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Christentum, Handel und Imperialismus zwischen Südarabien und Nil: Das Reich von Aksum
ОглавлениеMit dem Beginn unserer christlichen Zeitrechnung ist auch für das Horn von Afrika eine neue Epoche verbunden. Schriftliche Quellen werden häufiger, Münzen erscheinen und der Raum findet Anschluss an die internationalen Beziehungen dieser Zeit, nimmt Teil an globalen Entwicklungen. Der Aufstieg des Reiches von Aksum11 beginnt.
Der ›Periplus des eritreischen Meeres‹,12 ein Handbuch über das Rote Meer und den Indischen Ozean, dessen Verfasser unbekannt ist, das aber neben nautischen auch vielfältige ökonomische und historische Informationen enthält, entsteht in der Mitte des 1. Jahrhunderts AD und ist nur in einem Manuskript aus dem 10. Jahrhundert (Heidelberg) überliefert. In diesem Werk wird Aksum erstmals genannt. Auch in der Geographie des Ptolemäus (2. Jahrhundert) erscheint Aksum bereits. Aksum, südlich des Mereb-Flusses (heute Grenze zwischen Äthiopien und Eritrea) und südwestlich von Yeha, dem Zentrum von Da’amat gelegen, ist die Metropole, Ausgangs- und Mittelpunkt des Reiches, dem sie ihren Namen gab. Das erste Jahrtausend christlicher Zeitrechnung ist am Horn von Afrika eindeutig das aksumitische Jahrtausend. Aksum, seine Geschichte und sein kulturelles Profil haben dem Raum seine besondere Prägung und seine spezifische Orientierung auch für die darauffolgenden Jahrhunderte gegeben. Damals werden Weichen gestellt, nehmen Entwicklungen ihren Anfang, die für den gesamten ›orbis aethiopicus‹ nachhaltige Wirkungen entfalten. Noch heute sichtbare Symbole damaliger imperialer Größe sind Obelisken,13 darunter der größte der Welt mit 30 Metern Länge. Obelisken und Stelen gab es am Horn von Afrika schon lange vor Aksum, aber die aksumitischen Obelisken symbolisieren in besonderem Masse – etwa im heute noch eindrucksvollen Stelenpark von Aksum – den Großmachtanspruch. Es handelt sich dabei um Grabsteine, die uns in verschiedenen Grössen überall in der Region, z. B. in Matara in Eritrea, begegnen. Seit der Christianisierung jedoch spielen die Stelen keine Rolle mehr. Auch Paläste und Tempel weisen noch heute auf die einstige Bedeutung Aksums hin.
Einige steinerne Monumente helfen uns durch Inschriften, die Geschichte von Aksum nachzuvollziehen (Monumentum Adulitanum, Ezana-Steine – siehe unten). Wichtig sind auch die in Aksum geprägten Münzen,14 goldene, silberne und bronzene. Sie erlauben uns, eine Reihe von Königen vom 3. bis zum 7. Jahrhundert zu identifizieren. Nur zwei Könige und ihre Zeit sowie ihr historisches Umfeld kennen wir näher, da sie auch in anderen Quellen erwähnt werden: Ezana (4. Jahrhundert) und Kaleb (6. Jahrhundert). Bemerkenswert ist, dass die Münzen
Abb. 3: Stelen-Park von Aksum.
mehrsprachige Aufschriften trugen: Ge’ez, das Altäthiopische, und Griechisch; damit verdeutlichen sie den starken griechischen Kultureinfluss im Land.
In der aksumitischen Periode kommt erstmals die eigentliche Landessprache, Ge’ez,15 zum Tragen. Es handelt sich um eine eigenständige äthio-semitische Sprache,16 die zusammen mit Tigre und Tigrinya zur nordäthiopischen Gruppe gehört (im Gegensatz zur südäthiopischen, zu der u. a. – das später entstandene – Amharisch oder das im Osten des heutigen Staates Äthiopien verwendete Harari gehören). Der Aufstieg des Ge’ez ist mit dem Aufblühen des aksumitischen Reiches verbunden.
