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VIII

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Obwohl beide schon lange genug ihren Dienst im Cockpit verrichtet hatten und man ihnen den anstrengenden Flug deutlich ansah, hatten Cosco und Matu beschlossen, noch bis zum Eintritt in den galpagischen Ozean vor Ort zu bleiben, um den beiden Commanders die Möglichkeit zu geben, sich ein wenig von dem sieglosen Kampf gegen die Insektenmonster zu erholen.

Es dauerte aber auch keine halbe Stunde mehr und die einst so faszinierend violetten Fluten des größten Meeres des Planeten tauchten düster und abweisend vor ihnen auf. Von der flirrenden Hitze der talurischen Wüste war nichts mehr zu sehen. Stattdessen gab es mächtige Wolkenberge, die sich beinahe tiefschwarz, aber auch tiefblau, über ihnen auftürmten. In ihnen tobten heftige Gewitterstürme und brachten schwere Sturmböen mit sich. Der extreme Starkregen verminderte ihre Sicht gegen Null, die tückischen Winde verlangten höchste Konzentration bei der Lenkung des Schiffes.

Den mächtigen Blitzen, die ihre Umgebung immer wieder schlagartig taghell und gespenstisch bizarr erleuchteten, folgte wütendes Donnergrollen, das so laut und intensiv war, dass es sogar den Triebwerkslärm übertönte und den Insassen das Gefühl vermittelte, ihre Körper würden davon vibrieren.

Cosco und Matu warfen sich vielsagende Blicke zu, doch blieben sie stumm.

Weitaus schlimmer als die Panik am Himmel waren jedoch die Bewegungen des Meeres. Keiner von beiden hatte jemals einen derart aufgewühlten Ozean gesehen. Wellenberge von weit über einhundert Metern Höhe rollten mit unbändiger Wucht gegen die sanft ansteigende tarulische Ostküste und drangen weit in das Wüstengebiet vor, wo sie durch die enorme Hitze beinahe schlagartig verdampften und sich gespenstische Nebelbänke auftürmten. Ihnen folgten nicht minder tiefe Wellentäler, die sogar den Meeresboden noch bis eine Meile von der Küste entfernt zum Vorschein brachten.

Folgten die Wellen in Küstennähe noch einem Bewegungsschema, rollten sie weiter draußen in jede nur erdenkliche Richtung und erweckten den Eindruck, als würde das gesamte Meer auf einer gigantischen Herdplatte aufkochen.

Cosco hatte eigentlich vorgehabt, so schnell als möglich einzutauchen, doch musste er einsehen, dass dies hier und jetzt noch nicht möglich war.

Erst als sie die tarulische Küste zehn Meilen hinter sich gelassen hatte, wagte er das Manöver. Dabei hatte er alles andere, als ein gutes Gefühl. Zwar zeigte keines der bordeigenen Instrumente Schäden an der Außenhülle des Schiffes, doch Cosco wollte sich lieber nicht zu sehr darauf verlassen. Daher wäre es ihm lieber gewesen, sie hätten einen friedlichen Ozean vorgefunden, in den sie sanft hätten eintauchen können, bis sicher war, dass alles in Ordnung war – oder sie schnell wieder hätten auftauchen können, für den Fall, dass es doch nicht so war.

Wie aber sollte er dies bei diesem tollwütigen Riesen anstellen?

Doch Cosco wusste, dass jeglicher Gram und Frust darüber sinnlos war. Sie mussten tauchen, um für ihre Feinde kein Ziel abzugeben und damit Basta.

Wenn wie immer hierfür nur der schwere Weg in Frage kam, na dann sollte es ebenso sein.

Cosco senkte ihre Flughöhe stetig, bis sie schließlich sogar knapp unterhalb der Wellenberge sanken. In den Augenwinkeln konnte er sehen, wie der Priester seine Hände um die Sitzlehnen krallte und den Atem anhielt. Was auch kein Wunder war, denn die tiefdunkle Wand aus tosenden Wassermassen, die im nächsten Moment auf sie zurollte, war irrsinnig gewaltig und nahm ihr gesamtes Blickfeld ein. Augenblicklich war es beinahe stockfinster um sie herum.

Doch Cosco behielt die Ruhe und drückte den Steuerknüppel nach vorn. Das Schiff kippte vorn über und tauchte dann mit hoher Geschwindigkeit in einem Winkel von etwa fünfundvierzig Grad mitten hinein in den mächtigen Wellenberg.

Wie nicht anders zu erwarten, erfolgte ihr Eintritt trotz des Schutzschirms um sie herum alles andere als sanft und sie alle wurden ziemlich durchgeschüttelt.

Obwohl ihm nicht wohl dabei zu Mute war, behielt Cosco ihren Eintrittswinkel bei und ließ das Schiff sehr schnell immer tiefer in den Ozean eindringen, um so schnell wie möglich in etwas ruhigere Strömung zu gelangen. Dabei horchte er angestrengt und atemlos darauf, ob nicht irgendwo eine Alarmsirene anging, die doch von irgendeinem Riss in der Außenhülle zeugte. Instinktiv richtete er sich darauf ein, sofort das Ruder an sich zu reißen und mit Volldampf zurück an die Oberfläche zu rasen.

