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August 2010

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Idaho, USA

Die Fliegen kreisten in dichten Wolken um die fauligen Überreste der Leiche. Ein penetranter Gestank lag in der Luft, der kaum auszuhalten war.

Detective Butch Grey musste zu seinem Leidwesen feststellen, dass er gerade an die Grenze seiner Belastbarkeit angekommen war. Die Hitze war unglaublich und die Sonne knallte unbarmherzig auf das tote Wesen zu seinen Füßen. So wie es aussah, mochte man es kaum als menschlich bezeichnen, doch die Form war eindeutig. Er glaubte sogar, erkennen zu können, dass es eine Frau war. Zumindest war noch die Andeutung ihrer Brüste zu sehen.

Er trat einen Schritt zurück und sah sich um. Sie befanden sich in einem abgelegenen Waldgebiet mitten in Idaho. Die Leiche lag in einer kleinen Senke und die Spuren und Blutreste legten nahe, dass sie hier gestorben war.

Detective Grey seufzte. Normalerweise wäre diese bedauernswerte Frau nie gefunden worden. Der Ort war einfach zu abgelegen. Es war blanker Zufall, dass eine Gruppe Wanderer auf die kreisenden Truthahngeier aufmerksam geworden war.

„Okay“, meinte er zu einem der Cops, die in einigem Abstand auf weitere Anweisungen warteten. „Sobald die Spurensicherung durch ist, lasst die Leiche nach Boise transportieren. Hier hilft nur noch eine Obduktion.“

Mit einem unguten Gefühl stapfte er zu seinem Wagen zurück, der etwa eine Meile weiter entfernt parkte. Er hatte bereits einige Leichen zu sehen bekommen. Keine war ein schöner Anblick gewesen. Doch diese hier hatte etwas an sich, das ihm den Magen umdrehte.

Zwei Tage später wusste Detective Grey auch, warum. Mit leichter Gänsehaut las er den Obduktionsbericht.

Die Frau war noch nicht identifiziert worden, doch sie war Anfang zwanzig Jahre alt, blond und vermutlich kerngesund gewesen.

Bis sie auf ihre Mörder stieß. Wobei die Mehrzahl irgendwie schwer zu definieren war. Es war eine anscheinend verunreinigte DNA auf der Frau gefunden worden. Sie war zweifellos menschlich, doch hatten sich auch Caniden-DNA-Segmente gefunden. Übersetzt: hundeartige Gensequenzen. Das würde zumindest die zahllosen Bissspuren erklären, auch wenn diese ungewöhnlich groß waren. Außergewöhnlich groß, hatte der obduzierende Arzt vermerkt. Passen würden auch die Haare, die auf der Leiche verteilt waren. Lange Hundehaare, die keiner bekannten Rasse zugeordnet werden konnten.

Das teils menschliche Sperma im Vaginaltrakt und schwere Verletzungen in diesem Bereich deuteten zweifellos auf mehrfache Vergewaltigung hin.

Doch dies alles war nichts, was ihn beunruhigte. Frauen wurden leider viel zu oft Opfer von Vergewaltigern. Dass dabei Hunde auf sie gehetzt wurden, war sicher scheußlich, doch viel schlimmer war die Erkenntnis, dass der jungen Frau bei lebendigem Leib die Haut abgezogen worden war. Und da keine Reste von dieser zu finden gewesen waren, konnte man wohl davon ausgehen, dass der Hund sie gefressen hatte. Ein Teil der Haut war mit einem Messer abgelöst worden, doch ein weiterer Teil der Muskulatur trug Anzeichen von Zahnspuren.

Detective Grey lehnte sich zurück und atmete tief durch. Die Vorstellung von den Qualen der Frau verursachte ihm Übelkeit. Wer das getan hatte, war eindeutig geisteskrank und hochgradig sadistisch. Und die Schlussfolgerung ließ ihn erneut erschauern. So jemand beließ es nicht bei einem Mal.

Er griff zum Telefon. Es wurde Zeit, dass er das FBI benachrichtigte.

Pressemitteilung

Killerdog zerfleischt Frau

Vor drei Tagen wurde die Leiche einer jungen, noch unbekannten Frau gefunden. Laut der polizeilichen Ermittlungen wurde die Frau mehrfach vergewaltigt und anschließend von einem großen Hund zerfleischt. Die Polizei bittet um Hinweise aus der Bevölkerung, ob es vermisste Frauen gibt, die sich in den letzten Tagen im Leakey Wood oder der näheren Umgebung aufgehalten haben.

Special Agent James Bond stieß einen leisen Fluch aus, als er die Zeitungsmeldung las. Immerhin hatten diese Nachrichtengeier keine weiteren Details erwähnt.

Killerdog! Das war mal wieder typisch.

Er erhob sich und trat aus dem kleinen Büro, das man ihm zugewiesen hatte, in den Gang. Kurze Zeit später stand er vor dem Büro von Detective Grey. Dieser wirkte übernächtigt und keineswegs gut gelaunt.