Jetzt erst erscheinen Ge’ez-Inschriften; alle früheren Inschriften,17 also auch die mit Bezug zu Da’amat, waren in sabäischer (altsüdarabischer) Sprache abgefasst. Die ältesten Ge’ez-Inschriften sind noch unvokalisiert, d. h., sie geben, wie es für semitische Sprachen18 und Schriften charakteristisch ist, nur die Konsonantenstruktur wieder.
Besonders charakteristisch für das Reich Aksum ist, dass es bald internationale Dimensionen gewinnt, eine aktive Außenpolitik führt und expandiert, aber auch Einflüsse von außen aufnimmt und assimiliert. Der Hafen von Adulis und das Rote Meer gewinnen an Bedeutung, Aksum wird Teil interkontinentaler Beziehungsgeflechte, findet Anschluss an die Weltgeschichte. Es ist die Rivalität um den Fernhandel, die dabei im Vordergrund steht. Das Römische Reich (später Byzanz) und Aksum sind daran interessiert, dass der Indien-Handel durch das Bab al-Mandeb, die Meerenge zwischen Rotem Meer und Indischem Ozean, und das Rote Meer verläuft und auf einer römisch-aksumitisch kontrollierten Route Ägypten und das Mittelmeer erreicht. Die Römer errichten deshalb, wohl im 2. Jahrhundert, einen militärischen Außenposten auf den Farasan-Inseln (nordöstlich von Massawa und den Dahlak-Inseln vor der Küste Arabiens bei Dschisan). Das Perserreich will diese Handelsströme ebenfalls kontrollieren und sie durch die Straße von Hormuz und den Persischen Golf leiten.
Aber auch die Waren Afrikas kommen über Aksum und Adulis auf die Weltmärkte, wie schon seit Jahrtausenden aus dem Land Punt.
Die Waren, die Aksum exportiert und die teilweise aus dem Inneren Afrikas kommen, sind Elfenbein, Sklaven und Gold, Nashörner, Nilpferdhäute, Schildkrötpanzer und Obsidian. Aber auch andere Häfen wie Malao (das heutige Berbera) und Opone (Ras Hafun), südlich von Kap Guardafui, an der Somaliküste sind als Sklavenhandelsplätze bekannt.
Eingeführt wurden Kleidung und gefertigte Güter wie Äxte, Speere und Schwerter, aber auch Schmuck, Trinkgefäße und Glaswaren aus Indien, Ägypten und dem Mittelmeerraum. Römische, ägyptische und später byzantinische Kaufleute kamen nach Adulis, um hier Waren aus Indien zu kaufen. Im Rhythmus der Monsunwinde, die deshalb bezeichnenderweise auch ›Handelswinde‹ genannt werden, segeln Schiffe von Adulis nach Indien19 und Ceylon und zurück. Indische Quellen erwähnen Perlen und Korallen aus dem Roten Meer. Zimt gelangt auf diesem Weg von Asien nach Ägypten und in den Mittelmeerraum. Die weitläufige Ausdehnung dieses Handels ist belegt durch Funde aksumitischer Münzen in Südarabien, Palästina und Indien, während indische Münzen am Horn von Afrika gefunden werden.20
Auf der vorgelagerten Insel Sokotra finden sich frühe Inschriften in verschiedenen Sprachen, u. a. auch von indischen Seefahrern. Adulis, das zur Zeit Christi Geburt noch weitgehend selbständig war, wird vollständig ins aksumitische System eingegliedert und eine der wichtigsten Städte des Reiches. Griechen und griechischsprachige Ägypter kommen zusehends ins Land, zunächst vor allem als Kaufleute. Sie bleiben nicht im Hafen Adulis oder in anderen Handelsstädten im Küstenbereich wie Qohaito, ein wichtiger Elfenbeinmarkt an der Straße zwischen Adulis und Aksum, oder Matara, eine blühende (eritreische) Stadt schon seit voraksumitischer Zeit, sondern gelangen bis Axum. Griechisch, lingua franca nun auch im Roten Meer, wird zur ›Bildungssprache‹ im Aksumitischen Reich. Griechische Inschriften charakterisieren die aksumitische Periode ebenso wie griechische Texte auf aksumitischen Münzen – z. B. ›Basileus Axomiton‹ (König von Aksum) – die sich hier neben Ge’ez-Texten finden. Zoskales wird im ›Periplus‹ als Herrscher von Aksum und der Küste im ersten christlichen Jahrhundert genannt, der über gute griechische Bildung verfügt habe.21
Es dürfte diesem lebhaften Handel zu verdanken sein, dass auch das Christentum schon früh in die Welt von Adulis und Aksum gelangte.
