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VI
ОглавлениеDie alte Lady schnurrte auch unter absoluter Höchstleistung wie ein junges Kätzchen und brachte die Insassen mit über eintausend Meilen in der Stunde in ihr Zielgebiet.
Captain Cosco war sichtlich zufrieden mit sich und der Kitaja.
Achtzehn Minuten dauerte ihr Flug, bis sie Sichtkontakt über die Bordkameras hatten und sogleich feststellen mussten, dass sie sich – leider - nicht geirrt hatten: Zweiundzwanzig Buggys schossen mit Höchstgeschwindigkeit durch die brennend heiße Wüste. Rund einhundert Meter dahinter eine Horde fresslustiger Insektenbestien von rund sechzig Monstern, die mit ihren Krallen den Wüstensand ebenfalls zu einer Staubwolke aufpeitschten.
Die Buggys waren, soweit man das erkennen konnte, vollbesetzt. Einige waren klein und nur für zwei Personen geeignet, andere größer und überdacht und boten Platz für vier oder gar mehr Passagieren.
Somit war allen klar, dass sich auch die Zahl der möglichen Opfer deutlich erhöhen würde, wenn sie nicht helfend eingriffen. Und das ihnen nicht mehr viel Zeit dazu bleiben würde, mussten sie schon eine Sekunde später knallhart erkennen, als plötzlich aus dem Motorraum eines der größeren Buggys eine grelle Stichflamme emporschoss. Die Motorhaube flog in die Höhe, wurde vom Chassis gerissen und rauschte nach hinten weg. Einen Augenblick später war der gesamte Buggy in eine dichte Qualmwolke gehüllt und das Fahrzeug blieb fast abrupt stehen.
Während man die Verzweiflung der Menschen in dem Buggy beinahe körperlich spüren konnte, mussten die vier Männer im Cockpit das Geschehen hilflos mit ansehen. Einige der Insassen blieben stocksteif im Innenraum des Fahrzeugs zurück, drei andere rannten davon.
Aus dem Pulk der flüchtenden Buggys scherte ein kleines Fahrzeug mit zwei Mann Besatzung aus und kehrte um.
Doch es war alles bereits zu spät. Die heranstürmenden Bestien hatten die Distanz innerhalb kürzester Zeit überbrückt und schwappten jetzt wie eine Welle schwarzen Öls auf ihre Opfer zu.
Obwohl jeder wusste, welch furchtbares Szenario gleich ablaufen würde, konnte niemand wegsehen.
„Nein!“ rief Matu plötzlich und sofort danach zuckten zwei Projektile aus den Waffenschächten der Kitaja. Nach vier Sekunden Flugzeit donnerten sie direkt auf den beschädigten Buggy und zerfetzten dort alles, was sich ihnen in den Weg stellte. Das Fahrzeug, seine verbliebenen Insassen und zwei Insektenbestien gingen in einem Feuerball zugrunde. Die drei flüchtenden Personen aber starben fast zeitgleich einen grausamen Tot unter den hackenden Klauen der blutrünstigen Monstren.
Matu stöhnte auf und schaute zu den anderen. In ihren Blicken sah er keine Zustimmung. „Tut mir leid!“ fühlte er sich deshalb veranlasst zu sagen.
Mavis brummte, während er sah, dass der kleine Buggy, der umgekehrt war, erneut scharf wendete und sich wieder im Höchsttempo davonmachte. „Schon gut! Aber wenn sie hierbleiben wollen, dann reißen sie sich zusammen oder gehen schonender mit unserer Munition um. Eine Rakete hätte vollkommen ausgereicht!“ Er hielt Matus Blick einen Moment fest. „Und jetzt Leute, brauchen wir eine Idee!“
„Die nördliche Hügelkette ist keine vier Meilen mehr entfernt!“ meinte Vilo und deutete auf den Radarschirm. „Wenn sie es bis dorthin schaffen könnten!“
Mavis nickte bedächtig. „Dann müssen wir ihnen Zeit verschaffen!“
„Genau!“ stimmte Vilo zu. „Captain, bringen sie uns zwischen die beiden Lager und versuchen sie den Ansturm der Bestien aufzuhalten!“
Cosco beschleunigte die Kitaja für einen kurzen Moment nochmals, dann hatte er die Bestien erreicht und überflogen. Doch erst, als er mit den Buggys auf gleicher Höhe war, bremste er scharf ab und wendete das Schiff gleichzeitig auf der Stelle. Dabei konnte Mavis erkennen, dass einige Köpfe in den Buggys sich zu ihnen drehten, dann waren sie aus seinem Blickfeld verschwunden.
Während Cosco außerdem die Höhe des Schiffes drastisch verringerte, konnten die Anderen die anstürmenden Bestien schnell näherkommen sehen.
„Geben sie ihnen mal was vor den Bug!“ meinte Vilo zu Cosco. Der Captain nickte und ließ sich das nicht zweimal sagen. Er drückte sofort den Auslöser für die Bordkanone und schwenkte das Schiff dabei sanft von links nach rechts.
Deutlich waren die Flugbahnen der Leuchtspurgeschosse zu sehen, wie sie auf die Welle der Bestien trafen und dort einschlugen. Doch wie nicht anders zu erwarten, verursachten sie längst nicht den gewünschten Schaden. Nur vereinzelt fiel eines der Monstren oder geriet ins Straucheln.
Schon war die Masse so dicht vor dem Schiff, dass die Gefahr bestand, dass sie auf die Außenhülle springen konnten. Cosco reagierte entsprechend und erhöhte die Flughöhe im letzten Moment wieder abrupt. Sofort danach schwenkte er das Schiff um einhundertachtzig Grad und jagte den Bestien hinterher. Er feuerte dabei immer mal wieder, doch er hatte nur wenig Erfolg damit. Matu, der zunächst Mavis und Vilo einen fragenden Blick zuwarf, schickte nach deren zustimmenden Nicken ein halbes Dutzend Raketen auf den Weg, doch auch hier zeigte sich, dass die Bestien extrem schnell und wendig waren. Mehr als eine Handvoll konnten sie dadurch nicht erledigen.
Wenn sie mehr erreichen wollten, mussten sie entweder ihr Waffenarsenal weiter leeren oder eine andere Strategie verfolgen.
„Fliegen sie voraus und landen sie direkt vor den Hügeln!“ rief Mavis und schlug Vilo gegen den linken Arm. „Wir nehmen die Boritas!“
Während Cosco den Befehl des Commanders ausführte, liefen Mavis und Vilo in den Lagerraum der Kitaja. Dort erkannten sie, dass Captain Tibak und die anderen das Geschehen außerhalb des Schiffes über die Bildschirme der Außenkameras mit verfolgt und auch schon entsprechend reagiert hatten.
Einer von Tibaks Männern war gerade dabei, das Schott zum hinteren Bereich zu öffnen und so den Weg zu den Boritas frei zu machen.
Als Vilo die drei stählernen Kugeln in ihrer Schiene an der Decke sah, zuckte ihm kurz eine Gänsehaut über den Rücken und er blieb andächtig stehen. Einen Augenblick später trat seine Frau zu ihm und legte ihm ihre rechte Hand auf die Schulter. Ihr Blick zeigte Sorge.
„Freiwillige?“ rief Mavis.
Keine Sekunde später waren die Hände von Captain Tibak und seinen Männern oben, aber auch die von Vilo.
„Tut mir leid!“ sagte er zu Kaleena. „Aber...!“
„Ich weiß!“ Sie lächelte freudlos, aber verständnisvoll.
Mavis registrierte Vilos Meldung mit einem Brummen. „Vergiss es! Ich mach das!“
Doch Vilo war nicht bereit, dem zuzustimmen. „Damit du noch einen Grund mehr hast, mich zu prügeln?“ Er schüttelte den Kopf. „Das könnte dir so passen!“ Er drehte sich zu Kaleena und küsste sie kurz, aber zärtlich auf den Mund. „Kümmere dich um Jovis!“ sagte er. „Und heb mir was von deinem Essen auf. Kämpfen gegen diese Biester macht mich immer tierisch hungrig!“ Er grinste breit, dann machte er sich auf den Weg zur vordersten Kugel.
Mavis wollte ihm hinterhergehen, doch Kaleena hielt ihn zurück. „Nein, lass ihn. Du magst stinksauer auf ihn sein...!“ Sie schaute ihm direkt in die Augen. „Er selbst aber hasst sich. Deshalb tut er das jetzt nicht für dich, sondern nur für sich selbst!“
Mavis schaute Kaleena einen Moment unsicher an, dann nickte er. „Okay!“ rief er den anderen zu. „Commander Vilo übernimmt die Führung. Ich bin Nummer Zwei. Der letzte im Bunde ist...!“
„Sie sollten hierbleiben!“ erwiderte Captain Tibak und trat zu ihm. „Es macht keinen Sinn, beide Offiziere in Gefahr zu bringen!“ Er warf Kaleena einen entschuldigenden Blick zu, den sie mit einem kurzen Nicken erwiderte. „Ich werde gehen. Und Buras mitnehmen. Es sei denn...!“ fügte er noch mit einem leichten Grinsen hinzu. „...er hat noch mehr Kraftfutter gegessen und passt endgültig nicht mehr rein in das Ding!“
Das Einsteigen in die Boritas geschah in Rekordzeit. Die seitlichen Luken schlossen sich schon eine Sekunde, bevor Cosco ihren Landepunkt erreicht hatte.
