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XII

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Nachdem sie die Ladeluke hinter sich gelassen hatten, hörten sie auf, Mavis zuzuwinken, wandten sich um und liefen an den Rand der Lichtung. Dort stoppten sie und drehten sich zurück zum Schiff, wo die Luke gerade wieder geschlossen wurde.

Einen Augenblick später gab Captain Cosco mehr Schub auf die Vertikaltriebwerke und die Kitaja erhob sich bis knapp über die Baumwipfel. Dort drehte sich der Rumpf Richtung Nordwesten. Cosco aktivierte die Haupttriebwerke und das Schiff entfernte sich langsam zwischen Dschungeldach und Nebelbank außer Sichtweite.

Vilo, Kaleena und Leira schauten ihnen mit gemischten Gefühlen hinterher und blieben auch noch reglos, obwohl das Flugboot längst aus ihrem Blickfeld verschwunden war. Erst, als auch das Geräusch der Triebwerke verklungen war und sie nur noch die fremdartigen Laute des Dschungels umgaben, rührten sie sich wieder.

Vilo drehte sich zu seiner Frau und schaute ihr mit ernster Miene in die Augen. Kaleena erwiderte nichts, doch konnte er erkennen, dass sie ähnlich düstere Gedanken hatte, wie er selbst. Doch natürlich durften sie sich die nicht vor ihrem Sohn anmerken lassen. Und deshalb wandten sie sich erst dann zu ihm und Leira um, als ihre Gesichtszüge aufgeweicht waren, sie sich ein aufmunterndes Lächeln zugeworfen hatten und den Beiden mit demselben gegenüber traten.

„Okay!“ meinte Vilo sofort mit gedämpfter Stimme. „Wir sind hier an einem Ort, wo niemand von uns je zuvor gewesen ist!“ Er schaute seinen Sohn eindringlich an, der ihm jedoch bereits aufmerksam zuhörte. „Das heißt, wir wissen nicht, was uns hier erwartet. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir sehr leise sind und stets aufpassen, wo wir hingehen. Okay?“

Jovis nickte, Leira brummte zustimmend.

„Ich werde immer vorausgehen!“ führte Vilo weiter aus. „Dann kommen Leira und du! Hinter uns wird Mama sein!“ Er drehte sich zu Kaleena. „Alles klar?“

Seine Frau nickte.

„Wenn euch irgendetwas komisch vorkommt oder nicht so ist, wie es sein sollte: Sofort Bescheid sagen! Aber auch hier gilt: Leise sein!“ Er schaute in die Runde. „Noch Fragen?“ Alle schüttelten den Kopf. „Dann los!“

Vilo hatte alle seine Sinne aufs Äußerste angespannt. Stets bemüht, alle Geräusche frühzeitig einzuordnen und jede Bewegung sofort zu erkennen, versuchte er dennoch, so schnell wie möglich voranzukommen.

Das gelang ihm auch, doch lief ihm der Schweiß dabei nur so am Körper entlang. Der Dschungel war eigentlich viel zu dicht für ihr Tempo und die meisten der Laute, die in seine Ohren drangen, konnte er selbst nach einigem Überlegen noch nicht zuordnen.

Er konnte wirklich nur hoffen, dass ihr Weg noch nicht von argwöhnischen, bösen Augen verfolgt wurde.

Vilo aber ging dieses Risiko ein, weil er hoffte und auch davon ausging, dass sie den Tafelberg sehr schnell erreichen würden.

Nach ein paar Minuten wollte er gerade anfangen, sich Sorgen zu machen, als die beeindruckende Felswand jedoch auch schon vor ihnen auftauchte. Vilo sondierte schnell das Gelände und war sichtlich erleichtert, als er nur wenige Meter von ihnen entfernt einen überraschend breiten und sogar teilweise befestigten Pfad ausmachen konnte, der an der Bergflanke entlang ziemlich steil nach oben führte. Vielleicht war es ja ein Weg, der einst bis auf den Berggipfel hinaufgeführt hatte und nur durch den Erdrutsch, den sie gesehen hatten, versperrt war. Dann würde zumindest nicht der ganze Weg eine Qual werden.

Vilo überlegte nicht lange und führte die kleine Gruppe dort entlang.

Als Mavis in das Cockpit trat, konnte er sehen, wie sich der Nebel über ihnen allmählich lichtete.