Eine entscheidende Epoche in der aksumitischen Geschichte war dabei die Regierungszeit von König Ezana22 in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts. In Ezanas Herrschaft fällt die Christianisierung von Aksum.23 Ein gewisser Frumentius24 († 383) aus Tyros, den wir vor allem aus der Kirchengeschichte des Rufus von Aquilea aus dem 5. Jahrhundert kennen, soll an der eritreischen Küste Schiffbruch erlitten haben und zusammen mit seinem Bruder nach Aksum an den königlichen Hof gebracht worden sein. König Ella Amida, Vater von Ezana, überträgt ihm Funktionen bei Hof und macht ihn schließlich zum Erzieher des Prinzen Ezana. Offenbar kann Frumentius beträchtlichen Einfluss nicht nur auf den Prinzen in seiner Jugend, sondern auch auf den späteren König Ezana gewinnen, denn dieser tritt zum Christentum über. Aksum25 wird zu einem der ersten christlichen Länder der Welt. In Aksum empfand man die Notwendigkeit, an die bereits christianisierte Welt angeschlossen zu werden und ein Kirchenoberhaupt zu erhalten, das von einer schon bestehenden kirchlichen Autorität bestellt und ermächtigt sein würde. Frumentius reiste nach Alexandria, an den Sitz des koptischen Patriarchen, informierte diesen, Athanasius I., über den Aufstieg des Christentums in Aksum und bat ihn um Entsendung eines Bischofs. Athanasius weiht Frumentius selbst zum Bischof und sendet ihn zurück nach Aksum, um dort im Namen der koptischen Kirche und mit kirchlichem Segen als Oberhaupt der neu enstehenden Kirche von Aksum zu fungieren. Damit war ein Präzedenzfall gesetzt, der eine 1600-jährige Praxis begründete. Von nun an wurde jedes neue Oberhaupt der aksumitischen, später äthiopischen, Kirche vom Patriarchen von Alexandria ernannt und aus Ägypten entsandt.26 Dennoch war die Kirche von Aksum und später die äthiopische Kirche nicht wirklich Teil der koptischen Kirche, sondern agierte weitgehend autonom. Das aus Ägypten entsandte Kirchenoberhaupt hatte weitgehend rituelle und zeremonielle Aufgaben und war kaum in die eigentliche ›Kirchenpolitik‹ involviert.
Abuna Selama Kesate Berhan, wie Frumentius in Aksum genannt wurde, wird als erster Bischof und Begründer der Kirche am Horn von Afrika bis heute als Heiliger verehrt (und gilt auch in der orthodoxen sowie in der katholischen Kirche als Heiliger).