Doch auch nach zwanzig Sekunden war noch immer alles ruhig um sie herum und allmählich entspannte sich der Captain. „Also gut!“ sagte er dann, nachdem sein Atem wieder ruhiger ging. „Schiff ist eingetaucht und ausgependelt!“ Mittlerweile hatte er den Sinkflug gestoppt und die Kitaja raste mit knapp über sechshundert Meilen in der Stunde bei eintausend Metern Tiefe direkt nach Westen. „Alle Instrumente arbeiten einwandfrei!“ Er schaute zu Matu und lächelte kurz. „Ich denke, wir können das Schiff an die Aushilfscrew übergeben!“ Der Pater atmete erleichtert aus und grinste. „Wenn ich nämlich nicht bald was zu essen kriege und meine Augen wenigstens für eine Stunde schließen kann, ramme ich das Schiff doch noch ungespitzt in den Meeresboden!“ Er zwinkerte Matu zu und setzte sich mit dem Laderaum in Verbindung.

„Das war´s?“ fragte Vilo in ruhigem Ton, während er Cosco einen ernsten Blick zuwarf.

Der Captain nickte. „Nun, ich finde, das reicht doch wohl auch!“ Er hielt, genauso wie Matu, einen Becher mit dampfendem Kaffee in den Händen, den ihnen Vilo und Mavis mitgebracht hatten. Bevor Cosco mit ruhigem Gewissen das Cockpit verlassen konnte, musste er Vilo, der jetzt auf dem Platz des Captains saß und das Ruder in den Händen hielt, noch die momentane Situation erklären. Matu wartete so lange auf ihn. Er brauchte Mavis nichts zu erklären – der Radarschirm und die Instrumente sprachen eine klare Sprache. „Ich hätte ihnen gern eine ruhige Fahrt mit Autopilot gewünscht, aber...!“ Er deutete mit dem Kopf aus dem Cockpitfenster und Vilo nickte mit schmerzverzerrter Miene. Sofort, als sie vor wenigen Minuten eingetreten waren, hatten sie das Phänomen mit einigem Erstaunen, aber auch Unglauben registriert. Vilo hatte Cosco sofort gefragt, in welcher Tiefe sie flogen und als der darauf zurückgab, dass sie sich eintausend Meter unter der Wasseroberfläche befanden, wollte Vilo es zunächst nicht glauben. Erst ein Blick auf den Tiefenmesser zeigte, dass dies kein schlechter Scherz war. „...sie sehen ja selbst, wie aufgewühlt der Ozean ist!“

Und damit hatte Cosco mehr als Recht, denn selbst in ihrer momentanen, gewaltigen Tiefe konnte man die Bewegungen des Wassers noch überdeutlich erkennen. Mehr noch, das Meer gab sich hier wie sonst nur knapp unterhalb der Wasseroberfläche bei heftigem Sturm. Immer wieder zuckten sich überschlagende, unterseeische Wellenberge zusammen und färbten das ansonsten tiefschwarze Wasser für Momente beinahe schneeweiß. Es dauerte ein wenig, bis Vilo und Mavis begriffen hatten, dass es sich hier tatsächlich um Gischt handelte und es dauerte noch einen weiteren qualvollen Moment, bis ihnen klar wurde, welch irrsinnig gewaltigen Kräfte hier wirkten, dass das Meer auch noch in dieser Tiefe derart in Bewegung war.

Niemals zuvor hatten sie, aber natürlich auch Cosco und Matu, so etwas gesehen oder gespürt.

Denn auch das taten sie: Das Schiff bewegte sich nicht sanft und scheinbar schwerelos durch das Wasser, sondern es waren immer wieder leichte seitliche Schläge zu spüren, mehr wie ein leichtes, aber unregelmäßiges Rütteln. Außerdem wurde das Schiff auch in Flugrichtung beeinflusst. Mal schien es, als würde es von selbst beschleunigen, mal, als würde es abgebremst werden.

Alles war nur leicht zu spüren, aber dafür permanent und alle Anwesenden spürten bereits den Einfluss auf ihren Organismus, der sich offensichtlich nicht ganz wohl dabei fühlte.

„Kein Problem!“ erwiderte Vilo aber ruhig und mit einem leichten Lächeln. „Wir werden schon klarkommen damit!“

Cosco schaute ihn einen Moment ausdruckslos an, dann nickte er ihm und auch Mavis zu. „Wir gehen jetzt was essen. Danach mache ich mich für ein paar Minuten lang. Wenn etwas sein sollte, wissen sie, wo sie mich finden können!“ Er nickte nochmals, gab Matu ein Zeichen und beide verließen das Cockpit.

„Er traut dir das nicht zu!“ stellte Mavis mit einem schelmischen Lächeln fest, nachdem die beide Männer gegangen waren.

Vilo nickte schmunzelnd. „Er würde lieber selber fliegen! Aber ich denke, wir kriegen das auch eine Zeitlang ohne ihn hin, oder?“

„Das will ich dir wohl raten!“ drohte Mavis gespielt.

„Entspann dich!“ Vilo grinste wieder. „Das wird einfach nur eine beschauliche Fahrt durch...!“

„...die Hölle!“ unterbrach ihn Mavis.

Vilo verzog sein Gesicht zu einer gequälten und säuerlichen Grimasse, doch als er zu seinem Freund hinüberschaute, sah er, dass Mavis ähnlich dreinblickte und da konnte er einfach nur noch nicken. „Wie immer!“ meinte er noch, dann drehte er sich zurück und konzentrierte sich auf die Lenkung des Schiffes.

Für lange Zeit hingen beide Männer ihren Gedanken nach und es blieb sehr still im Cockpit.

Genesis V

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