Mittlerweile war natürlich auch Jovis erwacht. Vollkommen fasziniert von der Geschäftigkeit im Laderaum und dem Anblick der Boritas war er sichtlich aufgeregt. Kaleena konnte ihn gerade noch davon abhalten, zu seinem Vater zu rennen. Vilo erkannte ihn aber und winkte ihm nochmals zu, bevor sich die Kugel schloss. Als das geschehen war, wurde das Lächeln auf Kaleenas Lippen sichtlich freudloser. Leira erkannte das natürlich sofort und lenkte Jovis ab, indem sie ihn anstupste und ihm letztlich erlaubte, auf ihrem Rücken zu sitzen. Dadurch konnte Kaleena sich auf Vilo konzentrieren und sie warf Leira einen dankbaren Blick zu.
Einen Augenblick später war deutlich zu spüren, wie die Triebwerke Gegenschub leisteten und sich das Schiff zur Seite neigte.
Cosco war vollkommen darauf konzentriert, die Geschwindigkeit des Schiffes zu drosseln und es zu landen, dass er die merkwürdigen Bewegungen auf der Sandoberfläche nicht bemerkte. Obwohl es Windstill war, wogten kleine gezackte Linien wie Wellenkämme darüber hinweg. Doch der Captain übersah sie, bis zu dem Moment, da er Matu neben sich laut und deutlich „Ach du Scheiße!“ sagen hörte.
Dann natürlich wurde er aufmerksam. „Was ist los?“
Matu deutete mit dem Kopf auf den Bildschirm, auf dem das Radarbild zu sehen war. Es gab im unteren Bereich die roten Signale des Feindes, knapp darüber die blauen der Buggys – und direkt unter ihnen ein großflächiges, schimmerndes, halbdurchsichtiges weißes Signal, dass wie eine Nebelwand ständig in Bewegung war.
„Ich befürchte, wir haben ein Problem!“ erwiderte der Pater tonlos.
„Vergessen sie es. Noch mehr können wir nicht gebrauchen!“ Cosco spürte eine innere Anspannung, weil er wusste, dass dieses wabernde Signal nichts Gutes verheißen konnte, doch zwang er sich, sich weiterhin auf die Lenkung des Schiffes zu konzentrieren. „Was zur Hölle ist das überhaupt?“ fragte er dann aber doch.
„Wüstenaracs!“ rief Matu mit einer deutlichen Sicherheit in der Stimme.
„Was?“ Cosco hatte den Ausdruck zwar gut verstanden, doch konnte er sich nichts darunter vorstellen.
Matu wollte schon antworten, als urplötzlich ein markerschütterndes, tiefes Brüllen aus den Tiefen der Wüste zu hören war und nur einen Wimpernschlag später ein gewaltiger, schwarzer Schatten vor ihnen aus dem Boden schoss, der augenblicklich ihr gesamtes Sichtfeld einnahm.
„Das!“ rief Matu und deutete mit der linken Hand auf die achtbeinige Kreatur vor ihnen.
„Au verdammt!“ brüllte Cosco halb entsetzt, aber auch halb fasziniert. Instinktiv riss er das Ruder nach hinten und das Flugboot machte einen Satz in Richtung Hügel. „Noch mehr Monster!“
Und damit hatte er absolut Recht, denn das tiefblaue, spinnenähnliche Wesen war gute acht Meter lang und sicherlich sechs Meter hoch. Von seinen acht muskulösen, mit Widerhaken versehenen Beinen waren nur sechs in den Wüstensand gestemmt, die beiden vorderen schossen angriffslustig in Richtung des Flugboots, erreichten es dank der blitzschnellen Reaktion des Captains jedoch nicht.
Dennoch mussten die beiden Insassen im Cockpit kurz aufschreien, weil es nicht nur eine äußerst enge Flucht war, sondern sie auch direkt in das furchterregende, klauenbesetzte Maul der Kreatur vor ihnen blicken konnten. Der monströse, unförmige Rumpf der Spinne schien von innen heraus zu pulsieren und ständig in alle Richtungen in Bewegung zu sein. Der Kopf war nur an einer Stelle, ähnlich wie beim menschlichen Hals, mit diesem Rumpf verbunden, aber weitaus frei beweglicher als bei einem Menschen. Unzählige, dicht nebeneinanderliegende Augenpaare starrten auf das Flugboot. Das Maul war langgezogen, wie bei einem Krokodil und gleichzeitig nach oben geschwungen. Während an ihm entlang mehrere fruchterregende Klauenpaare zuckten, waren im Inneren nicht nur zwei Reihen messerscharfer Zahnreihen, sondern auch eine wabbelige, dickfleischige, gelbe, schleimtriefende Zunge zu erkennen.
Cosco und Matu waren sichtlich entsetzt über diesen Anblick. Wieder brüllte das Monstrum in einer irrsinnig vibrierenden Lautstärke, während es blitzschnell nach vorn schoss und die Kitaja sicherlich erwischt hätte, hätte Cosco nicht erneut grandios reagiert.
„Hey, verdammt!“ brüllte Mavis über Lautsprecher aus dem Laderaum. „Was zum Teufel treibt ihr denn da? Seid ihr besoffen oder was?“
„Monsteralarm!“ erwiderte Cosco tonlos, während er kaum glauben konnte, was seine Augen plötzlich auf dem Rücken der Bestie zu sehen bekamen.
„Ach was!“ meinte Mavis. „Jetzt halten sie das verdammte Schiff endlich gerade, damit wir die Boritas rauslassen können!“
„Aber...!“ Cosco hörte die Stimme des Commanders nur noch aus weiter Ferne, weil sein Gehirn beinahe vollständig damit beschäftigt war, zu begreifen, was vor seinen Augen vor sich ging.
Denn der scheinbar pulsierende Rumpf der Spinnenkreatur, schien irgendwie explodieren zu wollen. Auf jeden Fall aber trennten sich mehrere Teile unterschiedlicher Größe von ihm ab und rutschten in die Tiefe. Doch während sie fielen, konnte Cosco eine gleichartige Form an ihnen erkennen, und noch bevor sie auf dem heißen Sandboden aufschlugen, waren deutlich acht Beine zu erkennen, die den Sturz problemlos abfederten, bevor weitere Schreie zu hören waren und sich diese neuen Kreaturen auf dem Weg zu ihnen machten. „Verdammt!“ stieß Cosco angesichts dieser geänderten Situation hervor. Das riesige Spinnenmonster war offensichtlich eine Art Muttertier, das seine lieben Kinderlein auf dem Rücken transportierte. Dabei gab es rund zwei Dutzend kleinere Exemplare, die etwa die Größe eines Kleinkindes hatten, aber mindestens auch genauso viele, die einem Erwachsenen problemlos in die Augen schauen konnten und nicht zuletzt etwa ein Dutzend größere Kreaturen von doppelter oder gar dreifacher Größe.
Und sie alle waren auf dem Weg zur Kitaja.
„Kein aber, Mann!“ raunte Mavis. „Runter mit dem Schwanz!“
Cosco wusste, dass er den Befehl befolgen musste, also zögerte er nicht mehr, stoppte den Rückwärtsflug des Bootes und ließ es gleichzeitig sinken.
Während es sich dem Wüstenboden näherte, wurde bereits die hintere Ladeluke geöffnet und die Boritas fuhren auf ihren Deckenschienen darauf zu.
Kaum hatte die Luke den Boden berührt, wurden alle drei Kugeln nacheinander ausgeklinkt und donnerten von der Rampe. Da die Hügelkette direkt vor ihnen war, lenkte Vilo seinen kleinen Trupp in einer sehr engen Rechtskurve in die entgegengesetzte Richtung. Er wusste, dort waren zunächst die Buggys und dann die Insektenmonster. Was er nicht wusste, war die Existenz der heranschießenden Spinnenwesen. Doch als sich die Kitaja sehr schnell wieder in die Lüfte erhob und sein Blickfeld vollkommen freigab, erkannte er, was auf sie zurollte, doch da war es für eine Umkehr bereits zu spät und die drei Boritas donnerten mit wilden Lenkbewegungen und entsetzten Schreien ihrer Fahrer mitten hinein in den Schwarm aus krabbelnden Ungetümen.
Nachdem das Flugboot sehr schnell an Höhe gewonnen hatte, riss Cosco das Steuer nach rechts, um wieder genügend Abstand zu den Spinnentieren zu bekommen. Dadurch konnten die Insassen im Laderaum aus der sich gerade schließenden Heckklappe heraus auf den Boden schauen. Allesamt waren sofort entsetzt bei dem, was sich dort vor ihnen auftat.