Auffallend ist, wie sich der Übergang zum Christentum in Aksum in der Münzprägung ausdrückt. Die älteren Münzen aus der frühen Regierungszeit Ezanas sind noch in der traditionellen Weise (altsüdarabische Symbolik) gestaltet, während auf späteren Münzen das Kreuz erscheint – die Konversion zum Christentum erfolgte wohl um 340 AD. Christianisiert wurde Aksum ›von oben‹ – der König war der wichtigste Katalysator für die Verbreitung des Christentums. Ganz im Gegensatz zu Ägypten, wo sich das Christentum zunächst vor allem im einfachen Volk verbreitet hatte, weshalb es zu einer Blüte koptischer Sprache und Kultur gekommen war (die Konvertiten hatten keine ausreichenden Griechischkenntnisse, die vor allem in gehobenen Gesellschaftsschichten verbreitet waren).
Schon bald finden sich Spuren für eine weitere Verbreitung des Christentums am Horn von Afrika – Kreuze nicht nur auf Münzen, sondern auch auf Gebrauchsgegenständen und Gebäuden. In diese Jahre fällt auch eine weitere Neuerung in der Kultur von Aksum, die ebenfalls bis heute Auswirkungen hat: Die vom Südarabischen abgeleitete Schrift, in der Ge’ez, das klassische (Alt-)Äthiopische, geschrieben wurde, war zunächst eine reine Konsonantenschrift, weshalb wir nicht genau wissen, wie frühe Texte zu lesen sind. Denn wir haben nur ein unvokalisiertes Konsonantengerüst wie auch im heutigen Hebräischen oder Arabischen (wobei es für diese Sprachen aber Vokalzeichen gibt, durch die wir also über die Vokalisierung genau Bescheid wissen). Erst im 4. Jahrhundert, um die Zeit der Christianisierung (wohl kurz davor), erscheint Ge’ez in vokalisierter Form – vielleicht unter indischem Einfluss.27 Eine Art Silbenschrift entsteht, die später auch für andere semitische Sprachen am Horn von Afrika – z. B. Amharisch und Tigrinya – verwendet wird und bis heute die am weitesten verbreitete Schrift in diesem Raum ist. Die Nationalsprachen von Äthiopien und Eritrea werden heute noch immer in dieser Schrift geschrieben, der einzigen existierenden semitischen Silbenschrift.
Aksum ist im 4. Jahrhundert längst zur Großacht geworden. Mani, der Stifter der nach ihm benannten Religion des Manichäismus, führt Aksum bereits im 3. Jahrhundert als eine der führenden Mächte auf.28 Der Staat ist weit über seine Keimzelle, die Stadt Aksum in Tigray, hinausgewachsen, hat seinen Zugang zum Meer ausgebaut und expandiert sowohl über das Rote Meer nach Südarabien als auch ins Innere Afrikas. Er ist dabei, ein wichtiger Partner und Alliierter für Rom zunächst und dann für Byzanz zu werden, unterhält Handelsbeziehungen mit Indien und Ceylon. Inschriften auf Steinplatten weisen Ezana als König von Himyar und Saba, also als Oberherrn von südarabischen Staaten, aus.
Ende des 5./Anfang des 6. Jahrhunderts kommen, glaubt man der Überlieferung in der Hagiographie, ›Neun Heilige‹29 aus dem Nahen Osten ans Horn von Afrika. Es ist die legendenhafte Verkleidung des Vordringens christlich-orientalischen Mönchstums nach Aksum. Im Nahen Osten hatte sich vor allem im koptischen Ägypten, mit dem Aksum in Verbindung stand, ein sehr lebendiges Mönchstum entwickelt,30 dessen Ausbreitung nach Süden naheliegend ist. Auch im Christentum am Horn von Afrika verwurzelte sich das Mönchstum bald und wurde zu einem essenziellen, tragenden Element der Kirche. In den folgenden Jahrhunderten wurden zahllose Klöster gegründet, in denen sich ein reiches geistiges Leben entwickelte.
Schon früh unternimmt Aksum militärische Vorstöße über das Meer hinweg, die auf der Ost- und Westküste des Roten Meeres gleichermaßen dokumentiert sind. Lange vor Ezana haben sich Könige von Aksum in Südarabien engagiert, dort über wechselnde Allianzen mit verschiedenen – sabäischen und himyaritischen – Herrschern Einfluss ausgeübt und die Küstenebene am Roten Meer (Tihama) zumindest zeitweise kontrolliert.