Wortlos stellte er sich in den Mittelgang hinter Cosco und Matu und verfolgte stumm den Flug des Bootes.

Cosco blieb weiterhin dicht über den Baumwipfeln, nutzte dabei jede noch vorhandene Deckung durch den Nebel, ohne dabei jedoch ihr Ziel allzu weit aus den Augen zu verlieren. Während das Land unter ihnen immer weiter anstieg, folgten sie den Ausläufern des Tafelbergs Richtung Nord-Nord-West.

Mavis schaute auf den Höhenmesser, der mittlerweile vierhundert Meter über Null anzeigte, als er vor ihnen eine dunkle Linie erkennen konnte, die sich – ausgehend vom Tafelberg - von Ost nach West zog. Das musste die Verwerfung sein, die sie auf dem Radarschirm gesehen hatten. Von dieser Seite schob sich der Dschungel bis fast an den Gipfel heran.

Cosco verringerte ihre Geschwindigkeit und schaute angestrengt nach vorn. „Wie wäre es dort hinten?“ Er deutete nach schräg rechts vorn, wo Mavis in einiger Entfernung eine Lichtung ausmachen konnte. „Das scheint mir doch gut auszusehen!?“ Er sah den Commander fragend an, doch der nickte nur. Cosco lenkte das Schiff in die entsprechende Richtung und sagte dann mit einem überzeugten Nicken. „Ja, das passt! Soll ich landen?“ Wieder blickte er Mavis an.

Der konnte dem Captain nur zustimmen. Die Lichtung war groß genug für eine Landung. Im hinteren Drittel war ein Flusslauf zu erkennen, dahinter gab es einen ziemlich großen und vor allem hohen Felsvorsprung, der als Versteck für das Flugboot geradezu wie gemacht zu sein schien. „Perfekt!“ erwiderte Mavis daher nur und klopfte dem Captain auf die Schulter. „Bringen sie den Vogel in sein Nest! Und dann kommen sie bitte in den Laderaum zu einer kurzen Lagebesprechung!“

Eine Minute später setzte die Kitaja sanft auf den weichen Urwaldboden. Cosco hatte sich dazu entschlossen, das Schiff mit der rechten Seite soweit es nur irgend ging unter den Felsen zu manövrieren. Bis über die Hälfte der Hülle war so unter dem natürlichen Versteck verschwunden und von oben nicht mehr zu sehen. Den Rest mussten sie unter Buschwerk tarnen, doch davon gab es hier ja reichlich. Cosco war sicher, dass sie das Schiff so sehr gut verstecken konnten und im Notfall – von dem er ebenfalls sicher war, dass er eintreten würde – auch sehr schnell wieder würden starten können.

Als er die Triebwerke ausschaltete, war er einigermaßen zufrieden und machte sich zusammen mit dem Pater auf den Weg in den Laderaum.

Dort herrschte, wie er auch nicht anders erwartet hatte, bereits große Geschäftigkeit. Captain Tibak und seine Männer schulterten Rucksäcke und Waffen.

Cosco sah Mavis und ihm fiel sofort sein finsteres Gesicht auf. Als er nähertrat, sah er einen Kommunikator in seinen Händen.

„Haben sie versucht, Commander Vilo zu erreichen?“ fragte Mavis mit besorgter Miene.

Matu schüttelte den Kopf. „Nein, bisher noch nicht!“

„Ich bekomme keine Verbindung, verdammt!“ fügte Mavis hinzu.

„Möglicherweise stört der Dschungel das Signal?“ erwiderte Matu. „Ich werde mich darum kümmern!“

Doch Mavis schüttelte den Kopf. „Dazu werden sie keine Zeit haben!“ Er schaute den Priester direkt an. „Sie kommen mit uns!“

Was immer Mavis jetzt auch als Reaktion erwartet hatte, bekam er im Gesicht des Priesters jedoch nicht zu sehen. Matus Blick war geradeheraus, sehr ernst, ja fast ein wenig beleidigt – und sehr entschlossen. „Selbstverständlich werde ich mitkommen!“ sagte er mit klarer Stimme. „Und mich um die Verbindung zu Commander Vilo kümmern!“

Mavis war für eine Sekunde sprachlos, dann meinte er mit ernster Miene. „Okay!“

Matu streckte seine rechte Hand aus und Mavis reichte ihm den Kommunikator. Als er ihn ergriffen hatte, nickte er mit einem Brummen, wandte sich ab und ging zu Tibaks Leuten.