„Verdammter Scheiß! Was ist denn das?“ rief Vilo entsetzt, während er versuchte, ihren unerwarteten Gegnern auszuweichen.
„Himmel Captain!“ brüllte auch Mavis. „Wieso...?“
„Weil sie es nicht hören wollten!“ erwiderte Cosco und drehte die Kitaja so, dass er feuerbereit war.
Doch er brauchte kein Projektil auf die Reise zu schicken. Obwohl nicht gerade einfach und unter Aufbietung großer Kräfte, so gelang es den drei Boritas doch, ungeschoren durch die Spinnentiere nach Süden zu gelangen. Zwar gab es einige Zusammenstöße mit den achtbeinigen Kreaturen, doch konnten die Boritas ihre Geschwindigkeit halten und die Spinnenwesen blieben unverletzt.
Nach wenigen Sekunden rauschten die Kugeln aus der dunkelblauen Masse heraus und donnerten weiter nach Süden, direkt auf die Buggys zu.
„Verdammt!“ rief Mavis, jedoch nicht ohne Erleichterung in der Stimme. „Glück gehabt!“
„Scheiß auf Glück!“ erwiderte Captain Tibak. „Das war ganz klar Können!“
„Was sind das überhaupt für Kreaturen?“ fragte Vilo.
„Das sind Aracs!“ rief Matu. „Wüstenspinnen!“
„Bah!“ erwiderte Vilo. „Widerlich!“
„Und Vergangenheit!“ rief Mavis. „Konzentriert euch auf eure Aufgabe!“
Dem hatte keiner der drei Boritafahrer etwas hinzuzusetzen.
Auch Cosco verdrängte die Spinnenwesen und sorgte dafür, dass die Kitaja dicht hinter den Boritas herflog und sie wenn nötig mit ihrer Feuerkraft unterstützen konnte.
So registrierte Niemand wirklich, dass das vermeintliche Muttertier sich mit einem wütenden Brüllen herumdrehte und sich nach Süden wandte. Während alle anderen Spinnen ihm folgten, erreichten sie eine beachtliche Geschwindigkeit.
Es dauerte keine zehn Sekunden und Vilo und seine Männer hatten die Buggys erreicht.
Angesichts dessen, was auf sie zukam waren die Flüchtlinge dabei, nach links abzudrehen. Vilo konnte es ihnen nicht verdenken. Woher auch sollten sie wissen, dass hier Hilfe im Anmarsch war? Woher sollte er jedoch auch wissen, dass sie hinter den Boritas und der Kitaja die Horde Spinnenmonster erkannten und eher ihnen, als Vilo und seinen Leuten auswichen?
Zunächst aber konzentrierte sich Vilo auf ihre Aufgabe und musste erkennen, dass ihnen die Buggys durch den Schlenker nach links, eine viel bessere Schussposition auf die heranpeitschenden Insektenmonster verschafften, die er, aber auch Tibak und Buras sofort gnadenlos ausnutzen. In wenigen Augenblicken fielen acht Bestien in dem gewaltigen Kugelhagel der Boritas.
Vilo hatte dabei besonders gut gezielt und drei Monster erledigt, die sich schon sehr dicht hinter einem der größeren Buggys befanden und ihn sicherlich innerhalb der nächsten Sekunden erreicht hätten.
Die Insektenbestien aber waren nur kurzzeitig entsetzt, dann trieb sie die Blutgier weiter. Während ein Teil direkt auf die Boritas zustürmte, folgte der andere weiterhin den Buggys.
Vilo donnerte mit seiner Kugel durch die anstürmende Gruppe und fällte weitere zwei Monstren, bevor er seinen Boritas in einer scharfen Kurve wenden musste, um den Feind von hinten attackieren zu können.
Kaum jedoch hatte er das getan, weiteten sich seine Augen in großem Schrecken, als er sah, dass die Buggys in der vermeintlichen Sicherheit unterhalb der Kitaja, die jetzt ebenfalls auf die Insektenbestien feuerte, direkt in ein neuerliches Verderben rasten, weil offensichtlich Niemand mehr die Spinnenwesen dahinter auf der Rechnung hatte. „Cosco, Achtung!“ brüllte er, da war ein mörderisch wütender Schrei der großen Spinnenbestie zu hören, die sich direkt auf das Flugboot stürzte.
Cosco hörte den Commander und riss instinktiv das Schiff seitlich weg. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass die vorderen Beine der Spinne irrsinnig wuchtig auf die Außenhülle krachten. Mavis im Inneren war sicher, dass sie gleich bersten würde. Doch durch Coscos blitzschnelle Reaktion rutschte die Bestie seitlich weg, während das Schiff durch das enorme Gewicht unkontrolliert zur Seite kippte. Sofort schrillten alle Alarmglocken auf und Cosco hatte Mühe, die Kitaja vor einem Absturz zu bewahren. Dafür musste er allerdings vollen Schub auf die Vertikaltriebwerke geben, was sie abrupt in die Höhe katapultierte, während das Schiff erbärmlich hin und her schaukelte, und sie sich zunächst ein gutes Stück vom Ort des Geschehens entfernten.
Das gewaltige Muttertier verlor durch den abgewehrten Angriff sein Gleichgewicht und stürzte mit einem dumpfen Knall zu Boden. Genau in diesem Moment schienen die heranstürmenden Insektenbestien darauf aufmerksam zu werden und schon donnerten einige von ihnen in erwartungsvollem Kreischen mit Höchstgeschwindigkeit in diese Richtung.
Das Muttertier jedoch wurde sogleich von den kleineren Spinnenwesen umringt und beschützt, doch die Insektenbestien blieben davon vollkommen unbeeindruckt.
Mit irrsinniger Wucht krachten die beiden Gruppen aufeinander und innerhalb weniger Sekunden war die Wüste vor der Hügelkette ein furchtbares Schlachtfeld.
Mittendrin die drei Boritas, deren Fahrer weit mehr als beide Hände voll zu tun hatten, um sich ihrer eigenen Haut zu erwehren und gleichzeitig den Buggys zu helfen. Und obwohl alle drei Männer mehr als einmal zeigten, dass sie ihre Maschinen perfekt beherrschten, trat das ein, was Vilo schon lange vorher prophezeit hatte: Die Übermacht der Insektenbestien war einfach zu groß!
Anfangs schienen die Buggys noch in der Lage zu sein, sich in die vermeintlich schützenden Hügel absetzen zu können, zumal einige von ihnen über eigene Bordwaffen verfügten, die sie jetzt auch gezielt gegen ihre Angreifer einsetzen. Doch ihre Gegner waren gewohnt erbarmungslos, zäh – und auch schlau. Denn während ein Teil von ihnen beinahe permanent den direkten Angriff auf den Korso suchte und dabei immer wieder grausame Beute machen konnte, jagte der andere Teil mit Höchstgeschwindigkeit an den Buggys vorbei, bis er sie überholt hatte und ihnen somit den Weg in die Hügel versperren konnte.
Vilo, Tibak und Buras versuchten dies zwar zu verhindern, doch konnten sie kaum mehr als vereinzelte Bestien töten. Somit waren die Buggys zwischen einer Vielzahl von Monstern eingekeilt. Der einzig noch mögliche Fluchtweg war jedoch ebenfalls keiner mehr, denn von dort bewegten sich die Spinnenmonster in ihrem Kampf gegen die Insektenbestien auf sie zu.
Die achtbeinigen Kreaturen schienen, wie die Insekten auch, keine Furcht und kein Erbarmen zu kennen, doch hatten sie nur zu Beginn eine scheinbar reelle Chance gegen die außerirdischen Aggressoren. Dann nämlich zeigte sich, dass sie zwar in der Lage waren, sie zu überwältigen, sie jedoch kein wirklich adäquates Mittel besaßen, die extrem harten Panzer ihrer Gegner zu brechen. Ganz anders die Insektenmonster, die mit ihren rasiermesserscharfen Klauen immer und immer wieder auf die Spinnenwesen einhakten und ihnen schmerzhafte, grausame und schließlich tödliche Wunden beibrachten. Die Kleineren unter ihnen fielen als Erstes und ihre verzweifelten Schreie erfüllten das Schlachtfeld, während ihr dunkles Blut umherspritzte, auf dem brennendheißen Wüstenboden verdampfte und sich ein bestialischer Gestank über das Szenario legte.
Mittlerweile hatte Cosco die Kitaja wieder sicher im Griff und mit einer kurzen Schuberhöhung auch wieder direkt über das Schlachtfeld gebracht. Mavis hatte Kaleena, Jovis und Leira angewiesen, sich eine sichere Kabine zu suchen, während er die beiden seitlichen Luken des Flugbootes öffnete. Zusammen mit Dek, Captain Tibaks zurückgebliebenen Mann, nahm er einen schweren Impulsgranatwerfer zur Hand. Jeder sicherte sich auf einer Seite des Flugbootes mit einem Geschirr aus Seilen und versuchte dann auf diese Weise hilfreich ins Geschehen einzugreifen.
