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Peter hatte am nächsten Morgen nicht geduscht. Er wusste, dass seine Mutter es nicht leiden konnte, wenn man zu spät zum Frühstück kam. Aber Peter kam trotzdem zu spät, auch wenn es heute nicht an ihm lag, sondern daran, dass seine Mutter das Frühstück heute früher gemacht hatte als gewöhnlich.

Er kam müde und gähnend die Treppe hinunter, während er aus der Küche das Geklirr von Frühstücksgeschirr und das Piepen eines Eierkochers hörte. Er rieb er sich erst die Augen, dann die Schläfen.

Wacher machte ihn das allerdings auch nicht.

Als er dann ein paar Augenblicke später den gedeckten Tisch sah, und ihm der Kaffeeduft in die Nase stieg, wurde er etwas munterer.

Er ließ sich auf seinen Stuhl fallen.

"Morgen, Junge", hörte er die Stimme seiner Mutter, die an der Anrichte stand, nach der Kaffeekanne griff und dann zum Tisch kam. "Ich habe euch Frühstück gemacht", erklärte sie überflüssigerweise und schenkte ihm ein.

"Toll."

Sie beugte sich etwas vor und sprach plötzlich mit gedämpfter Stimme.

"Wo ist sie jetzt?"

"Im Bad."

"Gut..."

Peter hob den Blick. Er hatte sich bemüht, den seltsamen Unterton in der Stimme seiner Mutter zu überhören. Aber es war unmöglich.

Er fühlte Unbehagen in sich aufsteigen, als seine Mutter neben dem Tisch stehenblieb und hörbar durchatmete, so als müsste sie erst einmal genügend Sauerstoff tanken, um das, was sie zu sagen hatte, endlich herauszubringen.

"Ich glaube nicht, dass sie etwas für dich ist, Peter", sagte sie dann blechern.

Peter runzelte die Stirn.

Er war ärgerlich. Und daran konnte auch kein Frühstück etwas retten. Er ließ das Messer ziemlich hart auf den Teller krachen.

"Mutter!"

"Ich mache mir Sorgen."

"Ich kann auf mich selbst aufpassen."

"Das glaubst du vielleicht! Aber diese Frau..."

"Sie ist kein Ungeheuer, Mutter!"

Der Blick, mit dem sie ihn jetzt bedachte schien zu fragen: Wirklich nicht?

Aber Frau Simon hatte sich gut genug unter Kontrolle, um es unausgesprochen zu lassen. Sie spürte den Widerstand bei ihrem Sohn und begann zu ahnen, dass dieser Widerstand nur stärker werden würde, wenn sie ihren Angriff zu frontal vortrug.

Stattdessen sagte sie erst einmal etwas völlig Unverfängliches "Ich habe übrigens diesen besonderen Käse gekauft, den du so gerne magst. Wie heißt er noch? Dieser Französische...

Ich komme jetzt nicht mehr auf den Namen. Hast du ihn schon probiert?"

"Nein."

Eine Pause entstand. Beide spürten, wie die Luft zwischen ihnen knisterte. Peter wusste genau, worüber sie jetzt eigentlich reden sollte.

Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und fing wieder davon an.

"Sie sieht gut aus", stellte sie fest. Eigentlich ein Kompliment. Sie sagte es aber auf eine Weise, die es wie einen Makel klingen ließ.

"Ja", knurrte Peter.

"Und sie weiß, wie man einem Mann den Kopf verdreht."

"Ach, was!"

"Ich habe doch Augen im Kopf.

"Mutter!"

"Sie hat dich schon völlig unter Kontrolle. Aber ich warne dich..."

Er unterbrach sie erregt.

"Du hättest dich gestern Abend wirklich ein bisschen mehr zusammenreißen können, Mutter, findest du nicht?"

Seine Mutter blickte kühl auf ihn herab. Er mochte diesen Blick nicht.

"Sie... Ich weiß auch nicht", murmelte sie und rieb die Hände nervös aneinander.

"Was weißt du nicht?"

"Ist es was Ernstes?"

Peter schlürfte an seinem Kaffee und schnitt ein Brötchen mitten durch. Und dabei ließ er sich alle Zeit der Welt, denn er wusste, dass er antworten musste, wenn er damit fertig war.

Seine Mutter verschränkte unterdessen die Arme vor der Brust.

"Nun sag schon!", forderte sie unmissverständlich, wobei sie kaum die Lippen bewegte.

Er hob die Augenbrauen, sah sie aber nicht an.

"Und wenn?"

"Sie erinnert mich stark an diese... Sylvia."

Peter blickte auf. Sylvia... Der Name weckte ein paar Erinnerungen, die er jetzt nicht gebrauchen konnte. Er verdrehte die Augen.

"Mutter!"

"Ja, ich weiß, du willst wieder nicht über Sylvia reden. Das wolltest du damals schon nicht."

"So ist es!"

"Du weißt, wie das geendet hat! Das mit Sylvia."

"Mutter, was soll das jetzt!"

"Habe ich es schon einmal schlecht mit dir gemeint?"

"Nein, aber..."

"Na, also! Und außerdem - " Sie brach abrupt ab, als sie Stefanie die Treppe herunterkommen hörte. Ihr Gesicht war zu einer pergamentartigen Maske geworden. "Ich gehe jetzt", verkündete sie und wandte sich halb herum.

"Warum?"

"Ich bin schon fertig mit dem Frühstück. Außerdem muss ich raus und mich um die Geranien kümmern."

Peter lehnte sich zurück.

"Du willst Stefanie aus dem Weg gehen!"

"Ich will heute zum Grab und dafür ein paar Geranien schneiden. Das ist alles."

"Und das soll ich dir glauben?"

In diesem Moment trat Stefanie ein.

