Читать книгу Genesis V - Alfred Broi - Страница 14
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ОглавлениеEs war still innerhalb der Gruppe geworden. Obwohl sie alle sehr schnell erkennen konnten, dass Chalek tatsächlich eine Art Weg durch das Gesteinsfeld den Berg hinaufgefunden hatte, war der Aufstieg noch immer eine sehr schwierige und äußerst anstrengende Angelegenheit, der ihr aller Kraft und Aufmerksamkeit forderte, wollten sie nicht riskieren, sich an den scharfen Felskanten zu verletzten oder sich sogar der Gefahr eines Absturzes auszusetzen.
Somit blieben sie stumm und konzentrierten sich vollkommen auf ihren Weg nach oben.
Eine Stunde später hatten sie den Gipfel der Anhöhe fast erreicht. Lediglich eine kurze Kletterpartie an einer fünf Meter hohen, senkrechten Felswand stand ihnen noch bevor, doch konnte Melia einige Vorsprünge und Vertiefungen erkennen, die ihnen hilfreich sein würden.
Die kleine Gruppe sammelte sich unterhalb der Wand und verschnaufte ein letztes Mal. Alle tranken Wasser und atmeten tief durch. Die Anstrengungen der letzten Stunden waren ihnen überdeutlich anzusehen. Das nahe Ziel aber gab ihnen auch Kraft.
Nur noch da hinauf, dann ist es geschafft, gab Chalek Melia zu verstehen, die daraufhin nickte.
„Was sagt er?“ wollte Nimas wissen. Auch er war die ganze Zeit über stumm geblieben, doch der Tonfall seiner Worte war abweisend.
„Wir sind fast am Ziel!“ gab Melia zurück und deutete die Wand hinauf.
„Na hoffentlich!“ erwiderte Nimas und warf zunächst Melia, dann Chalek und schließlich Kalipos einen kurzen, finsteren Blick zu.
Kalipos Augen verengten sich für eine kurze Sekunde, dass Melia nicht sicher war, was der Anführer tun würde, doch dann lächelte er. „Dann los! Wir machen eine richtige Pause, wenn wir oben sind!“ Er nickte Chalek zu und der Junge begann mit einem Lächeln den letzten Aufstieg.
*
„Und das habt ihr euch wirklich ganz allein und ohne fremde Hilfe ausgedacht?“ fragte Kaleena und schaute Vilo und Mavis mit großen Augen an.
Neben ihr waren noch Pater Matu, Captain Cosco und Captain Tibak anwesend.
„Ähm...!“ Vilo wusste nicht recht, was er sagen sollte. „Ja!?“ meinte er vorsichtig.
Kaleena schaute ihn zunächst ausdruckslos, dann mit verzogenen Mundwinkeln an, bevor sie schließlich zufrieden nickte. „Guter Plan!“ Sie grinste die beiden Männer kurz breit an.
„Also machen wir das jetzt so!?“ warf Mavis in den Raum.
„Viel Auswahl haben wir ja auch nicht!“ meinte Captain Cosco.
Tibak lachte leise auf. „Und viel Hoffnung wohl auch nicht!“
„Umso wichtiger...!“ erwiderte Vilo mit ernster Miene. „...das Wenige zu nutzen, das uns hilfreich sein kann!“
Für einen Moment herrschte Stille.
„Also nochmal: Ja oder nein?“ Mavis Stimme klang etwas gereizt, doch jetzt nickten alle zustimmend.
Damit war er zufrieden und wandte sich an Vilo. „Okay, Auftauchen!“
*
Chalek hatte wenig Mühe, die fünf Meter hohe Wand zu erklimmen und auch Melia spürte angesichts des nahen Ziels einen Kraftschub, der sie motivierte. Sie erreichte den Gipfel wenige Augenblicke nach dem Jungen, der ihr helfend seine Hand entgegenstreckte.
Während Nimas hinter ihr Probleme hatte, den richtigen Halt für den Aufstieg zu finden, konnte sie schon durchatmen und sich umschauen.