Doch das Schlachtfeld war jetzt ein einziges Durcheinander, sodass weder Mavis, noch Dek und auch Matu mit den Bordwaffen der Kitaja kaum einen sinnvollen Schuss zustande brachten. Die Gefahr, die Menschen in den Buggys zu treffen oder auch die Boritas war einfach zu groß.
Es blieb ihnen nichts Anderes übrig, als tatenlos zuzusehen, wie der furchtbare Feind allmählich die Oberhand gewann.
Immer mehr Spinnenwesen starben einen grauenvollen Tod, ebenso wie mit einer beinahe schon ekelhaften Regelmäßigkeit ein Buggy nach dem anderen überrannt und umgerissen wurde und die Insassen in einem schrecklichen Angriff zerstückelt und abgeschlachtet wurden.
Die beiden Insassen eines der kleineren Buggys erkannten als Erste die Aussichtslosigkeit der Lage und warfen jegliches Ehrgefühl über Bord. Der Fahrer drehte ab und flüchtete in Richtung Hügelkette. Niemand bemerkte in diesem schlimmen Gemetzel diesen Vorstoß und beinahe wäre ihnen die Flucht gelungen, wenn nicht doch noch im allerletzten Moment, bevor sie hinter der ersten Biegung verschwunden waren, eine der Insektenkreaturen in ihre Richtung geschaut hätte. Einen Augenblick später hatte sie zwei ihrer Artgenossen darauf aufmerksam gemacht und gemeinsam nahmen sie die Verfolgung auf.
Weil die Anzahl der noch intakten Buggys dramatisch zurückgegangen war, konnten sich Vilo, Tibak und Buras mehr auf den Schutz der verbliebenen Flüchtlinge konzentrieren, wodurch es ihnen gelang einige gute Treffer zu landen und rund zwanzig Insektenbestien zu töten.
Dann aber hatten die kleineren Spinnenwesen den Kampf gegen ihren Gegner verloren und es stand nur noch das Muttertier aufrecht. Während es weiterhin von gut zwei Dutzend Insektenmonstern attackiert wurde, machte das letzte Dutzend kehrt und stürzte sich auf die verbliebenen Buggys und die Boritas, wodurch die Machtverhältnisse hier wieder deutlich verändert wurden.
Dafür aber hatten jetzt Mavis, Dek und Matu ein besseres Sicht- und Schussfeld, wodurch dieser Nachteil zumindest zeitweise wieder ausgeglichen wurde.
Dennoch war die Übermacht an Insektenbestien noch immer zu groß und so sehr sich alle auch mühten, so waren sie am Ende doch chancenlos. Zwar konnten sie immer wieder hervorragende Treffer landen, doch ihre Gegner waren viel zu schnell und erbarmungslos, nutzen jede sich bietende Gelegenheit zum Angriff, führten diese mit äußerster Brutalität aus, überrannten innerhalb kürzester Zeit die noch intakten Buggys und zerrissen alle Flüchtlinge bis auf den letzten Mann.
Wut und Verzweiflung stiegen in Vilo und den anderen auf, doch alles, was sie noch tun konnten, war auch alle Insektenbestien zu töten, während diese sich genüsslich ihrem leckeren Fraß widmeten.
Das letzte noch lebende Spinnenwesen kämpfte mit all der ihm noch verbliebenen Kraft tapfer gegen seine Angreifer, doch hatte es nicht wirklich eine echte Chance gegen sie. Wie ein Rudel Wölfe umlagerten die Insektenbestien das gewaltige Tier zunächst, dann lenkten es mehrere von ihnen mit einem direkten Scheinangriff ab, während sich andere von den Seiten und von hinten auf es stürzten.
Mit ihren rasiermesserscharfen Krallen hatten sie keinerlei Probleme, den doch eher dünnen und elastischen Panzer der Kreatur zu durchdringen. Zwar gelang es dem Muttertier mit seinem äußerst beweglichen, furchterregenden Maul die ersten Insektenbestien zu attackieren und einige von ihnen auch mit seinen gewaltigen Kiefern zu ergreifen und zu zermalmen, doch fügten ihr andere zur gleichen Zeit böse Wunden im Rückenbereich zu. Innerhalb weniger Augenblicke wurde aus dem wütenden, kampflustigen Brüllen des Spinnenwesens immer mehr schmerzhafte Schreie, während das Quieken der erbarmungslos hakenden Insektenbestien angesichts der umherspritzenden Blutmenge, die aus dem Inneren des Muttertiers quoll, immer aufgeregter und ekstatischer wurde. Deutlich ließ die Kraft der Spinnenkreatur nach, ihr Stand wurde unsicherer, sie begann zu schwanken, taumelte schließlich nach links weg, bevor ihre Beine dort einknickten und sie halb zu Boden krachte. Ein kollektiver, erfreuter Aufschrei der Insektenbestien war zu hören, bevor sie sich zeitgleich von allen Seiten auf das Muttertier stürzten und ihr grausames Schlachtfest genüsslich vollendeten.
Es war für alle Anwesenden vollkommen unmöglich, sich diesem furchtbaren Schauspiel zu entziehen.
„Pater?“ Das war Mavis.
„Ja?“ erwiderte Matu.
„Beenden sie das!“ Seine Stimme klang tonlos.
Matu erwiderte nichts, doch wusste er, was der Commander wollte. Einen Augenblick später gab er zwei Raketen aus den Waffenschächten der Kitaja frei. Als sie direkt unterhalb des Muttertiers detonierten und sowohl dessen Körper und auch die auf ihm befindlichen Insektenbestien zerfetzten, vermischte sich der Donner der Explosionen mit einem letzten, schmerzvollen Schrei des Spinnenwesens. Als er verhallt war, blieb eine gespenstische Totenstille zurück, die alle beinahe körperlich fühlen konnten
„Vilo?“
„Ja?“
„Kommt zurück!“ Mavis Stimme klang kraftlos. „Captain, nehmen sie die Boritas wieder auf!“
„Aye, Commander!“ erwiderte Cosco, ebenfalls kraftlos angesichts dieser furchtbaren Niederlage, die sie erlitten hatten.
Vilo verspürte einen tiefen Schmerz im Herzen, doch auch eine ekelhafte Taubheit in seinem Kopf. Der Schock über die vollkommene Nutzlosigkeit ihres Eingreifens saß tief in ihm. Doch äußerlich war ihm dies nicht anzumerken, denn in all den Jahren des Krieges und speziell als Führungsoffizier hatte er gelernt, seine eigenen Gefühle nicht heraus zu lassen, sondern nach außen hin einfach nur zu funktionieren, damit die Truppe weiterhin funktionierte.
Entsprechend gab er Tibak und Buras mechanisch den Befehl, zum Schiff zurückzukehren und machte sich auch selbst auf dem Weg dorthin.
Während er sehen konnte, wie die Kitaja wieder landete und sich die hintere Ladeluke öffnete, um sie aufzunehmen, verspürte er plötzlich einen leichten Ruck während seiner langsamen Fahrt. Er stutzte, doch kaum, dass er einen Blick auf die Instrumententafel vor ihm geworfen hatte, spürte er einen weiteren, deutlicheren Ruck und schon im nächsten Moment einen derben Schlag. Augenblicklich gingen in seinem Boritas alle Lichter aus. Auch der Antrieb stoppte und die Kugel rollte quasi nur noch aus.
Vilo kräuselte seine Stirn, denn so etwas war ihm mit dieser Maschine noch nie passiert. Im fahlen Schein der Notbeleuchtung, die aktiviert worden war, begann er die Instrumente nach einem Fehler im Betriebssystem zu checken.
Mavis und Dek standen am oberen Rand der Laderampe und erwarteten die heranrollenden Boritas.
Das Vilo hinter den beiden vorderen Kugeln zurückblieb, bemerkten sie anfangs nicht. Dek nahm Buras in Empfang, Mavis wollte sich um Tibak kümmern, als er plötzlich erkannte, dass Vilos Boritas nicht mehr näherkam. Während er Tibaks Kugel fast schon mechanisch in den Deckenhaken klinkte, der sie über die Führungsschiene letztlich zurück an ihren angestammten Platz im hinteren Bereich des Laderaums bringen würde, starrte er auf Vilo hinab und runzelte die Stirn. „Vilo? Alles okay?“
„Scheiße, nein!“ erwiderte der Commander etwas verärgert, denn er hatte den Fehler, der zum Ausfall der Stromversorgung geführt hatte, noch immer nicht gefunden.
„Was ist denn los?“
„Die verdammte Stromversorgung ist ausgefallen. Nichts geht mehr!“
„Hast du denn einen solchen Schlag abbekommen?“ Mavis wusste, dass die Lebenserhaltungssysteme der Kugel – und dazu gehörte ganz sicher auch das Antriebssystem – extrem gut geschützt waren. Dass sie ausfielen, war eigentlich nicht möglich. Nur ein wirklich schwerer Schlag an einer wirklich ungünstigen Stelle hätte einen solchen Schaden hervorrufen können. Und Mavis war ziemlich sicher, dass dieser Kampf eine solche Situation eigentlich nicht gebracht hatte. Zwar waren es mehr als genug Insektenmonster gewesen, doch die hatten vordringlich Beute und nicht Abwehr im Sinn gehabt, sodass lange Gemetzel ausgeblieben waren.