Bond mochte ihn. Der Detective war Mitte fünfzig und schien noch gut beieinander zu sein. Ein erfahrener Ermittler, und dennoch. Dieser Fall setzte ihm anscheinend zu.

„Die Pressefritzen sind echt nervig“, stöhnte er jetzt. Vor ihm lag ebenfalls die Zeitung. „Killerdogs! Das wird uns ewig verfolgen, wetten?“

Special Agent Bond nickte. „Das steht zu befürchten. Haben Sie schon erfahren, ob es neue Erkenntnisse bezüglich der Hunderasse gibt?“

„Nein, leider nicht. Bisher wissen wir nur, dass er außergewöhnlich groß ist und ein Riesenmaul sowie langhaariges schwarzbraungeschecktes Fell haben muss. Die Gensequenzen deuten auf eine sehr enge Verwandtschaft mit Wölfen hin.“

Bond nickte, das wusste er schon alles.

„Gibt es denn keine Spezialisten für sowas?“

Detective Grey hob die Schultern.

„Keine Ahnung. Wenn, dann müsstet ihr vom FBI das doch wissen. Immerhin kommen die ersten Vermisstenmeldungen herein. Einige können wir bereits ausschließen, doch ich habe schon ein paar Leute losgeschickt, um Genproben zu sammeln.“

„Hm, vielleicht haben wir ja Glück.“

Unruhe entstand auf dem Korridor. Kurze Zeit später verdunkelten zwei Gestalten den Eingang zum Büro.

Bond drehte sich um und starrte die Ankömmlinge irritiert an.

Zwei Männer standen dort. Einer war riesig groß, breit wie ein Schrank und wirkte so bedrohlich, dass Special Agent Bond am liebsten zurückgewichen wäre. Der zweite Mann war nicht ganz so groß, erschien aber durchtrainiert und keineswegs harmlos. Beide trugen braune Kleidung, die ein wenig militärisch wirkte. Waffen waren nicht zu sehen, doch das musste nichts heißen. Die Jacken der beiden waren weit und mit vielen Taschen versehen.

Dass sie bei der Hitze überhaupt Jacken trugen, ließ ihn erst recht misstrauisch werden.

„Entschuldigen Sie die Störung“, meinte der kleinere der Männer. „Sind Sie für den Mordfall an der jungen Frau zuständig?“

Detective Grey hatte sich erhoben und wirkte noch angespannter als vorher.

„Wer möchte das wissen?“, fragte er.

„Mein Name ist Jared Kingston und das ist Silas Limes. Wir arbeiten für die Minnesota Ranger.“

Agent Bond nickte langsam. Der Name war ihm schon einmal untergekommen.

„Sie sind Spezialisten für Terrorbekämpfung und Man Trailing“, erinnerte er sich.

Kingston grinste.

„Stimmt. Sie sind vom FBI?“

Bond versteckte seine Überraschung. Woher wusste der Kerl das? Er trug keine Berufsbezeichnung an sich.

„Special Agent Bond“, bestätigte er. „Ich leite diesen Fall. Was kann ich für Sie tun?“

„Hm, möglicherweise können wir Ihnen helfen.“

„Und wie kommen Sie darauf?“

„Wir haben einige Erfahrung, was Leichenfunde in der Wildnis angeht. Auch in Bezug auf Tierangriffe.“

„Und wie kommen Sie darauf, dass wir ihre Hilfe brauchen?“

Jared Kingston grinste.

„Wir kommen da nicht drauf. Unser Chief hat einen Anruf von irgendeinem Typen vom FBI erhalten, dass wir uns den Tatort und die Leiche mal ansehen sollen.“

Special Agent Bond runzelte die Stirn.

„Und warum weiß ich davon nichts?“

Kingston hob die Schultern.

„Keine Ahnung, aber Sie können ja mal nachfragen.“

Bond zögerte erst, doch dann griff er nach seinem Handy.

Kurze Zeit später erhielt er tatsächlich eine Bestätigung.

„Also gut.“ Er nickte den beiden Rangers zu. „Was wollen Sie zuerst sehen?“

„Die Leiche“, schlug Kingston vor. „Und wenn Sie uns die GPS-Daten vom Tatort geben, reicht uns das. Wir werden dort nichts verändern, mein Wort drauf. Na ja, eine Kopie des Obduktionsberichts wäre natürlich auch nicht schlecht.“

„Ich begleite Sie, Mr. Kingston.“ Er sah zu Detective Grey. „Können Sie eine Kopie besorgen und mich auf dem Laufenden halten?“

Der Detective nickte. „Kein Problem. Viel Erfolg.“

Eine Stunde später standen sie im Kühlraum des gerichtsmedizinischen Instituts. Vor ihnen lagen die Überreste der Leiche, und Special Agent Bond beobachtete gespannt die beiden Männer, die den Metalltisch umkreisten und die Tote konzentriert betrachteten.