Der Ausblick von ihrem Standort war ziemlich beeindruckend, wenn auch wenig berauschend. Sie befanden sich jetzt genau auf der Felsenkante des Hochplateaus und das Gelände fiel direkt vor ihnen ebenso steil wieder ab, wie es die letzte Stunde bergauf gegangen war, nur um ein Vielfaches tiefer. Melia schien es, als hätte hier irgendwann einmal ein Riese mit seiner Faust mehrmals auf die Kante des Hochplateaus und die Seite des Tafelberges gehauen, denn auch zur anderen Seite erstreckte sich ein Geröllfeld aus Gesteinsbrocken. Doch im Gegensatz zu der Seite, die sie gerade erklommen hatten, mit ihren rund sechzig Metern Höhe, fiel das Feld auf dieser Seite gut eintausend Meter steil ab. Melia schwindelte ein wenig bei diesem Anblick und bevor sie echte Probleme bekam, ließ sie ihren Blick weiter südwestlich schweifen, wo sie über ausgedehnten Urwald blicken konnte, der jedoch von einer weitläufigen Dunst- und Nebelwand überdeckt wurde. Soweit sie erkennen konnte, war er noch immer sehr dicht, doch von seinen einst so vielfältigen, satten Farben war kaum mehr als ein schmutziges dunkelgrau und ein ungesundes, blasses grün geblieben. Der Urwald erstreckte sich auch nach Süden und Südosten, wo sie in einem klaren Bereich gerade noch die Küstenlinie zum galpagischen Ozean ausmachen konnte.
Einen Augenblick später erreichte Nimas den Gipfel und erhob sich schwer stöhnend neben ihr auf die Füße. Kalipos folgte ihm dichtauf und Melia konnte erkennen, dass er ihn wohl geschoben hatte. Der Anführer atmete schwer und seine Stirn war schweißbedeckt.
„Mann, wie ein Sack Kartoffeln!“ raunte er Nimas zu.
Der aber wehrte nur mit einer laschen Geste ab.
„Aber das war ja zu erwarten!“ fügte Kalipos hinzu. „Große Fresse, nichts dahinter!“ Er starrte Nimas herausfordernd und böse funkelnd an.
„Hört auf, Jungs!“ fuhr Melia jedoch sanft dazwischen, bevor die beiden Männer wieder aneinandergeraten konnten. „Und genießt die Aussicht!“
*
Vilo behielt so lange als möglich ihre Geschwindigkeit von sechshundert Meilen in der Stunde bei. Erst als die Tiefe weniger als einhundert Meter betrug, drosselte er die Triebwerke auf knapp unter zweihundert Meilen.
In einem sanften Steigungswinkel von acht Grad hielt er auf das tibunische Festland zu.
Das Radar hatte einen schmalen, flachen Küstenstreifen gezeigt, dahinter nichts als dichten Dschungel. Alles in Allem also recht gute Voraussetzungen zum Auftauchen.
Einen Augenblick später schoss das Flugboot durch die Wasseroberfläche etwa sechzig Meter vom Ufer entfernt. Vilo senkte sofort die Flughöhe auf wenige Meter über Null. Die relativ niedrige Geschwindigkeit behielt er bei. Feindliche Kontakte in unmittelbarer Nähe waren nicht zu erkennen, doch war nicht auszuschließen, dass sich unterhalb des dichten Blätterdachs jemand herumtrieb. Mit zu hoher Geschwindigkeit hätten sie hier in einem zu großen Umkreis zu viel Lärm gemacht. Bei zweihundert Meilen verursachten die Triebwerke kaum mehr als ein leises Röcheln. Dazu senkte Vilo ihre Flughöhe nochmals, als sie den Dschungel erreicht hatten. Die gewaltige Nebelbank, die über ihm lag, kam ihm dabei sehr zu pass. Leise wie ein Gespenst bewegte sich die Kitaja weniger als einen Meter über dem Dach des Dschungels in Richtung Westen.
*
„Das ist es?“ fragte Nimas, nachdem er verschnauft und einen tiefen Schluck Wasser genommen hatte. Sein Blick war in die Tiefe gerichtet, sein Tonfall klang wenig erfreut.
Chalek gab Melia sofort zu verstehen: Ja, das ist unser Weg nach draußen!
Melia nickte Nimas nur zu.
„Gott bewahre!“ stieß er verächtlich hervor. „Dann hatte ich ja doch Recht. Das alles war nur eine beschissene Zeitverschwendung!“ Er funkelte den Jungen böse an.
„Was?“ Melia war bestürzt. „Wieso?“
„Wieso?“ Nimas schaute ihr direkt in die Augen. „Schau nach unten. Dann weißt du, wieso!“
Melia tat es, doch schien sie nicht zu verstehen. „Aber...?“
„Wie sollen wir da jemals runterkommen?“ rief Nimas erbost. Er schaute Kalipos an, doch der Anführer war überraschend ruhig. Nimas erkannte, dass er die gleichen Zweifel hegte. „Ohne uns den verdammten Hals zu brechen?“ Er starrte wieder Melia an. „Das ist Selbstmord!“
Bevor Melia aber weiter verzweifeln konnte, trat Chalek vehement vor sie und schüttelte den Kopf. Ich habe einen Weg hinuntergefunden! erklärte er.