„Eigentlich nicht!“ bestätigte dann auch Vilo. „Ich habe auch keine Fehlermeldung. Aber das System ist tot!“
„Commander Mavis?“ Das war Matu über Bordlautsprecher.
„Ja, Pater?“
„Wir empfangen feindliche Signale. Zweihundert Meilen nördlich von hier. Zwei Jägerstaffeln im Direktanflug!“
„Verstanden!“ bestätigte Mavis. Dann überlegte er einen kurzen Moment. „Wir holen dich von Hand rein!“ sagte er und drehte sich herum. „Dek?“
Der Sergeant wollte zwar gerade Buras Boritas öffnen, doch er beendete sein Vorhaben sofort und nickte dem Commander zu. „Natürlich!“
Mavis drehte sich weiter herum. Als er Kaleena, Jovis und Leira sah, weiteten sich seine Augen. „Leira?“
Das monströse Bärenwesen brummte einmal auf und kam zu ihm.
„Würdest du uns helfen, Vilo an Bord zu schieben?“
Leira nickte sofort.
Doch noch bevor irgendeiner von ihnen auch nur den ersten Fuß auf die Ladeluke gesetzt hatte, war aus den Hügeln weiter hinter ihnen ein deutliches, nur allzu bekanntes Quieken zu hören.
Mavis spürte sofort eine Gänsehaut über seinen Rücken kriechen, während Leira einen kurzen, beunruhigten Laut von sich gab.
„Was war das?“ fragte Vilo unsicher, aber bereits mit einem sorgenvollen Unterton.
„Oh mein Gott!“ Das war Kaleena, die neben Mavis getreten war und mit großen, entsetzten Augen auf die Hügelkette starrte, wo im gleichen Augenblick drei Insektenbestien erschienen. Ihr Schritt war beinahe gemächlich, ihre Schreie zeugten von erfolgreicher Jagd. Doch kaum hatten sie das Schlachtfeld vor sich wahrgenommen, verharrten sie abrupt in ihren Bewegungen und erstaunte Rufe ertönten.
„Ist es das, wofür ich es halte?“ fragte Vilo.
„Jepp!“ erwiderte Mavis tonlos, während er überlegte, was sie jetzt tun konnten.
Die drei Bestien rannten ein paar schnelle Schritte in Richtung Schlachtfeld, dann stoppten sie wieder ab, weil sie die Kitaja ausgemacht hatten.
„Verdammt!“ rief Vilo und begann erneut damit, die Systeme der Kugel zu checken. „So ein Mist!“
„Captain?“ Mavis hatte eine Idee.
„Ja, Commander?“
„Geben sie ein wenig Schub auf die Haupttriebwerke und fliegen sie ganz langsam in westlicher Richtung davon!“
„Aye, Sir!“
„Was hast du vor?“ fragte Kaleena, während Cosco den Schub erhöhte.
„Sie haben uns erkannt, aber noch nicht Vilo. Vielleicht...!“ Mavis stoppte, weil er bemerkte, dass Cosco auch die Flughöhe anhob. „Nein, nicht höher, Captain!“ rief er deshalb. „Bleiben sie so. Fliegen sie nur langsam davon!“ Cosco tat es und Mavis war wieder zufrieden. „Vielleicht können wir sie von hier weglocken!“
Kaleena nickte und schaute gespannt auf die Insektenbestien. Anfangs schien der Plan auch zu funktionieren, denn sie folgten der Kitaja, doch dann schaute eines der Monstren in Vilos Richtung und erkannte Bewegung im Inneren der Kugel. Sofort quiekte es aufgeregt und machte seine Artgenossen darauf aufmerksam. Nur einen Augenblick später war das Flugboot nicht mehr wichtig und die drei Bestien mit Höchstgeschwindigkeit auf dem Weg zu Vilo.
Kaleena stieß einen entsetzten Schrei aus.
Mavis handelte sofort. „Verdammter Mist!“ stieß er hervor, dann riss er ein Impulsgewehr von der Halterung an der Wand und stürmte die Ladeluke hinunter. „Cosco soll das Schiff wenden und mir helfen!“ rief er noch, dann hetzte er über den heißen Wüstensand auf Vilos Boritas zu.
Captain Tibak stürzte herbei und starrte dem Commander mit entsetzten Augen hinterher. Ihm war klar, dass er helfen musste. Die Boritas wieder startklar zu machen würde zwar schnell gehen, aber dennoch zu langsam sein. Also tat er, was sein Bauch ihm sagte. Er gab Cosco den Befehl zu wenden und dann wollte er sich ebenfalls ein Impulsgewehr schnappen und dem Commander folgen. Allein hatte er niemals eine Chance gegen drei Insektenbestien. Doch gerade, als er die Waffe an sich bringen wollte, sah er einen Schatten an sich vorbeirauschen, die Waffe von der Wand reißen und die Ladeluke hinabrennen. Zu seinem größten Erstaunen, aber auch Entsetzen, erkannte er Kaleena, die Mavis mit Volldampf hinterherrannte.
Während Cosco versuchte die Kitaja mit einem kurzen, aber kräftigen Schub beinahe auf der Stelle zu wenden, was ihm jedoch nicht gleich gelang, weil die auf dem Wüstenboden schabende Heckklappe die Lenkung erschwerte, rannten Mavis und Kaleena auf Vilos Boritas zu. Doch noch bevor auch nur einer von ihnen in ihre Nähe kam, hatten die drei Insektenbestien die Kugel bereits erreicht.
Vilo im Inneren bekam von alldem kaum etwas mit, denn er versuchte noch immer, den Systemfehler zu finden, der den Antrieb deaktiviert hatte und wurde dabei allmählich immer nervöser.
Als die drei Monstren die Kugel erreicht hatten, donnerten sie mit hoher Geschwindigkeit einfach dagegen und überrannten sie, sodass sie wieder ins Rollen geriet.
„Nein!“ brüllte Kaleena entsetzt auf, als sie es mit ansehen musste, doch wusste sie, dass sie nicht verharren durfte und so beschleunigte sie nochmals, wobei sie deutlich spürte, dass ihre Lungen aufgrund der extrem hohen Temperaturen bereits zu Kochen begannen.
Mavis weiter vor ihr hatte ihren Schrei offensichtlich gehört. Er warf seinen Kopf herum und in seinem Blick konnte sie deutliche Missbilligung ihrer Tat erkennen. Doch auch die Erkenntnis, dass es eigentlich klar war, dass Kaleena hier niemals tatenlos zuschauen konnte.
Da die Bestien auf der extrem harten Außenhülle des Boritas keinen Halt fanden, kam er wieder frei und trudelte einen kleinen Abhang hinunter. Doch natürlich gaben sich die Monster damit nicht zufrieden und stürmten schon wieder auf sie zu.
Vilo im Inneren des Boritas fluchte, da er erkennen musste, dass auch der Kreiselkompass der Kugel ausgefallen war, der letztlich dafür sorgte, dass der Fahrer stets aufrecht stand. Der unerwartete, mehrfache Überschlag zerrte zusätzlich an seinen Nerven und vollkommen unüblich für ihn donnerte er schließlich unbeherrscht seine flache Hand auf das Kontrollpult.
Natürlich war klar, dass dort, wo rohe Kräfte sinnlos walteten – manchmal auch etwas Gutes herauskommen konnte. Vilo war sichtlich überrascht, als urplötzlich wieder alle Lichter aufflammten und sofort auch das Haupttriebwerk deutlich hörbar anlief.
„Na also!“ stieß er erfreut hervor und agierte ohne zu zögern schnell und effektiv. Während er den Antrieb wieder aktivierte und die Kugel schneller zu rollen begann, begann auch der Kompass wieder seine Arbeit und nach einigen weiteren Sekunden, in denen er nicht recht wusste, ob er schreien oder kotzen sollte, blieb er aufrecht stehen und lenkte der Boritas wieder gewohnt sicher.
„Ja!“ rief Kaleena und war sichtlich erfreut, als sie sehen konnte, dass sich der Boritas wieder selbstständig bewegte. Sie verlangsamte ihren Lauf und fand sich plötzlich neben Mavis wieder, der reglos dastand und in Richtung der drei Bestien starrte. Kaleena schaute ihm freudestrahlend ins Gesicht, doch fand sie darin keine Regung. „Was ist?“ fragte sie unsicher.
Mavis antwortete ihr nicht, sondern nickte nur nach vorn.
Sie folgte seinem Blick und als sie dort direkt in die Augen der Insektenmonster blicken konnte, wusste sie, dass sie sie entdeckt hatten und ihr wurde schlagartig auch innerlich kochend heiß.