Sie musste die aufgeladene Stimmung spüren und blickte etwas befremdet erst zu Peter, dann zu seiner Mutter, die sich zum Gehen wandte.

"Guten Morgen, Frau Simon", sagte Stefanie dann. Ihre Stimme klang sehr hell und klar. Und vor allem konnte man ihre Worte unmöglich überhören.

Frau Simon blieb nicht stehen.

"Guten Morgen", murmelte sie beiläufig und drückte sich aus dem Raum.

Stefanie setzte sich. Peter stand auf und schenkte ihr Kaffee ein, während Stefanies Blick über den Tisch glitt.

"Sieht ja toll aus!"

"Ja, nicht?"

Stefanie blickte dann das Fenster hinaus in den Garten, wo jetzt Frau Simon auftauchte. Dann beugte sie sich etwas über den Tisch und wandte sich an Peter.

"Sag mal, warum verschwindet deine Mutter, wenn ich auftauche?"

"Sie wollte in den Garten." Er zuckte die Achseln und setzte dann nicht sehr überzeugend hinzu: "Das hat nichts mit dir zu tun."

"Das sah für mich aber anders aus!"

"Ein Brötchen?"

"Was hat sie nur gegen mich? Benehme ich mich vielleicht so unmöglich?"

"Ob du ein Brötchen möchtest?"

Sie strich sich eine Strähne aus den Augen und seufzte.

"Gerne", murmelte sie dann. Für einen kurzen Moment begegneten sich ihrer beider Blicke.

Er lächelte dünn.

"Ich habe ja von Anfang an gesagt, dass es keine gute Idee war, zu mir zu gehen", meinte er.

"Mich wundert es, dass du dir das bieten lässt."

"Wovon sprichst du, Stefanie?"

"Na, deine Mutter terrorisiert dich doch regelrecht!"

"Ach Quatsch!"

"Wie alt bist du, Peter?"

"Dreißig."

"Höchste Zeit für dich auszuziehen, würde ich sagen! Findest du nicht?"

Peter sah sie ziemlich überrascht an. Einen Moment lang musterte er sie schweigend. Als sie aufblickte lächelte er, es wirkte verkrampft.

"Warum denn?", fragte er.

"Warum!", machte sie ihn auf eine Weise nach, die zu sagen schien: Wie kann man nur eine so dämliche Frage stellen?

Peter hob ein bisschen die Schultern.

"Es ist schön hier", meinte er dann.

"Ja, aber es ist ihr Haus - das Haus deiner Mutter."

"Na, und?"

"Das bedeutet, dass sie es hier zu sagen hat."

"Wir verstehen uns gut."

Stefanie sprach mit vollem Mund, als sie antwortete.

"Also, ich könnte das nicht ab!

"Ach!"

Sie schüttelte sehr energisch den Kopf.

"Echt nicht. Wenn ich mir vorstelle, noch zu Hause bei meinen Alten zu leben. Nee, das wäre nichts. So verstehen wir uns gut, aber wenn man sich gegenseitig zu sehr auf die Pelle rückt, gibt es nur Reibereien."

"Das muss ja nicht zwangsläufig so sein, oder?"

"In neunundneunzig Prozent aller Fälle die ich kenne", setzte sie dagegen.

Sie blickte erneut aus dem Fenster und runzelte die Stirn,als sie sah, wie Frau Simon sich über ein Blumenbeet beugte. "Sag mal, was macht sie da draußen an den Geranien eigentlich?

Peter folgte ihrem Blick.

"Sie schneidet ein paar ab. Für Vaters Grab."

"Seit wann ist dein Vater eigentlich nicht mehr am leben? Oder soll ich dich so etwas besser nicht fragen?"

Er verzog flüchtig das Gesicht.

"Warum nicht? Ich war fünf, als er starb. Er war Arzt. Zahnarzt, um genau zu sein."

Eine Art gefrorenes Lächeln stand in seinem Gesicht und blieb dort auch erst einmal.

"Du bist also praktisch nur mit deiner Mutter zusammen aufgewachsen", stellte Stefanie indessen fest.

Er nickte.

"Ja."

"Keine Geschwister?"

"Nein. Keine."

"Sie ist eifersüchtig, Peter."

Ihr Tonfall hatte sich ein wenig verändert. Er hatte keine Ahnung, wie sie das geschafft hatte, aber plötzlich berührte ihre Hand die seine und er fühlte einen Schauer über den Rücken laufen.

"Quatsch!", brummte er, nahm seine Hand weg und machte eine wegwerfende Handbewegung.

Stefanie schüttelte langsam den Kopf und strich sich dann die Haare zurück.

"Kein Quatsch", erwiderte sie mit großer Bestimmtheit. "Ich bin mir hundertprozentig sicher!"

Peter beugte sich etwas vor.

"Ich mache mir Sorgen um sie."

"Warum?"

"Wie soll ich sagen? Sie wird merkwürdig. Und sie hat keinen Menschen."

"Außer dir."

"Ja."

Stefanie blickte ziemlich verständnislos drein.

"Seit dem Tod deines Vaters sind fünfundzwanzig Jahre vergangen, Peter. Das reicht zweimal, um sich ein neues Leben aufzubauen."

Peter nickte leicht.

"Ich weiß."

"Und warum hat sie es nicht getan?"

"Keine Ahnung. Aber sag mal, können wir eigentlich nicht über etwas anderes reden?"

"Sicher. Es interessierte mich halt, wie..."

"Ja, schon gut."

"Warum bist du denn so gereizt?"

"Ich bin nicht gereizt!"

Stefanie seufzte.

"Vielleicht war es wirklich keine gute Idee, hier her zu kommen."

Phantom-Mörder - 12 Strand Krimis

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