Melia nickte. „Wo?“
Da! Er trat einen Schritt auf die Felsenkante direkt vor ihnen zu und deutete nach unten. Melia tat es ihm gleich. Im ersten Moment blieb ihr beim Anblick in die Tiefe beinahe die Spucke weg, sie spürte, dass sie schwindelig wurde, doch gleichzeitig erkannte sie dort tatsächlich eine Art schmalen Weg den Berg hinab. Chalek, der spürte, dass sie schwächelte, ergriff ihren Arm und zog sie zurück, wo er sie mit großen Augen anstarrte. Sie nickte ihm mit einem Lächeln zu. „Es gibt einen Weg hinab!“ sagte sie nicht ohne Stolz.
„Was?“ fragte Nimas wenig überzeugt. „Wo?“
„Da!“ Melia deutete darauf, doch als Nimas keine Anstalten machte, zu ihr zu kommen, sagte sie. „Nun komm schon, damit du siehst, dass du Unrecht hast!“
Nimas schaute sie ein wenig entgeistert an. In seinem Blick war deutlich angst zu sehen. Melia aber blieb standhaft und schien sogar ein wenig amüsiert. Auch in Chaleks und Kalipos Augen sah er Schadenfreude und da wusste er, dass er nicht zurückziehen konnte. Also trat er langsam und bedächtig bis an den Rand der Klippe. Sein Atem ging schneller, er begann wieder zu schwitzen. Um die Sache schnell hinter sich zu bringen, drückte er seinen Oberkörper ein paar Zentimeter nach vorn, bevor er ihn mit einem kleinen Aufschrei sofort wieder ruckartig zurückzog.
„Das war zu wenig!“ beharrte Melia jedoch. „Du hast doch noch gar nichts gesehen!“
Nimas wollte protestieren, doch da war Melia bereits neben ihn getreten, hatte ihn am Arm gepackt und drückte ihn mit einem breiten Grinsen soweit über die Klippe, dass er ganz sicher nach unten schauen konnte.
Plötzlich aber ging alles ganz schnell.
Nimas schrie spitz auf, seine Beine wurden wackelig, seine Füße rutschten nach vorn weg, er verlor den Halt und stürzte in die Tiefe. Dabei krampfte er seine Hände in Melias Arme. Die wiederum war für einen Moment unachtsam, konnte dem nicht entgegenwirken und wurde mitgerissen. Chalek und Kalipos rissen zwar noch ihre Arme in ihre Richtung, doch war es bereits zu spät.
Mit lautem Geschrei stürzten sie hinab.
Kaum eine Sekunde später verstummten sie auch schon wieder abrupt.
Nimas landete mit den Füßen voraus, aber höchst ungeschickt vier Meter tief in einer großen Felsnische, knickte seitlich weg und schlug mit dem Kopf so hart auf den Stein, dass er ohnmächtig wurde.
Melias Körper drehte sich im Flug um ihre Längsachse. Auch sie kam auf ihre Füße, doch drückte sie der Sturz sofort nach hinten weg, wo sie der Länge nach sehr hart mit dem Rücken gegen den Felsen krachte. Schlagartig leerten sich ihre Lungen und ihr wurde schwarz vor Augen. Mit einem erstickten Aufschrei fiel sie vornüber, krachte auf ihre Knie und schlug dann vollends zu Boden.
Die aufgeregten Rufe von Kalipos und dem Jungen hörte sie schon nicht mehr.
*
Der Flug nach Westen dauerte gute zwei Minuten. Während Mavis das Radargerät quasi nicht mehr aus den Augen ließ und Vilos Konzentration vollkommen auf den Tiefflug gerichtet war, konnten sich die anderen ungestört umschauen.
Zunächst aber waren die Nebelschwaden sehr präsent und nicht mehr als der dichte Urwald direkt unter ihnen zu sehen, der nur dann und wann von einigen, wenigen Flussläufen oder kleineren Seen unterbrochen wurde. Als aber der Tafelberg auf der rechten Seite immer näherkam, löste sich der Nebel stellenweise großflächig auf und gab den Blick auf ihn frei. Schnell stand er im Mittelpunkt der Betrachtungen. Dunkel und drohend erhob sich die sehr steile Felswand bis auf tausendvierhundert Meter in die Höhe.
Schließlich kamen sie der südwestlichen Ecke des Berges näher und Vilo lenkte langsam nach Norden.