Warum alles wieder funktionierte, als wäre es nie beschädigt gewesen, wusste Vilo nicht zu sagen, aber es war ihm auch ziemlich egal. Hauptsache, des Boritas schnurrte wieder wie ein Kätzchen. Demgemäß natürlich auch die Kameras, die in dem Drahtgeflecht der Außenhülle positioniert waren und ihm jetzt ein glasklares Bild seiner Umgebung lieferten. Er sah die feindlichen Bestien, die mittlerweile abgestoppt hatten und in eine andere Richtung schauten. Er ließ die Kameras dorthin schweifen und erkannte die Kitaja, die gerade dabei war, eine enge Kehre zu fliegen. Plötzlich stutzte er, fuhr ein Stück zurück und hatte sogleich zwei Personen im Blickfeld, die je mit einem Impulsgewehr bewaffnet inmitten der heißen Einöde standen. Einen Augenblick später hatte er sie erkannt. „Mavis?“ Er runzelte die Stirn. „Kaleena? Aber...?“ Ein Quieken erregte seine Aufmerksamkeit und als er sah, wie die drei Insektenmonster auf diese beiden zustürmten, gefror ihm das Blut beinahe in den Adern. „Oh mein Gott! Nein!“ Instinktiv drückte er den Schubhebel nach vorn. Das Szenario ließ nur einen Schluss zu. Die beiden waren zu seiner Hilfe herbeigeeilt. Jetzt waren sie selbst zur Beute erwählt worden. Vilo wusste, dass er das verhindern musste. Er lenkte den Boritas direkt auf die Bestien zu, visierte sie durch das Feuerleitsystem kurz an, dann drückte er auf den Auslöser für die Bordkanone.
Einen Wimpernschlag später aber wusste er, dass ihr Problem weitaus größer war, als er befürchten konnte, denn aus den kurzen Geschossläufen kam nichts außer heiße Luft und das Innere der Kugel war erfüllt von dem widerlichen Alarmsignal, dass eine Fehlfunktion der Waffensysteme anzeigte. „Verdammt nochmal, das darf doch nicht wahr sein!“ brüllte er, doch gab es nichts, was er dagegen tun konnte. Links neben den beiden Menschen sah er, wie Cosco die Kitaja in einer engen Kehre wendete, doch schien im ersten Moment niemand daran zu denken, die hintere Ladeluke zu schließen, sodass das Manöver länger dauerte, als nötig. Vilo war sich absolut nicht sicher, ob das Schiff Kaleena und Mavis noch rechtzeitig erreichen würde. Wohl aber er, wenn er Vollgas gab. Und genau das tat er dann auch, wenngleich er nichts außer der Energie der Kugel selbst besaß, um gegen diese Bestien zu agieren.
Endlich hämmerte Dek seine flache Hand auf den Schalter zum Schließen der Luke. Als die sich dann soweit angehoben hatte, dass sie keine Bodenhaftung mehr hatte, spürte Cosco, wie die Lenkung des Schiffes wieder ordnungsgemäß reagierte. Sofort erhöhte er den Schub und konnte die Entfernung zu Mavis und Kaleena innerhalb von nur zwei Sekunden überbrücken. Wie ein riesiger Panther ließ er das Schiff quasi über die beiden hinwegspringen. Dabei drehte er das Boot so, dass sie aus dem Cockpit heraus direkt auf die Angreifer schauen konnten. Matu hatte den Finger bereits auf dem Abzug gehabt, als er sah, wie plötzlich Vilo mit seinem Boritas direkt durch die drei Bestien hindurchraste und ihm damit ein freies Schussfeld nahm. Der Pater konnte gerade noch innehalten, bevor er die Projektile freigegeben hätte.
Vilo bemerkte die Kitaja in dem Moment wieder, da er die Bestien erreicht hatte. Doch da war es für eine Umkehr schon zu spät. Also hielt er an seinem ursprünglichen Plan fest und donnerte einfach mitten durch die kleine Gruppe, um sie abzulenken. Das ihm das viel besser gelang, als ihm lieb sein konnte, erkannte er schon einen Augenblick später, als sich die drei Insektenbestien blitzschnell zu ihm umwandten und hinter ihm her rasten.
Kaum, dass Cosco das Schiff gelandet hatte, öffnete Dek schon wieder die hintere Ladeluke. Mavis und Kaleena reagierte ebenfalls schnell und rannten hinauf ins Innere des Flugbootes, wo Mavis dem Sergeanten seine Waffe übergab und ins Cockpit rannte. Kaleena und Tibak folgten ihm.
Vilo hatte im ersten Moment die Idee, die Kitaja direkt anzusteuern, da er in den Augenwinkeln registriert hatte, dass die hintere Ladeluke geöffnet war. Doch sein Vorsprung war zu gering, um dieses Vorhaben gefahrlos durchzuführen. Also verdrängte er diesen Gedanken. Ein kurzer Blick auf seine Umgebung zeigte ihm die Hügelkette nur wenige Meter voraus. Wenn es ihm gelingen würde, dorthin zu gelangen, konnte er dort die Wendigkeit der Kugel ausnutzen und mit der nötigen Geschwindigkeit seine Verfolger vielleicht weit genug abhängen, um am Ende doch noch heil zurück in die Kitaja zu gelangen. Er wusste, er hatte nicht die Zeit, lange darüber nachzudenken, also steuerte er kurzerhand auf die erste Schlucht zwischen zwei nicht sonderlich hohen, aber steilen Hügeln, zu.
„Wo ist er?“ rief Mavis, kaum, dass er das Cockpit erreicht hatte.
Matu deutete auf den Hauptschirm auf eine kleine Staubwolke. „Da! Er fährt gerade in die Hügel!“ Einen Moment später war der Boritas schon verschwunden, sehr dicht gefolgt von seinen drei Jägern.
„Er versucht sie abzuschütteln!“ meinte Mavis und nickte mehr zu sich selbst. „Bleiben sie ihm auf den Fersen!“ befahl er dann dem Captain und während Cosco den Schub erhöhte und sie die Hügelkette in geringer Höhe anflogen, lächelte er Kaleena aufmunternd zu. „Gleich haben wir ihn wieder sicher im Sack!“
Vilo tat genau das, was er sich vorgenommen hatte. Er donnerte mit höchstmöglicher Geschwindigkeit durch die nicht sonderlich hohen, dafür aber engen und steilen Hügelschluchten, wobei er die irre Wendigkeit des Boritas ausnutzte und so oft Haken schlug, wie es nur ging.
Dennoch musste er schnell erkennen, dass er seine Verfolger nicht loswurde, sondern sie ihm im Gegenteil immer näherkamen. Für einen Augenblick zweifelte er an seiner Entscheidung, hierher zu flüchten und hielt es für eine echte Scheißidee.
Plötzlich und unvermittelt öffnete sich die Schlucht vor ihm und er gelangte auf eine beachtlich große Ebene auf der nur einige vereinzelte Felsbrocken verstreut lagen.
Vilo war sofort klar, dass er hier erst recht keine Chance haben würde, seinen Jägern zu entkommen.
Wie zur Bestätigung konnte er links vor sich einen umgestürzten Buggy sehen, vor dem eine große Blutlache und zerfetzte Körperteile lagen. Die Flüchtlinge waren nicht sehr weit gekommen und ihm drohte das gleiche Schicksal, denn ein wilder Schrei direkt neben ihm, sagte ihm, dass seine Verfolger ihn eingeholt hatten.
„Da!“ Mavis deutete mit dem rechten Arm aus dem Cockpitfenster an das andere Ende der Ebene, wo sich wieder eine dichte Hügelkette mit steilen, gezackten Felsformationen zeigte.
Cosco folgte seinem Blick, doch konnte er im ersten Moment nicht erkennen, was der Commander dort zu sehen glaubte.
„Die Rampe!“ rief Mavis, weil er merkte, dass niemand seinen Gedankengang nachvollziehen konnte.
„Die...?“ Der Captain kräuselte die Stirn und verengte seine Augen zu schmalen Schlitzen. Und dann plötzlich sah er es: Eine Feldformation, die wie geschaffen war für ein verrücktes, aber durchaus erfolgreiches Rettungsmanöver. „Verdammt!“ stieß er hervor.
„Sehen sie es?“ fragte Mavis.
„Ja, ich sehe es!“ Cosco nickte und erhöhte den Schub auf die Haupttriebwerke.
„Ich gehe nach hinten und rede mit Vilo!“ rief Mavis, machte auf der Stelle kehrt und rannte zurück in den Laderaum.
Kaleena, die noch immer nicht verstanden hatte, was die beiden vorhatten, folgte ihm nervös und tief besorgt.
„Vilo?“
„Keine Zeit, bin beschäftigt!“ brüllte der Commander gestresst ins Mikro, weil er alle Hände voll zu tun hatte, zu verhindern, dass es den Insektenbestien gelang, ihn aus der Bahn zu werfen.