Nach langen Minuten meinte Jared Kingston: „Wir können drei Typen Bissspuren identifizieren. Zum einen natürlich diesen „Killerdog“, mindestens zwei Kojoten und kleinere Abdrücke, die auf Nerz deuten. Dazu noch Hackspuren von Geiern. Dieser „Killerdog“ hat ihr teilweise die Haut heruntergefressen. Vermutlich lebte sie währenddessen noch. Die anderen Bissspuren waren nicht tödlich. Zumindest dieser Dog hat nichts anderes von ihr gefressen als die Haut. Scheint ein wählerisches Mistvieh zu sein. Vermutlich ist die Frau verblutet.“

Agent Bond war gebührend beeindruckt. Innerhalb von wenigen Minuten hatten die Ranger die wesentlichen Details der Obduktion bestätigt.

„Können Sie was zu dem Vergewaltiger sagen?“

„Hm, das eine oder andere, aber dazu müssten wir vorher den Tatort besichtigen.“

Agent Bond schluckte seine Enttäuschung herunter. Nicht, dass er sich wirklich vorstellen konnte, wie diese Ranger mehr am Tatort herausfinden wollten als die Spurensicherung. Doch jede winzige neue Information konnte hilfreich sein. Also würde er die beiden zum Tatort bringen.

„Der Typ, der die Kleine mit dem Messer bearbeitet hat, war groß. Sehr groß. Vermutlich so groß wie Silas hier.“

Jared Kingston hockte etwa zwei Meter von der Stelle, an dem das Opfer gelegen hatte und sprach zu Agent Bond, ohne nach oben zu blicken.

„Groß und vermutlich entsprechend stark. Daher waren wohl auch keine Fesseln nötig. Gab es Schnittspuren in die Beinmuskulatur?“

Bond nickte.

„Ja, in beiden Waden.“

„Hm, dann hat er so wohl verhindert, dass sie weglaufen konnte.“

„Wie kommen Sie darauf, dass er groß und stark war?“

„Schrittlänge, Abdrucktiefe, aber das müssten Ihre Leute doch auch herausgefunden haben.“

„Die Spuren waren nicht so deutlich, wie wir es uns gewünscht hätten“, gab Bond zu. Jared Kingston stand auf und winkte ihn mit sich. Er führte den FBI-Agenten etliche Meter von der Leiche weg und deutete dann auf den Boden.

„Nahe der Leiche ist auch nichts Brauchbares, aber hier. Die Abdrücke gehören zum Täter. Sie können die Spurensicherung ja nochmal herschicken.“

Agent Bond verzog das Gesicht.

„Na, das wird die Jungs ja freuen. Aber gut. Wir sind auf alles angewiesen. Sie kennen nicht zufällig auch die Haarfarbe von diesem Mistkerl?

Kingston grinste und sah zu Silas Limes. Der hob die Schultern und meinte: „Dunkelbraun.“

Bond holte tief Luft. „Aha.“

„Wollen Sie nicht wissen, woher er das weiß?“, feixte Kingston.

„Doch, natürlich.“

Wurde er da gerade auf den Arm genommen? Aber beide Ranger wirkten nicht wirklich amüsiert. Im Gegenteil. In ihren Augen brannten Zorn und Trauer.

Der riesige Ranger langte nach oben in einen tiefhängenden Ast und zog diesen tiefer.

„Da hängen seine Haare drin“, erklärte Kingston. „Ehrlich, ich empfehle Ihnen, hier nochmal gründlicher zu suchen. Auch wenn ich fürchte, dass sonst nichts mehr zu finden sein wird.“

Special Agent James Bond fluchte leise und griff nach seinem Handy. Oh nein, es würde den Leuten bei der Spurenermittlung tatsächlich nicht gefallen, dass zwei Ranger solch wichtige Details gefunden hatte, die ihnen entgangen waren.

Er nahm sich fest vor, mehr über diese Ranger herauszufinden. Sie arbeiteten offensichtlich sehr effektiv.

]*

Jared Kingston steuerte den Dodge Richtung Highway.

„Du hast ihn erkannt“, stellte er nach einiger Zeit fest. Silas Limes nickte.

„Einer vor meiner Zeit, vermute ich dann mal. Und wer?“

„Seoc. Seoc Loganach.“

„Scheiße“, fluchte Kingston leise. „Das wird Cathal nicht gefallen.“

„Niemandem wird das gefallen“, knurrte Limes. „Dieser Bastard ist schlau, stark und gerissen. Und leider Gottes ein ausgemachtes Arschloch. Kein Wunder, dass der Boss ihn nicht mehr in unserer Truppe haben wollte.“

„Was wissen wir noch über ihn?“

„Anscheinend zu wenig. Aber das werden wir wohl ändern müssen.“

„Die Kleine wird nicht das einzige Opfer bleiben“, murmelte Kingston. „So, wie er an ihr rumgerissen hat, hat es ihm ausgesprochen Spaß gemacht.“

Silas Limes verzog das Gesicht.

„Wie gesagt, ein echtes Arschloch.“

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