Mavis schaute ihm einen Moment hinterher, dann wandte er sich an Cosco. „Captain?“

„Ich habe das Schiff so weit, als möglich unter den Felsvorsprung manövriert, aber es ist zu groß, um vollkommen darunter zu verschwinden. Wir sollten es noch zusätzlich tarnen, bevor wir loslegen!“

Mavis nickte. „Ich werde ihnen Dek hierlassen!“

„Was...?“ Cosco runzelte die Stirn. „...soll das heißen?“

Jetzt war Mavis etwas überrascht. „Dek kann ihnen bei der Tarnung helfen. Und er kann als Copilot fungieren!“

„Aber...?“ Cosco war beinahe entsetzt. „Ich soll hierbleiben?“

„Natürlich! Was denn sonst?“ Jetzt verstand Mavis. „Wir müssen eine Verbindung zu Commander Vilo herstellen und wir brauchen das Schiff auf Standby. Vielleicht benötigt er schnelle Hilfe und auch bei uns stehen die Chancen sehr gut, dass alles schieflaufen wird!“ Er schüttelte den Kopf. „Das Schiff muss schnell einsatzbereit sein. Sie müssen hierbleiben und dafür sorgen!“

Cosco schaute den Commander zunächst an, als würde er an seinem Verstand zweifeln, doch dann akzeptierte er Mavis Entscheidung mit einem knappen Nicken. „Zu Befehl Commander!“

Mavis erkannte, dass Cosco nicht zufrieden mit seiner Aufgabe war, doch kommentierte er das nicht weiter, sondern wandte sich an die anderen Männer.

„Fertig?“ fragte er Captain Tibak, der ihm zunickte. „Okay!“ Mavis schaute in die Runde. Plötzlich stutzte er. „Wo ist der Pater?“

„Hier!“ hörte er sofort Matus Stimme. Mavis drehte sich herum und sah ihn aus einem der Nebenräume kommen. Neben einem Rucksack, den er auf dem Rücken trug, hatte er seine lederne Tasche umgehängt und festgeschnallt. Mavis wusste, dass er dort Unterlagen für ihre Mission bei sich trug. Matu trat neben Dek, der ihm ein Gewehr in die Hand drückte, welches der Pater entgegennahm, als wäre es das Natürlichste von der Welt.

Mavis wurde sich plötzlich wieder bewusst, dass er zwar einen Geistlichen vor sich hatte, der aber eine durchaus beeindruckende militärische Vergangenheit besaß. Auf der einen Art beruhigte ihn das, weil er wusste, dass auf Matu auch in Extremsituationen Verlass war, allerdings erinnerte es ihn auch daran, dass er eigentlich schon längst vorgehabt hatte, ihm auf den Zahn zu fühlen und seine bisher eher vage gemachten Aussagen über seinen Militärdienst zu hinterfragen. Als Matu ihn ansah, lächelte er kurz, doch Mavis nickte ihm nur zu. „Also dann! Cosco und Dek bleiben hier, tarnen das Schiff, halten Verbindung zu uns und Commander Vilo und machen sich ansonsten für einen Alarmstart bereit!“ Er schaute zu Cosco, der nickte und schon wieder ganz friedlich aussah. „Der Rest kommt mit mir!“ Er blickte in die Runde. Alle schauten ihn direkt an, doch keiner sagte etwas. Daraufhin gab er Captain Tibak ein Zeichen. „Abmarsch!“

Dek öffnete die hintere Ladeluke und der Trupp verließ im Laufschritt das Schiff.

Bevor Mavis den Männern folgte, trat er nochmals zu Cosco und sagte. „Tarnen sie die alte Lady nicht zu gut. Am Ende finden wir euch sonst nicht wieder!“ Er zwinkerte ihm zu, grinste kurz, dann wandte er sich um und rannte die Luke hinab.

Cosco schaute ihnen noch hinterher, bis sie in dem dichten Dschungel verschwunden waren. Dann atmete er tief durch und gab Dek das Zeichen, die Luke wieder zu schließen. Er wäre sehr gern mit ihnen gegangen, doch beneidete er sie nicht um ihre Mission, die absolut gute Chancen hatte, wieder ein wahrer Höllenjob zu werden.

Genesis V

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