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Die Wohnung hatte drei Zimmer, Küche und Bad. Und als der schmächtige Vermieter mit dem Knebelbart die Kaltmiete nannte, fielen Stefanie fast die Augen aus dem Kopf. Sie musste schlucken.

"Bitte?"

"Ja, ich meine, wenn Ihnen das zu teuer ist..." Der Mann hob die Schultern.

"Nein, die Miete ist schon in Ordnung", beeilte sich Peter zu sagen, obwohl sie in Wahrheit ziemlich überzogen war.

Schließlich war es eine Altbauwohnung. Aber der Wert der Wohnung maß sich nach anderen Gesichtspunkten. Wohnraum war knapp und der Kleine mit dem Knebelbart wusste, dass er das verlangen konnte, er sich vorstellte.

Wahrscheinlich auch noch mehr.

"Sind Sie beide berufstätig?", fragte der Vermieter.

"Ja", nickte Peter.

"Verheiratet?"

"Nein."

"Nein. Nichteinmal einen Kanarienvogel."

"Dann dürfte es ja kein Problem geben, oder?"

Peter wandte sich zu ihm um.

"Mögen Sie Kinder nicht?"

Der Mann hob abwehrend die Hände. Wer hätte das auch schon zugegeben? Es gab nur zwei Dinge, die einen noch mehr in Misskredit bringen konnten: Zuzugeben, dass man nichts dagegen hatte, wenn Robbenbabies umgebracht und zu etwas Nützlichem verarbeitet wurden und zuzugeben, ein Faible für Schildkrötensuppe zu haben. Oder für Hermelinmäntel.

"Das meinte ich damit nicht", meinte der Knebelbärtige.

"Sondern?"

"Na mit Ihrem Einkommen und der Miete. Sie sind doch DINKs." Er grinste.

"DINKs?"

"Double Income - No Kids. Sie können sich die Wohnung doch leisten!"

"Gut", sagte Peter an Stefanie gewandt. "Ich habe genug gesehen. Was meinst du?"

"Ich weiß nicht. Die Miete..."

"Sie können mir ja Bescheid geben, wenn Sie sich entschieden haben", meinte der Knebelbart. "Aber warten sie nicht zu lange, es haben sich eine ganze Reihe Bewerber gemeldet."

"Ich verstehe", murmelte Peter.

Sie verabschiedeten sich.

Wenig später saßen sie dann zusammen in Peters Wagen.

"Was meinst du?" fragte Stefanie.

"Ich weiß nicht..."

"Oder willst du es vielleicht gar nicht wirklich?"

Er blickte sie erstaunt an.

"Was?", fragte er.

Er wusste genau was. Er fragte nur, um ein paar Sekunden zu gewinnen und sich besser überlegen zu können, was er sagen sollte.

"Du brauchst es nur zu sagen!", hakte sie nach.

Er schüttelte den Kopf.

"Nein", meinte er. Das ist es nicht."

"Wirklich?"

"Wirklich."

Er lächelte und wusste, dass es eine Lüge war, was er da gerade behauptet hatte. Aber wusste auch, dass es jetzt sein musste. Wird Zeit, dass ich erwachsen werde, dachte er.

"Du musst mir versprechen, dass du mich nie verlässt, hörst du?", hörte er die Stimme seiner Mutter.

Er fuhr sich mit der Hand über die Augen.

"Nie!" - "Nie."

"In der Küche war eine feuchte Stelle", meinte er. "Ich glaube, ich habe ein bisschen Schimmelpilz gesehen. Der Kerl hat zwar übergestrichen, aber der Pilz kam durch."

"Dann suchen wir uns etwas anderes!" Sie zuckte die Achseln. "Die Miete grenzt sowieso an Wucher!"

Er nickte.

"Aber auf die Schnelle werden wir nichts Besseres finden."

"Und wenn du doch bei mir einziehst?"

"Das ist schon für einen wie ein Hühnerstall."

"Danke."

"Du kannst ja nichts dafür!"

"Schon gut. Aber wenn wir die Wohnung nehmen wollen, sollten wir gleich noch einmal zu diesem Zwerg hingehen und zuschlagen!"

Er wusste, dass sie recht hatte. Trotzdem schüttelte er den Kopf. "Nein, murmelte er."

"Warum nicht?"

"Ich möchte noch eine Nacht darüber schlafen."

Sie sah ihn zweifelnd an. "Na gut", meinte sie dann und seufzte dabei.

Peter schlief schlecht in dieser Nacht. Immer wieder drehte er sich herum und wachte mehrmals schweißgebadet auf. Am Morgen fühlte er sich dann wie zerschlagen. Er glaubte geträumt zu haben, konnte sich aber nicht daran erinnern, wovon.

Er hing vor seiner morgendlichen Kaffeetasse und hatte das Gefühl, überhaupt nicht geschlafen zu haben.

Seine Mutter saß ihm gegenüber am Frühstückstisch und las in der Zeitung.

"Keinen Appetit?", fragte sie.

"Nein."

"Die Polizei hat übrigens immer noch keine Spur von diesem Verrückten."

Peter gähnte.

"Welchem Verrückten?"

"Na, der, der die Frauen umbringt. Der Kerl hat seine Opfer hinterher entkleidet, die Sachen in eine Plastiktüte getan und getrennt von der Leiche hinterlassen."