Aksum ist für eine Zeit dominierende Macht in Südarabien und kann die Lokalmächte gegeneinander ausspielen. Im 3. Jahrhundert erschienen die Könige GDR (T) – vielleicht der erste aksumitische König, der in Südarabien interveniert, jedenfalls der erste, der in einer sabäischen Inschrift genannt wird – und GRMT als Protagonisten einer aktiven aksumitischen Arabien-Politik. Ob Aksum allerdings noch zu Ezanas Zeiten eine dominierende Rolle im Südwesten der Arabischen Halbinsel spielte, ist nicht eindeutig klar. Die Erwähnung südarabischer Staaten in Ezana-Inschriften mag üblicher Bestandteil der Standardtitulatur des Königs sein.
Dagegen war die Regierungszeit von König Ezana definitiv eine Epoche von Feldzügen zu Lande und territorialer Ausdehnung sowie der wirtschaftlichen Expansion. Bereits in den 60er-Jahren des 3. Jahrhunderts hat ein aksumitischer Feldzug gegen Meroe stattgefunden. Meroe,31 zwischen dem 5. und 6. Nilkatarakt etwa 180 km nördlich der heutigen sudanesischen Hauptstadt Khartum im historischen Nubien gelegen, ist seit 300 v. Chr. Hauptstadt des Reiches Kusch. Es ist Träger des Handels zwischen Innerafrika und Ägypten sowie der Mittelmeerwelt.32 Als Ezana Mitte des 4. Jahrhunderts dann seinen Feldzug gegen Meroe unternimmt, ist der Staat bereits im Niedergang begriffen, die Operation richtet sich wohl gegen die Ethnien der Kasu und Noba (Nubier), die die Stadt eingenommen haben. Aksum kann den innerafrikanischen Handel übernehmen und Meroe bzw. Kusch als wichtigen Handelspartner Roms im südlichen Niltal ablösen. Wichtigste Waren dieses Handels sind Ebenholz, Elfenbein, Weihrauch, Straußenfedern und -eier. Später übernahm dann auch hier das Christentum eine führende Rolle, seit 500 AD entstanden drei christliche nubische Reiche.
Wir dürfen aber nicht davon ausgehen, dass Aksum sich als ein ›Reich‹ bis an den Nil erstreckte und das Territorium von Kusch oder Nubien umfasste. Das ›Reichsgebiet‹ von Aksum müssen wir uns relativ beschränkt vorstellen. ›Aksum‹ ist immer zuallererst die Stadt Aksum, in der das Reich sein Zentrum hat und auf die alles fokussiert ist.
Aksum darf nicht gleichgesetzt werden mit dem Staatsgebiet des heutigen Staates ›Äthiopien‹ oder gar als ein Staat, der sowohl Äthiopien als auch Eritrea umfasste (oder gar Somalia, den Sudan etc.).
Die wirkliche Reichweite der ›Herrschaft‹ aksumitischer Herrscher – Institutionen und Verwaltung gab es nur ansatzweise und in eingeschränktem Sinn – war von sehr unterschiedlicher Dimension. Das ›Territorium‹ von Aksum war starken Schwankungen unterworfen, eine auch nur annähernd genaue Grenzziehung oder kartographische Erfassung ist so gut wie unmöglich.33 Auffallend ist: Der Reichsmittelpunkt liegt im Hochland (von Tigray), wie es schon bei Dama’at der Fall war – dennoch ist der Zugang zum Meer entscheidend, wenn auch Küstenregionen nur zeitweise zum Kernland gehören.
