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"War es heute anstrengend im Büro?", fragte ihn seine Mutter, als er nach Hause kam.

Peter nickte und wirkte dabei ziemlich abwesend.

"Ja."

"Ich habe dir was zum Abendessen gemacht."

"Mutter..."

Er würde es ihr sagen. Heute noch. Jedenfalls hatte er sich das vorgenommen.

"Hast du keinen Hunger?", fragte sie.

Er schüttelte den Kopf und öffnete den Mund.

"Wir müssen etwas miteinander besprechen", brachte er dann schließlich heraus.

Ihre Augen wurden schmaler und das ohnehin nur recht flüchtige Lächeln auf ihrem Gesicht verschwand nun vollends.

"Besprechen?", fragte sie. "Was denn?

"Hör zu, ich..."

"Komm, iss erst einmal was!"

"Ich werde ausziehen."

Jetzt war es heraus. Peter sah zur Seite, während er die Stimme seiner Mutter nur wie ein Echo hörte.

"Was?"

Er nickte bekräftigend.

"Ich sagte, ich werde ausziehen", wiederholte er dann und blickte auf, direkt in ihre Augen hinein, die in diesem Augenblick etwas Reptilienhaftes hatten.

"Zu ihr?"

"Wir wollen eine Wohnung zusammen mieten."

Sie hob die Arme und schien plötzlich hilflos.

"Aber, ich meine..."

"Das geht nicht gegen dich, Mutter."

"Oben wäre doch Platz genug..."

"Ja, sicher..."

"Dann verstehe nicht, wieso..."

"Mutter!"

Eine kleine Pause folgte, die sie dazu nutze, ihre Handflächen aneinander zu reiben.

"Es ist doch bestimmt nicht leicht, eine Wohnung zu finden. Alle Welt redet doch von der Wohnungsnot. Ich meine..."

"Wir haben bereits eine Wohnung."

"Ach!"

Es war ein ganz besonderes Ach! Es war die Art von Ach!, die man sagt, wenn man jemandem etwas nicht zugetraut hätte.

Sie schien tatsächlich überrascht zu sein.

"Ja", murmelte Peter.

Seine Mutter wandte sich halb um.

"Ich habe dir gesagt, was ich von dieser Frau halte." Unwillkürlich hatten sich ihre Hände zu zwei ziemlich knorrigen Fäusten geballt. "Ich habe es dir weiß Gott oft genug gesagt!"

"Du täuschst dich in ihr!"

"Habe ich mich vielleicht damals in Sylvia getäuscht?" So etwas wie Triumph klang jetzt in ihrem Tonfall mit. Und das gefiel Peter überhaupt nicht.

"Müssen wir diese alte Geschichte jetzt wiederkäuen?", knurrte er, während sie vor ihm her in die Küche ging. Sie setzte sich auf einen der schlichten Stühle, er blieb stehen.

"Warum denn nicht über Sylvia reden?", zischte sie dann.

"Diese Stefanie ist genau so wie Sylvia. Erinnerst du dich?

Die gleichen braunen Haare, der gleiche Blick, dieses kokette Grinsen, mit dem sie Männern wie dir den Kopf verdreht..."

"Mutter, hör auf!"

"Warum soll ich aufhören?"

"Mutter!"

"Warum soll ich nicht die Wahrheit sagen? Sie hat dich erst verrückt gemacht und ist dann auf und davon!"

"Das ist doch Unfug!"

"Ach, ja?"

"Sie ist verschwunden, das ist alles."

"Ja, von einem Tag auf den anderen. Sehr merkwürdig, nicht?"

"Weißt du, wie viele Menschen vermisst werden, Mutter?

"Ich habe keine Ahnung."

"Allein in Deutschland tausende. Tausende, hörst du? Ich weiß nicht, was mit ihr passiert ist, aber..."

"Ich kann es dir sagen, Junge."

Peter verdrehte die Augen.

"Nicht schon wieder!", meinte er. Er hatte nicht gelernt, mit seiner Mutter zu streiten und sich gegen sie durchzusetzen. Das war ihm nie so klar gewesen, wie in diesem Augenblick. Er hätte gerne damit aufgehört, aber vielleicht war es besser so, wie es jetzt lief, dass alles auf den Tisch kam. Oder zumindest einiges.

"Warum sperrst du dich so gegen die Wahrheit?", fragte sie.

"Was für eine Wahrheit?"

"Sylvia hat sich davongemacht, nachdem du ihr zehntausend Mark geliehen hast!"

Die alte Story. Peter hatte sie sich damals ein gutes Dutzend Mal anhören müssen.

"Sie hatte Schulden", erwiderte er mürrisch.

"Jedenfalls war sie kurze Zeit später wie vom Erdboden verschluckt."

Peter sah Sylvia vor sich. Sie hatte tatsächlich Ähnlichkeit mit Stefanie. Oder war das nur Einbildung? Wenn einem etwas oft genug eingeredet wird, glaubt man es am Ende...

Er schluckte.

Das mit Sylvia war eine eigene Geschichte. Und für ihn, Peter Simon, war sie abgeschlossen. Endgültig.

"Was hat das mit Stefanie zu tun?", fragte er also.

"Sie ist genauso. Genauso wie Sylvia."

"Ach, ja?"

"Ich weiß es."

"Woher denn? Bisher bist du ihr doch immer tunlichst aus dem Weg gegangen!"

"Ich fühle es. Glaub mir, ich kenne die Menschen besser als du! Du bist einfach zu weich und gutgläubig..."

"Und ich glaube, das du dich irrst!"