Sie las ihm ein Stück des Artikels vor.

Er hörte nicht zu, sondern dachte über die Wohnung nach.

Und darüber, wie er seiner Mutter beibringen konnte, dass die Zeit ihres Zusammenlebens bald vorbei sein würde.

Unwiderruflich.

Ein seltsames Gefühl stieg in ihm auf, als er darüber nachdachte, aber es war ihm unmöglich, es genauer zu bestimmen. Es hatte verschiedene Komponenten. Es hatte etwas mit einer Art Befreiung zu tun. Aber auch mit Traurigkeit und Melancholie.

"Nie!" - "Nie."

Er sah sich auf dem Friedhof, demselben Friedhof, auf dem sein Vater zur letzten Ruhe gebetet worden war.

Aber er war allein dort, ohne sie. Der böige Wind bog die großen Platanen hin und her. Der Grabstein war aus hellem Stein. Er warf einen Blick darauf und sah einen Namen. Den seiner Mutter.

"Ja?", sagte er plötzlich und wurde aus seinem Sekundentagtraum herauskatapultiert.

Seiner Mutter hatte den Blick nach wie vor starr auf den Zeitungsartikel über die Mordserie gerichtet.

"Hier ist sogar ein Phantombild von einem Mann, der in der Nähe gesehen worden sein soll. In der Nähe des letzten Tatorts, meine ich." Sie zeigte es ihm. Er schaute nicht sehr interessiert hin.

"Den habe ich schon mal gesehen", meinte er dann sarkastisch. "Und zwar vorhin, als ich im Bad mein Spiegelbild anstarrte."

Sie sah ihn tadelnd an.

"Über so etwas macht man keine Witze, Junge."

Sein Schulterzucken wirkte keineswegs lässig, sondern eher hilflos.

"Das ist kein Witz." Er deutete auf das Bild, während er gleichzeitig mit anderen Hand die Kaffeetasse nahm und einen Schluck herunterschlürfte."Der sieht doch wirklich aus wie jeder!"

"Trotzdem!"

Er erinnerte sich plötzlich daran, dass Vater es nie hatte leiden können, wenn er geschlürft hatte. Er war noch sehr klein gewesen, aber daran konnte er sich genau erinnern.

Seltsam, dachte er. Mutter hingegen hatte nie etwas dagegen gehabt. In dieser Hinsicht waren sie stets heimliche Verbündete gewesen.

Sie wollte ihm die Zeitung wieder entziehen, aber plötzlich hielt er sie fest.

"Warte! Einen Moment!"

"Was ist?"

Sein Blick war auf eine andere Abbildung gefallen. Ein Photo. Er biss sich auf die Lippe und war auf einmal hellwach.

"Ich kenne die Frau", murmelte er.

"Welche? Die, die jetzt schon so lange vermisst war und deren Leiche man jetzt..."

Er nickte.

"Ja", murmelte er tonlos, während er den Text überflog.

Dann gab er ihr zurück.

"Woher kennst du sie?", erkundigte sie sich.

"In der Mittagspause gehe ich oft zu einem Schnellimbiss. Da hat sie gearbeitet."

"Bist du dir sicher?"

"Ja." Er zuckte die Achseln.

"Kanntest du sie näher?"

"Nein. Nur flüchtig. Sie machte immer soviel Remouladensoße auf den Hotdog, dass alles beim ersten Bissen an der Seite herausquoll."

Seine Mutter seufzte.

"Schrecklich", murmelte sie. "Noch so jung..."

"Ja, schrecklich."

"Aber ich glaube, viele dieser Frauen, die überfallen werden, sind auch selber Schuld."

Peter sah auf. Jetzt war er auf einmal hundertprozentig bei der Sache.

"Wieso das?", fragte er.

"Na, ich meine, vielleicht hat sie den Mörder..." Sie rang nach dem richtigen Wort. Eine volle Sekunde verging, ehe sie es hatte. "...provoziert!"

"Also, das glaube ich eigentlich nicht", gab Peter kopfschüttelnd zurück. "Ich finde, für so etwas gibt es keine Rechtfertigung!", sagte er hart.

"Ich meine ja nur..."

"Was meinst du?"

"Dass es eine Möglichkeit wäre. Mehr nicht."

Sie schenkte sich einen frischen Kaffee ein und wirkte nachdenklich dabei.

Dann fragte sie plötzlich unvermittelt: "Was findest du eigentlich an dieser... Stefanie?" Sie sprach diesen Namen aus, würde es ihr Mühe bereiten, ihn über die Lippen zu bringen.

Peter sah ihr ins Gesicht und konnte im ersten Moment überhaupt nichts sagen.

"Was ich an ihr finde?", echote er und hob dabei die Schultern. "Ich... Ich liebe sie." Er schaute zur Seite, als er das sagte.

Als er dann wieder zu ihr hinsah, hatte sich in ihren Zügen etwas verändert. Ganz leicht nur, und jemand, der sie nicht so gut kannte, hätte es wahrscheinlich gar nicht bemerkt.

Aber Peter sah es.

Trauer.

Und vielleicht sogar etwas Wut.

Phantom-Mörder - 12 Strand Krimis

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