Ganz ähnlich wird die Entwicklung auch in den folgenden Jahrhunderten bis in die Gegenwart sein: Das größte Reich am Horn von Afrika, ob der Staat der Zagwe-Dynastie oder später das salomonische Reich ( Kap. 2 und Kap. 3), ist zunehmend zum Landesinneren hin orientiert und verlegt seine Schwerpunkte mehr und mehr nach Süden, der Küstenstreifen erlangt immer wieder eine gewisse Autonomie oder Eigenexistenz, gefördert durch die verkehrsgünstige Lage am Roten Meer und geprägt von den äußeren (macht-)politischen Einflüssen, die hier zum Tragen kommen. Schon früh artikuliert sich eine Art ›eritreische‹ Individualexistenz.
Im 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung gibt die Entwicklung in Südarabien neue Anstöße für eine aktive Politik im Roten Meer und starkes aksumitisches Engagement auf seiner Ostküste. In Südarabien hatte das Christentum Fuß fassen und zahlreiche Anhänger gewinnen können. Dies stärkte auch den aksumitischen und den byzantinischen Einfluss auf der arabischen Halbinsel und im Roten Meer. Dieser scheint jedoch im 6. Jahrhundert in Gefahr.
Um 520 kam es durch den zum Judentum konvertierten König Yusuf As’ar Yath’ar (arabische Quellen nennen ihn Dhu Nuwas) zu antichristlichen Maßnahmen (er brannte etwa die Kirche der himyaritischen Hauptstadt Zafar nieder) sowie zu relgelrechten Christenverfolgungen, die ihren Höhepunkt in Nadschran fanden, wo viele Christen starben,34 welche seither unter orientalischen Christen als Märtyrer verehrt werden. Eine wichtige syrisch-aramäische Quelle, das ›Buch der Himyariten‹, berichtet über diese Christenverfolgung, die von Inschriften und anderen Quellen bestätigt wird.35 Der aksumitische König Kaleb Ella Asbeha intervenierte auf Bitten des byzantinischen Kaisers Justin I. Dieser will sein Bündnissystem ausbauen,36 seine Position gegenüber Persien sichern und stellte seinem aksumitischen Verbündeten auch Schiffe für die Operation zur Verfügung.
Der König selbst steht an der Spitze des Feldzugs nach Arabien. Die Dominanz des Christentums sowie Aksums im Südwesten der arabischen Halbinsel wurde nach anfänglichen Schwierigkeiten wiederhergestellt. Dies bedeutet das Ende von Himyar – ein aksumitischer Regent wurde nun eingesetzt.37 Der letzte Versuch des himyaritischen Staates, seine Eigenständigkeit zurückzubekommen, ist definitiv gescheitert, die byzantinisch-aksumitische Kontrolle der Region scheint gesichert.
Abraha, ein Offizier aus Adulis, soll später die Macht übernommen haben, sich aber mit dem ›Mutterland‹ Aksum nach anfänglichen Auseinandersetzungen arrangiert und Tribut bezahlt haben. Es wird überliefert, er habe im ›Jahr des Elefanten‹ (benannt nach einem aksumitischen Kriegselefanten), in dem Muhammad, der Prophet des Islam geboren wurde, einen Feldzug gegen Mekka unternommen, das durch göttliche Intervention aber gerettet worden sei.
Dieser Feldzug hat wohl faktisch kurz vor oder kurz nach 550 stattgefunden, das Jahr der Prophetengeburt dürfte aber 570 (oder 573) gewesen sein. Entweder dieses Ereignis oder ein Hilferuf aus Himyar, jetzt aksumitische Provinz, führte dann zu einer militärischen Intervention des persischen Sassanidenreiches und damit endgültig zum Ende der aksumitischen Rolle in Südarabien. Persien griff die Gelegenheit für ein militärisches Einschreiten gern auf und konnte jetzt die Vorherrschaft im Indischen Ozean und im Roten Meer für einige Zeit übernehmen. Sogar in Berbera an der Somaliküste richteten die Perser eine Garnison ein, vielleicht ein erster Schritt zu energischeren Maßnahmen auch gegen Aksum?