Kaleena war neben Mavis direkt an die rechte Seite des Cockpits gegangen und hatte ihre Augen fest auf die Gipfellinie des Tafelberges gerichtet, die schroff und gezackt dahinglitt. Mit einem Male aber wurde ihr Blick von einer Art Geröllfeld angezogen, das schon eine Meile bevor sie es erreicht hatten, zu sehen war. Fast schien es, als hätte ein wütender Riese den Berg bearbeitet und gewaltige Gesteinsmassen zertrümmert und ins Rutschen gebracht. Kaleena war fasziniert von diesem Anblick, als ihr plötzlich Bewegung direkt auf der Gipfelspitze auffiel. Zunächst hielt sie es für Einbildung, verstärkt durch den stetigen Wechsel zwischen freiem Blick und wabernden Nebelschwaden, doch dann war sie sicher, dass es mehrere Personen waren, die sich dort oben befanden – und ziemlich hektisch agierten. „Mavis?“ sagte sie sogleich.
„Ja?“ fragte ihr Freund, ohne aufzublicken.
„Schau mal!“ Sie wartete, bis er den Kopf hob und deutete dann auf die entsprechende Stelle, der sie sich schnell näherten.
„Was soll da sein?“ fragte Mavis aber schon nach einem Moment.
„Da! Ganz oben auf dem Geröllfeld. Da ist Bewegung!“
Mavis kräuselte die Stirn und schaute genauer hin. „Tatsächlich!“
„Sind das Menschen?“ fragte Kaleena sofort. „Das sind Menschen, oder?“
„Ja!“ erwiderte Mavis einen Moment später. „Das sind Menschen!“ Er wandte sich an Vilo. „Flieg das mal an!“
„Was?“ Vilo schien entsetzt.
„Nun mach schon!“ sagte Mavis fordernd.
Da kein Einwand der anderen kam, sondern Vilo im Gegenteil sehen konnte, dass auch Matu, Cosco und Tibak neugierig waren, zog er das Ruder an sich und die Kitaja gewann schnell an Höhe.
Wenige Augenblicke später hatten sie den Gipfel des Geröllfeldes erreicht. Vilo hielt das Flugboot direkt davor im Schwebflug.
Unschwer waren Kalipos und Chalek zu erkennen, die sich gerade aus kniender Position erhoben und ziemlich überrascht dreinblickten. Melia und Nimas konnten sie aus ihrer Position heraus jedoch nicht sehen, da sie durch die Felsen um die Nische herum verdeckt wurden.
Kaleena sah sich veranlasst, den beiden Männern zuzulächeln und winkte ihnen zu.
Der Ältere der beiden blieb ernst, der Jüngere aber lächelte vorsichtig zurück und winkte ebenfalls. Doch nur einen Moment lang, dann trafen sich zufällig und nur für einen Sekundenbruchteil die Blicke des Jungen und Mavis, doch reichte es aus, dass Chaleks Lächeln schwächer wurde und sein Winken erstarb.
„Los, wieder runter!“ befahl Mavis, während er nochmals zu dem Jungen blickte. Irgendetwas schien ihn verstört zu haben, doch Mavis wusste nicht recht, was. Im nächsten Moment hatte Vilo das Ruder nach links gedrückt, das Schiff legte sich auf die Seite und sank langsam wieder dem Dschungel entgegen.
„Was?“ rief Kaleena. „Aber wieso?“
„Wir können nicht bleiben!“ erwiderte Mavis.
„Aber!“ Kaleena war sichtlich irritiert. „Wir hätten sie aufnehmen können. Vielleicht brauchen sie Hilfe. Sie könnten auf der Flucht sein!“
Mavis sah seine Freundin direkt an. „Ja...!“ Er nickte. „...alles möglich. Aber vielleicht auch nicht. Und dann hätten wir mit unserem Vogel hier nur unnötig Aufmerksamkeit erregt. Und das wäre nicht gut – für beide Seiten!“
„Aber...!“ Kaleena war noch immer nicht zufriedengestellt. „Das verstehe ich nicht. Sie könnten uns doch vielleicht auch behilflich sein!“
„Wobei?“ Jetzt verstand Mavis nicht.
„Vielleicht kennen sie sich hier aus. Sicher aber doch besser, als wir!“
„Ähm!“ Mavis war sichtlich irritiert und blickte die anderen unsicher an. In ihren Gesichtern sah er, dass sie Kaleena Recht gaben.
„Sie hat Recht!“ sagte dann auch Cosco.
„Ja!“ erwiderte Mavis etwas säuerlich. „Aber trotzdem: Wir dürfen keine Aufmerksamkeit erregen. Schließlich können wir nicht gleich wieder von hier abhauen. Wir müssen den Kristall erst suchen, dann finden und so weiter!“
„Da hat er auch Recht!“ bestätigte Vilo mit einem Nicken, während er das Schiff weiter mit geringer Geschwindigkeit in die Tiefe bewegte.
„Na prima!“ presste Captain Tibak genervt hervor, als niemand etwas darauf zu erwidern hatte, was zu einer Lösung des Problems führen konnte. „Das fängt ja gut an!“