"Sieh doch der Realität ins Auge! Sylvia hatte ihre Wohnung gekündigt. Und trotzdem hältst du mich für eine Spinnerin, dabei beweist das doch, dass sie das alles geplant hatte! Von Anfang an!"

"Sie hatte die Wohnung gekündigt, weil wir uns zusammen eine neue nehmen wollten."

"Ach!"

"Ja, genau so war es!"

"Und warum hatte sie ihren Job gekündigt?"

"Sie hatte etwas Besseres in Aussicht."

Sie schüttelte verständnislos den Kopf.

"Du drehst alles so hin, dass es zusammenpasst, Junge!"

"Und du, was machst du? Dann sag mir doch mal, weshalb Sylvia alle ihre Sachen zurücklassen sollte. Hast du dafür auch eine Erklärung?"

"Diese paar Lumpen in dem möblierten Zimmer?"

Peter stutzte.

Er war sich sicher, dass seine Mutter niemals Sylvias Zimmer gesehen hatte.

Jedenfalls nicht, soweit er wusste.

"Woher weißt du das?", fragte er.

"Was?"

Ihr Tonfall war auf einmal unsicher geworden. Sie stand auf, rieb die Hände an den Hüften,ging zum Fenster und blickte hinaus.

"Dass Sylvia damals ein möbliertes Zimmer hatte!", hakte Peter nach.

"Nun, ich... Ich habe es angenommen. Warum sollte sie nicht in einem möblierten Zimmer wohnen?"

"Warst du bei ihr?"

Sie drehte sich wieder herum, zögerte eine Sekunde und schüttelte dann energisch den Kopf.

"Nein. Wie käme ich dazu!"

"Wie kannst du dann wissen, wie sie wohnt?"

"Lassen wir das, Junge."

Aber damit ließ Peter sich nicht abspeisen.

"Nein. Ich will eine Antwort!"

Sie sah ihn ziemlich überrascht an und zog die Augenbrauen hoch. Dann versuchte sie ein Lächeln.

"So kenne ich dich ja gar nicht!"

"Ich dich auch nicht."

Sie trat etwas näher an ihn heran. Ein solches Gewitter hatte es zwischen ihnen noch nicht gegeben. Es war für sie beide etwas Neues.

In diesem Moment klingelte es.

"Da ist jemand an der Tür", meinte sie. "Ich gehe eben hin."

Sie schien froh darüber zu sein, das Gespräch auf diese Weise unterbrechen zu können. Unterbrechen, nicht beenden, denn sie würde den Faden wieder aufnehmen, da war Peter sich ziemlich sicher.

Aber sie war jetzt wie ein angeschlagener Boxer. Sie brauchte eine Verschnaufpause.

Im Hintergrund hörte Peter sie mit jemandem an der Tür reden. Es war eine Frau und es ging um Sünde und Vergebung und darum, dass die letzten Tage jetzt angebrochen seien.

Währenddessen ging das Telefon.

Peter ging hinüber ins Wohnzimmer und nahm ab.

"Peter Simon" murmelte er, während das Gespräch an der Tür jetzt die Schädlichkeit von Bluttransfusionen behandelte. Nicht nur wegen Aids, sondern vor allem wegen der Seele. "Aber unser Heiland hat ja aus allem einen Ausweg gefunden", sagte die weibliche Stimme an der Tür, während sich eine andere weibliche Stimme am Telefon meldete.

"Ich bin's. Stefanie."

"Hallo."

"Holst du mich ab?"

"Mach ich."

"Ich bin zu Hause und habe gerade geduscht. Wir wollten doch heute zum Italiener, oder?"

"Richtig, ja."

Dann folgte eine kurze Pause, ehe sie schließlich doch fragte: "Hast du es ihr eigentlich schon gesagt?

"Was?"

"Na, was wohl! Ob du deiner Mutter gesagt, das du ausziehst?"

"Ja."

"Und? Wie hat sie es aufgenommen?"

"Nicht so gut, glaube ich."

Er hörte ihren Atem durch den Hörer.

"Da musst du durch."

Ein toller Ratschlag!, dachte er sarkastisch. Ein wirklich toller Ratschlag!

Indessen hörte er seine Mutter die Tür schließen. Sie ging erst in die Küche, dann ins Wohnzimmer. In der Linken hielt sie zwei bunte Broschüren.

"Das waren nur die Zeugen Jehovas.Ich habe ihnen zwei Hefte abgekauft, damit sie schneller wieder gehen", sagte sie im Hereinkommen und schwieg dann, als sie merkte, dass Peter am Telefonieren war.

"Ich muss jetzt Schluss machen", sagte dieser inzwischen in den Hörer. "Bis nachher."

"Bis nachher, Peter", säuselte Stefanie.

Peter legte auf.

Seine Mutter legte die Hefte auf den niedrigen Wohnzimmertisch und sah ihn dann tadelnd an.

"Das war diese... diese Frau, nicht wahr?", meinte sie.

"Ja."

Sie seufzte zum Steinerweichen.

"Weißt du, was morgen für ein Tag ist?"

Peter wusste genau, was für ein Tag war. Wie hätte er das vergessen können.

"Donnerstag, warum?" sagte er, obwohl er genau wusste, dass das nicht die Antwort war, die hören wollte.

Sie hob das Kinn.

"Morgen ist der Tag, an dem dein Vater gestorben ist. Ich wollte am Nachmittag zum Grab gehen und ein paar Blumen hinbringen. Kommst du mit?"

"Ich weiß noch nicht."

Er wusste es längst.

Er würde nicht mitkommen.

Phantom-Mörder - 12 Strand Krimis

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