„Wir haben einen Plan!“
„Hah!“ Das war ein sarkastisches Lächeln. „Dann lass mal hören!“
Zehn Sekunden später meinte Vilo. „Ja, ich sehe es. Aber das klappt doch nie!“
„Dann machen wir es also?“
„Klar!“
In den nächsten Sekunden spürte Kaleena deutlich, wie der Schub der Kitaja mächtig erhöht wurde.
„Captain?“ rief Mavis, als er die hintere Ladeluke erreicht hatte.
„In Position!“
„Okay!“ Mavis nickte Dek zu. „Luke auf!“
Der Sergeant donnerte seine flache Hand auf den Auslöser und die Ladeluke schwang herab.
Zeitgleich spürte Kaleena, wie die Geschwindigkeit wieder deutlich verringert und sogar Gegenschub geleistet wurde. sodass das Flugboot in der Luft verharrte.
Einen Augenblick später war die Luke vollständig offen. Kaleena erkannte unter und vor sich eine dichte Hügelkette, dahinter die Ebene, in der ihr Mann gerade vor den Bestien flüchtete. Cosco hielt das Schiff ruhig einige Meter über den Felsen schräg unter ihnen. Etwa zwanzig Meter vor ihnen erhoben sich einige größere oder besser höhere Hügel und einer von ihnen, nämlich der direkt vor ihnen, sah verdammt aus, wie eine Rampe. Und plötzlich wusste Kaleena sehr genau, was ihr Mann und Mavis vorhatten.
„Wir sind soweit!“ sagte Mavis ruhig.
„Aber ich nicht!“ rief Vilo. „Kann ich aus dieser Nummer nicht noch aussteigen?“
„Keine Chance!“ erwiderte Mavis, während er einen schweren Granatwerfer schulterte und schon einmal grob sein Ziel anvisierte. „Und jetzt mach!“
„Ja, verdammt!“ Vilos Stimme klang säuerlich. „Moment noch! Oder soll ich meine neuen Freunde mitbringen?“
„Vergiss es!“ zischte Mavis. „Und komm nicht zu schnell rein. Aber auch nicht zu langsam. Und sieh zu, dass du hier nicht alles...!“
„Zu spät!“ brüllte Vilo. Während er mit Mavis gesprochen hatte, hatte er einige wilde Schlenker vollführt und war so dicht es nur ging, um einige Felsbrocken gerauscht. Und endlich war es ihm tatsächlich gelungen, wenigstens wieder ein paar Meter zwischen sich und den Monstern zu bringen. Ihm war klar, dass er niemals mehr bekommen würde. Also lenkte er den Boritas auf die Rampe aus natürlichem Felsgestein am Ende der Ebene zu und gab Vollgas. Während er spürte, wie er bergan raste, sandte er ein Stoßgebet gen Himmel, dass nicht irgendwo auf dem Weg nach oben ein verschissener Stein oder sowas liegen mochte, der ihm ziemlich übel den Tag versauen konnte. Dann schrie er nur noch. „Aus dem Weg!“ Und schon hatte er das Ende der Rampe erreicht.
Als Mavis den Boritas sah, verspürte er ein kurzes Zucken in seinen Nervenbahnen, das ihm bewusstmachte, wie verdammt eng sein Vorhaben sein würde und das er hier ein weiteres Mal mit seinem eigenen Leben spielte.
Eine Sekunde würde er brauchen, um einen einzigen, guten Schuss abgeben zu können, doch ob er die wirklich bekommen würde, war fraglich.
Dennoch zögerte Mavis keinen winzigen Augenblick und visierte erneut über den optischen Sucher des Granatwerfers die Kuppe der Rampe an, denn neben dem Zucken verspürte er auch wieder diese allumfassende Ruhe, die ihn immer befiel, wenn er sich in Gefahr wusste. Sie war es, die ihm die nötige Macht über Körper und Geist verlieh, um auch in Extremsituationen handlungsfähig zu bleiben und die bei allen anderen für Respekt und Bewunderung sorgte.
Einen Wimpernschlag später zuckte der Boritas durch den Sucher und Mavis drückte ab. Während sich das Projektil mit einem Zischen aus der Waffe löste, schoss der Boritas über die Kante der Rampe hinweg und flog auf die geöffnete Luke des Flugbootes zu. Der Steigungswinkel der Rampe und die hohe Geschwindigkeit der Kugel sorgten dabei zunächst dafür, dass Vilos Flugbahn weiter anstieg, bevor das Gewicht des Boritas und der verebbende Vortrieb sie wieder zum Sinken brachten, sodass die Flugbahn einem sanften Bogen glich.
Und das Wissen darum hatte sich Mavis zu Nutzen gemacht, denn während die Kugel durch die Luft sauste, schoss keine zehn Zentimeter unter ihr die Granate in die entgegengesetzte Richtung und detonierte einen winzigen Augenblick, nachdem Vilo die Rampe verlassen hatte perfekt auf ihrer Kante, genau in dem Moment, da seine Verfolger sie kreischend und quiekend erreicht hatten.
Vilo, der natürlich erkannt hatte, dass Mavis quasi auf ihn abgefeuert hatte, konnte nur noch schreien, weil er in der Luft keinerlei Einfluss mehr auf die Lenkung des Boritas hatte und dem Können seines Freundes hilflos ausgeliefert war. Als die Granate ihre Energie freigab, war er dann auch immer noch so nah am Geschehen, dass die Explosion beinahe sein Trommelfell zerriss, die Flammen den Boritas fast komplett einhüllten und die Druckwelle ihm einen zusätzlichen Schub verlieh. Dass außerdem eine dunkle Wolke aus Insektenblut und Körperteilen hinter ihm her rauschte und gegen die Außenhaut der Kugel klatschten sah und spürte er jedoch nicht.
Im nächsten Moment war er schon aus der Flammenfaust hinausgeschossen und sofort total geschockt, wie nah er der Kitaja schon war, die sein Blickfeld beinahe komplett einnahm. Vielmehr aber war er entsetzt, wie sehr ihn die Druckwelle der Explosion beschleunigt hatte und vor allem zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt, als seine Flugbahn sich nämlich schon wieder gesenkt hatte. Für Vilo vollkommen klar: Er war viel zu schnell und auch zu tief!
Mavis verharrte noch für den Bruchteil einer Sekunde an Ort und Stelle, um zu erkennen, dass sein Schuss hervorragend gelungen war. Dann schoss Vilos Boritas aus der Flammenfaust und donnerte auf ihn zu. Mit einer schon beinahe unmenschlichen Ruhe machte er zwei Schritte nach rechts, um nicht von der Kugel um gemäht zu werden. Dabei erkannte er jedoch, dass der Boritas weitaus tiefer auf die Ladeluke treffen würde, als er gedacht hatte. Außerdem schien er noch an Geschwindigkeit zugelegt zu haben. So würden sie alle Probleme bekommen, wenn die Kugel aufschlug.
Und schon im nächsten Moment schlug sie auf.
Ein heftiges Krachen ertönte, als der Boritas kaum einen Meter von der Kante der Ladeluke entfernt auftraf. Gleichzeitig ging ein derartiger Ruck durch das gesamte Schiff, dass sie alle von den Füßen gerissen wurden.
Die Kugel selbst war nicht so schwer, als dass sie dem Schiff gefährlich werden konnte, aber ihre enorme Geschwindigkeit sorgte dafür, dass das Heck der Kitaja abrupt nach unten absackte.
Während der Boritas aufgrund seiner Geschwindigkeit dennoch die Rampe hinaufschoss und in das Innere des Schiffes polterte und die Außenhülle dabei funkensprühend über den Boden schrammte, flammten und schrillten bei Cosco im Cockpit alle Alarmglocken auf.
Der Captain war sofort tief entsetzt, doch reagierte er in jahrelangen Automatismen schnell und effektiv, um der aufkommenden Bedrohung entgegenzuwirken. Er drückte den Schubhebel nach vorn, um ein weiteres Absinken des Hecks zu verhindern. Das gelang ihm zwar, doch konnte er nicht verhindern, dass das Heck jetzt zur Seite ausbrach und sich die Kitaja zu drehen begann, wie ein Brummkreisel. Gleichzeitig wurde ihre Position seitlich verrissen, während sie doch an Höhe verlor.
Cosco hatte innerhalb von Sekunden alle Hände voll zu tun.
Vilos Boritas schoss einmal quer durch den Laderaum und krachte dann wuchtig gegen den rückwärtigen Schott, wo er so heftig dagegen schlug, dass er eingedrückt wurde. Alle Anwesenden hechteten panisch beiseite, um nicht mitgerissen zu werden oder wurden einfach durch die heftigen und unüblichen Bewegungen des Bootes durch die Gegend geschleudert. Dennoch wurde niemand von dem Boritas erschlagen.
