wissen. Mein Instinkt sagte mir, dass der etwas mit unserem Fall zu tun haben konnte.
Milo folgte mir, ohne groß nachzufragen.
Aber nach ein paar Augenblicken hatte ich den Kerl verloren. Er war in der Menge der Trauernden verschwunden.
Spurlos.
»Clive, habt ihr den Kerl, der vorhin seinen Orden in das Grab geworfen hat, aufgezeichnet?«, murmelte ich in das Kragenmikro hinein.
»Wir haben alles aufgezeichnet!«, erwiderte Clive Caravaggio durch meinen Ohrhörer.
»Könnt ihr sehen, wo der Kerl sich jetzt befindet?«
»Was willst du von ihm, Jesse?«
»Ihm ein paar Fragen stellen. Wer so etwas tut, muss einen Grund dafür haben – und weiß wahrscheinlich eine Menge über Imperioli. Vielleicht Dinge, die wir noch nicht wissen, die uns aber weiterbringen!«
»Sieh zu, dass du keinen Aufruhr veranstaltest, Jesse. Im Moment ist er auf keinem unserer Kontrollschirme.«
»Dann sucht ihn.«
»Jesse!«
Ein knatterndes Geräusch lenkte mich in diesem Augenblick ab und übertönte Clive Caravaggios Stimme in meinem Ohrhörer.
Ich blickte mich um.
Da schwebte etwas zwischen den hoch aufragenden Gebäuden hindurch – direkt auf den Friedhof zu. Es hob sich schlecht gegen die Brownstone-Fassaden ab, wirkte erst wie ein dunkler Fleck oder ein überdimensionales Insekt.
Augenblicke später sah ich, was es wirklich war.
Ein Doppel-Tucker-Flugzeug.
Schon der hohe Klang des Motors und die teils hektischen Flugbewegungen zeigten an, dass es sich um ein Modell handelte. Die Flugbahn senkte sich.
Ein Raunen ging durch die Menge der Trauernden.
»Milo!«, rief ich und griff dabei instinktiv zu meiner SIG Sauer P226.
Das Flugzeugmodell brauste heran, flog tiefer.
An der Unterseite hing etwas. Drei eiförmige Gegenstände.
Genau über dem Grab wurde eines dieser »Eier« ausgeklinkt. Es fiel knapp neben das Grab auf einen der Erdhügel, rollte von dort aus in die Tiefe, prallte auf den Sargdeckel …
Im nächsten Moment gab es eine Höllenexplosion.
Menschen wurden wie Puppen durch die Luft geschleudert. Verkohlte Stücke aus lackierter Eiche – dem Material, aus dem der Sarg gezimmert worden war – und Brocken aus dem Erdreich flogen durch die Luft und regneten auf die Trauergemeinde nieder.
Der Doppel-Tucker flog einen Bogen.
Schreie des Entsetzens und des Schmerzes gellten über den St. Josephs Cemetery. Die Wirkung der Explosion glich der einer Handgranate. Es gab wahrscheinlich Dutzende von Verletzten, vielleicht auch Tote.
Die Trauernden stoben in heller Panik auseinander.
Raymond Wous Leibwächter umringten ihren Boss, schützten ihn mit ihren Körpern und rissen ihre Waffen hervor.
Auch anderswo wurden Schusswaffen hervorgeholt. Hier und da drückte jemand ab, ohne zu treffen. Den meisten anderen schien klar zu sein, dass es sinnlos war, wie wild auf das Modell zu ballern und es damit womöglich direkt auf die Trauergemeinde stürzen zu lassen, was dann vermutlich die Explosion des restlichen Sprengstoffs nach sich zog.
Das Modell näherte sich erneut im Tiefflug, hetzte die Menge wie eine Herde Schafe durcheinander. Dann fiel erneut eines der »Eier« hinunter. Wieder gab es ein ohrenbetäubendes Detonationsgeräusch. Unterdessen war am Ausgangstor des Friedhofs ein Stau entstanden. Die Menschen drängten sich dort, während die Umgebung der Grabstätte des ›Großen Alten‹ einem Schlachtfeld glich. Die Schreie der Verwundeten gingen mir durch Mark und Bein. Der Doppel-Tucker zog noch einmal einen Bogen.
Das grausame Hirn, das hinter diesem Mordplan stand und den Doppel-Tucker aus der sicheren Entfernung lenkte, hatte noch eine Granate zur Verfügung. Die zweite Explosion hatte in erster Linie dazu gedient, die Menschen gezielt zum Eingang zu treiben. Aber das kaum zwei Meter fünfzig breite Tor war diesem Massenansturm nicht gewachsen.
Nicht in dieser kurzen Zeit!
Der Doppel-Tucker flog einen weiteren Bogen, kam jetzt wieder zurück und senkte die Flugbahn.
Ich zielte mit der SIG.
Milo ebenfalls. Er hatte offenbar denselben Gedanken wie ich.
Wir mussten das Ding erwischen, bevor es so nahe an der Menge war, dass es keine Rolle mehr spielte, ob unsere Schüsse es zur Explosion brachten oder der Doppel-Tucker seine letzte tödliche Fracht ins Ziel bringen konnte.
Die ersten Schüsse gingen daneben. Einer kratzte an der Tragfläche und brachte den Doppel-Tucker etwas aus der Bahn. Etwa zwanzig Meter kam er vom Kurs ab. Dann folgte ein Treffer. In einer chaotischen Bahn stürzte der Doppel-Tucker mit der Schnauze gegen einen Grabstein.
Sekundenbruchteile später folgte die Explosion.