Von der Rückwand donnerte die Kugel weiter gegen die Außenhülle des Schiffes, doch war ihre Energie nicht mehr groß genug, um sie zu beschädigen, wohl aber um einige Regalschränke umzupflügen. Hiernach rollte sie wieder in Richtung Heck des Schiffes und schien schon liegenbleiben zu wollen, als die plötzliche Kreiselbewegung des Bootes sie erneut beschleunigte und sie gegen die gegenüberliegende Wand geschleudert wurde, wo sie bis zum Stahlschott entlang schrammte und alles mit sich riss, was dort gelagert wurde. Als die Kugel schließlich wieder gegen den Stahlschott krachte, wurde sie nach rechts abgelenkt, wo sie gegen einen der beiden anderen Boritas schlug und sich so an ihm verkeilte, dass sie sich nicht mehr bewegte.
Am Ende hatte der Boritas innerhalb weniger Sekunden beinahe den kompletten hinteren Laderaum zerstört und alle Anwesenden in Angst und Schrecken versetzt.
Alles, was noch blieb, war Vilos markerschütternden Schrei, der erst verhallte, als alles andere längst verstummt war.
Cosco war sich nicht sicher, ob er die Sache wirklich noch hinbekam. Das Problem waren nicht die Bewegungen des Schiffes, sondern seine geringe Höhe. Dadurch hatte er kaum Zeit und Möglichkeiten zu reagieren. Klar war aber, dass er weg von den schroffen Hügelkuppen musste, wollte er nicht riskieren, dass die Außenhülle der Kitaja beschädigt wurde. Denn das hier alle bei einem Crash sterben würden, war unwahrscheinlich, wenn das Boot aber nicht mehr tauchen konnte, war ihre Mission und damit wahrscheinlich ihr aller Zukunft gescheitert.
Und das konnte und wollte er nicht akzeptieren.
In den Augenwinkeln konnte er eine weitere Ebene erkennen. Nicht so groß, wie die erste, aber schön flach und wie es schien ziemlich frei von Felsbrocken.
Instinktiv steuerte er das Schiff dorthin. Keine Sekunde zu früh, denn der Rumpf der Kitaja schoss gerade noch so eben über die letzten Hügelspitzen, ohne mit ihnen zu kollidieren.
Dann sackte das Boot nochmals ruckartig ab, wodurch seine Kreiselbewegung jedoch stark abgebremst wurde. Dennoch wusste Cosco, dass er das Schiff längst nicht wieder unter Kontrolle hatte. Den Schub zu erhöhen hatte keinen Sinn mehr, sie waren bereits zu tief, als dass das noch etwas gebracht hätte. Und sie waren auch noch immer zu schnell, um das Boot auf seinen Kufen zu landen. Nein, es gab nur eine einzige Möglichkeit, doch dazu brauchte er Glück.
Cosco legte all seine Kraft in seine Arme, um das Ruder stabil zu halten. Während der Boden unter ihnen immer näher kam, richtete sich die Nase des Schiffes quälend langsam nach vorn aus. Auch gelang es Cosco, die Abwärtsneigung deutlich zu verringern.
Matu neben ihm, sagte keinen Ton, doch konnte er das entsetzte Stöhnen des Paters hören.
„Achtung!“ rief der Captain dann. „Festhalten!“
Eine Sekunde später krachte der Rumpf des Kitaja mit irrsinniger Wucht auf den Wüstenboden.
Kaum hatten sich alle im Innenraum des Schiffes wieder einigermaßen gefangen, da riss sie die Wucht des Aufpralls erneut von den Füßen und sie polterten in alle Richtungen.
Glücklicherweise hatten sich viele bereits vorher irgendwo festgeklammert, weil die Bewegungen des Bootes klar anzeigten, dass Cosco es noch nicht wieder unter Kontrolle hatte, sodass das totale Chaos und vor allem üble Verletzungen ausblieben.
Cosco am anderen Ende des Schiffes aber hatte ganz andere Probleme, denn der Aufprall hatte ihm das Ruder aus der Hand gerissen und er hatte Mühe, es wieder in den Griff zu bekommen.
Dabei hatten sie alle noch unverschämtes Glück gehabt, denn der Boden der Ebene erwies sich als geradezu samtig-weich und beinhaltete nur kleine Felsbrocken. Der stark abgeflachte Rumpf der Kitaja glitt auf ihm dahin, wie auf einer Wasseroberfläche, wodurch die Geschwindigkeit sanft, aber deutlich reduziert wurde. Außerdem – und das war viel wichtiger für Cosco – lag das Schiff überraschend ruhig.
Nur eines machte ihm Sorgen und das war das rasend schnell immer näherkommende Ende der Ebene und die scharfgezackten Hügel dahinter. Da er nicht abrupt bremsen konnte, sah er nur eine Chance, einem Aufprall dort zu entgehen und deshalb hämmerte er den Schubhebel förmlich wieder nach vorn und zog gleichzeitig das Ruder an sich.
Die Kitaja reagierte trotz ihrer Größe hervorragend auf dieses Manöver und schon einige Sekunden später erhob sich der Rumpf wieder aus dem Wüstensand.
Cosco war sich zwar noch nicht gänzlich sicher, ob sie auch unbeschadet über die Hügelkuppen kommen würden, doch die nachfolgenden Augenblicke zeigten, dass er sich keine Sorgen mehr zu machen brauchte. Hiernach spürte er deutlich, wie sich sein gesamter Körper wieder entspannte. Mit einem tiefen Atemzug, den er in seine Wangen blies, schaute er zu Matu, dem man den Stress der letzten Minuten ebenfalls deutlich ansah.
Dennoch rang sich der Pater ein echtes Lächeln ab. „Klasse gemacht, Captain!“
Jetzt musste auch Cosco grinsen. „Danke!“ Und weil er wusste, dass der Priester Recht damit hatte, lenkte er die Kitaja mit ruhiger Hand in eine sanfte Linkskurve, um schließlich wieder Richtung Südwesten zu fliegen.
Als das Schiff merklich ruhiger flog, rappelten sich alle wieder auf und prüften zunächst, ob sie irgendwelche Verletzungen davongetragen hatten. Doch bis auf Prellungen, Schürfungen, einige Stauchungen, ein paar Schnittwunden und blaue Flecken gab es nichts zu verzeichnen, zumindest sah niemand so aus, als ginge es ihm wirklich schlecht.
Mavis sah, wie Kaleena zu Jovis und Leira stürmte, doch das bärige Monstrum hatte den Jungen prima abgeschirmt, sodass er lachend seine Mutter begrüßte. In der anderen Ecke rappelte sich Captain Tibak gerade wieder auf, während Dek bereits dabei war, Vilo aus dem Boritas zu befreien. „Captain?“ rief Mavis, nachdem er mehrmals tief Luft geholt hatte.
„Ja?“ Die Antwort kam gestresst, aber doch zufrieden durch die Leitung.
„Sind sie endlich wieder nüchtern?“ Mavis sah, dass ihn die anderen mit großen Augen ansahen und kurz in ihren Bewegungen innehielten.
„Wieso ich?“ erwiderte Cosco tonlos. „Fragen sie den Fahrer des Boritas!“
Mavis grinste kurz breit, während er sah, wie Vilo sich mit säuerlicher Miene aus dem Inneren der Kugel schälte und sofort zu ihm kam. „Klar, mach ich!“
„Was machst du?“ fragte Vilo ziemlich angefressen.
„Einen Alkoholtest bei dir!“ erwiderte Mavis tonlos.
„Was?“ Vilo war sichtlich verwirrt. „Wieso? Das war deine verdammte Idee, nicht meine. Und wenn du noch einmal auf mich schießt Alter, dann...!“ Vilo stoppte plötzlich ab, weil er zufällig aus der noch immer geöffneten Ladeluke ins Freie schaute und dabei dunkle Rauchfahnen sehen konnte. Einen Augenblick später mussten er, aber auch alle anderen erkennen, dass sie gerade das Schlachtfeld südlich der Hügelkette überflogen, wo sie innerhalb weniger Minuten über sechzig Menschenleben verloren und zusätzlich ein Trupp Wüstenaracs ihr Leben in einem widerlichen, furchtbaren und vor allem ehrlosen Kampf gelassen hatten. Nicht nur Vilo verschlug es bei diesem Anblick für einen Moment die Sprache.
Dann aber zwang er sich, sich zusammenzureißen und blickte zurück zu Mavis. „Sind wir jetzt endlich fertig hier?“ raunte er verärgert.
Mavis erkannte sofort den Schmerz in seinem Blick, doch sah er seinen Freund nur einen Moment stumm an und sprach dann in sein Headset. „Captain?“
„Ja?“
„Bringen sie uns auf Direktkurs nach Tibun! Commander Vilo und ich kommen sie ablösen, sobald hier hinten alles wieder in Ordnung gebracht ist!“
Vilo wartete, bis Mavis ihn ansah. „Ab jetzt keine Extrarunden mehr, okay?“ Seine Stimme klang eher bittend, denn fordernd. „Wir haben zu viel zu verlieren!“
Mavis sah ihn verständnisvoll an, dann nickte er. „Und jetzt mach diese verdammte Luke zu!“ raunte er gespielt mürrisch. „Es zieht!“